vierter teil
1 königsweg
von
ferne der wellenhafte saum eines liedes, dessen bestickte spitzen ihn am ohr
kitzelten; geigentöne; feines helles singen
wohin der weg ging?
fleck hatte sich doch nun schon
so oft ausgewechselt, sich hernach als jemand neues gefühlt und sich
dabei immer und immer dieselben fragen gestellt. sein leben war ein einziger
berg von fragen, die sich nie abtrugen; fleck steckte in diesem berg und war
<partiell glücklich> wie er es einmal genannt und damit
einen irren kompromiss ausgesprochen hatte: immer nur für augenblicke
wirklich glücklich zu sein; nie unendlich; fleck verbrannte seine fragen
und verblies die ascheschnipsel. strich sich rußschwarze antworten ins
gesicht
auf den pflasterstein malte fleck
mit ruß sein leben: ein kleines quadrat mit neun kästchen, von
denen acht völlig ausgelöscht waren; acht mal asche; sonst nichts
sonst nichts! da machte fleck
sich nichts vor. sein streben ging dahin, noch das restliche neuntel auszulöschen.
doch wie verbrennt man ein blatt papier ganz und gar, ohne sich am ende die
finger mitzuverbrennen?
sonst nichts! und wenn er doch
wenigstens ein solches blatt im wind wäre, eins mit buchstaben drauf,
die von irgendwem gelesen, verstanden, erhört werden könnten; wenn
irgendwo eine richtung wäre
sonst nichts! die welt, die für
alles und jedes eine sogenannte <begründung> einforderte, eine
begründung, die fleck anekelte. wer wusste schon um die hintergründe
der dinge, die man hierzu heraufzubeschwören hätte? wie weit konnte
irgendwer wirklich hinter die dinge und ihre <gründe> blicken?
ohne ein allumgreifendes nichts klaffen zu spüren
fleck steckte die zunge im hals,
ein blaugefrorener block; zum stein erstarrt
in seine augen taumelte der erste
schein des morgenrots; Aurora: schob sich als glimmender schein vor das sternengeleucht
und vertrieb das götzenhafte gegondel des mondes. fleck rieb sich die
klammen hände und starrte über die brüstung hinab
jedes herz war eine ballade
es gab keine profezeiungen. es
gab nur atem; und zwischen den einzelnen atemzügen klafften krater der
leere
2 feuerfarben
manchmal
war es ihm schwierig zu entscheiden, ob er noch da sei oder ob schon der herbst
über ihn hinweggegangen sei und ihn mit sich davongerissen habe
der herbst mit seinen melodischen farbfeuern; der schreiende schmerz zeigte
ihm, dass er noch lebte. bäume, beflaggt mit rubinfarbenen wimpeln, erstrahlten
ihm im rötesten gewand; kündeten gelbe von schiffsmasten herabflatternde
wesen den leisen aber opulenten untergang eines wracks in saugenden winden.
die winde hatten sich gestritten. fleck sank rötlicher schimmer ins haar.
die trübe glut des abends
hatte ihm ohnehin längst die augen versengt. fleck, bartstoppelig, mit
geröteten hautpartien, saß auf seinem platz in einer felsenbank,
nestelte mit langen ungepflegten fingernägeln an seinen handinnenflächen.
er war abgezehrt und dennoch trunken; sein auge ruhte starr auf dem glitzer
des meeres, das faulige bracken heranschob; der schaum bei seinen schuhen
besaß eine verdorbene bläue, die pestig aus dem wasser heraufglotzte.
er roch die verderbnis nicht:
die see hatte ihm heute nicht
einmal einen dahingesiechte<h2>soffenen atem hofierten. die sich zu ihm setzten:
deren gedanken für fleck wie träge fischerkähne waren, während
seine ideen wie schnellboote vorbeizogen. er kotzte ab und zu mit umbeugsamer
stimme gedanken heraus, was besagte gesellschaft völlig verunsicherte.
es wurde ihm heiß, die
flammen loderten ihm bis zu den ohrläppchen. dabei hatte er das gefühl,
seine nasenspitze würde feuer fangen. es gab nichts, um den brand zu
löschen. er fühlte es nahen, wie in seiner kindheit: den
herbstlodernden baum, der aus der erde wuchs und zuletzt seine entflammten
blätter über alles warf; alles bedeckte.
asche blieb zurück. das
feuer kam ruhig heran, fuhr langsam über alles hinweg, kehrte alles ein.
fleck fuhr sich hin und wieder
mit seinen klobigen und seltsam steifen händen durch seine wirren strähnen.
<als ich noch lebte>, sagte
er zu den leuten dort auf der backsteinbank im park, <war der feuerrote
schmerz in mich gedrungen. aber jetzt muss ich tot sein, oder nicht von dieser
welt. und so viele dinge sind tot. und ich bin der einzige, der nach seinem
tod noch denkt.>
sie lachten ihn aus. da fiel
ihm seine liebe ein.
<ich liebe dich!> hatte
sie gesagt, damals.
<ja. schade!> hatte er
ihr geantwortet.
alles in gold verwandelt. ihre
augen hätten ihn treffen sollen wie zwei mordlüsterne dolche. doch
flecks augen waren ruhig und tief geschlossen. er war bei sich. sein trüber
geist blickte durch wässrig blinde augen in die welt, ein auge schon
vollkommen stumpf, mit dem anderen nie etwas reizenderes erblickt als schalheit;
leere; verdüsterung.
ja. schade! dass du dieses wrack
zu lieben suchst. und schade! dass es dir niemals ewig sein konnte: nur eine
kurze sekunde, bevor der lodernde brand alles fraß; bevor die kraft
des feuers, die tosende glut, alles aufleckte
schon früh, wenn er zu seinem
aussichtsplatz oben an der empore herauf kam, rührte ihn der herbst an;
überschatteten ihn nebelschlieren wie dünnflüssiger kleister;
flockten dünne wolken; klebte plötzlich ein gedanke lose am nächsten;
schüttelte fleck der kalte wind und fraß sich in seine klammen
knie; zwickten ihn koboldhaft die wirbelsäule hinunter hopsende kicherschmerzen,
die wie allesfressende lachsonnen an seinem rücken bissen und nagten.
fleck saß wie toll über
der stadt und schaute hinunter auf silhouetten. neben ihm saß allerhand
volk, kokettierende kerle, junge rauchende gören, parfumschwangere damen,
gemüsefrauen mit kerbigen gesichtern, betrunkene taxifahrer. und alle
legten sie ihre arme um fleck.
gelegentlich steckte er ihnen
kurz einen ellenbogen unters auge, damit sie verschwanden.
damit sie verschwanden, dachte
fleck. denn sie mussten ihren eigenen gestank nicht ertragen. damit
er in ruhe vom kirchplatz hinunterschauen könne auf die besonnten ziegeldächer
und deren mönche und nonnen. und hinauf: was da für wolken seien.
damit er gott genießen könne. man zog die kleinen kinder von seinem schoß.
jedes hausdach war ein süßer
bissen röte.
früher habe er mehr kraft
besessen, meinte fleck zu wissen. da sei er ein gedrilltes tau im wind gewesen.
heute wehte sein körper wie das zerrissene segel einer gestrandeten jolle:
höhnisch quiekte ihm das frühe kichern des todes in den knochen.
metallisch kroch ihm der frost mit spitzem gemecker über die haut hin.
längst abgestumpfte angst zuckte ihm wie ein altes geisterspiel durch
die gefäße. er fühlte noch etwas anderes. doch das verbiss
er sich zu benennen: er fühlte ein ruckeln in seinem hals, wenn seine
gedanken daran streiften. schauer überrieselten ihn, von den haarspitzen
bis hinunter in die zehen.
seine gelenke waren morsch und
greis, die beine müde, der rücken krampfte sich unter der anstrengung
zusammen; es gab keine hoffnung mehr, keine fröhliche melodie, die aus
irgendeinem hauseingang zu ihm drang und ihn für momente belebte; es
gab überhaupt nichts mehr
da war so viel kraft, die sich
selbst verzehrte, sich in gräßlicher langeweile in sinnlosen bewegungen
verfraß. aus seinen händen klaffte rotes fleisch. fleck fühlte
verlassenheit. und je mehr er für einige zum possenreißer wurde,
desto öfter bleckte er ihnen seine scheckigen zähne und ließ
unversehens irre schreie hören.
erfrischend finster war manche
nacht; dann waren sie alle verschwunden.
3 die unendlichkeit der doppelsonnen
inmitten
zweier sonnen träumte er ein gott zu sein. gelbe sonne, rote sonne. er
sah niemanden mehr. sein blick hatte sich verdunkelt; seine iris eingetrübt
in ein traniges graubeige, von schieferigem glas überzogen, aus der die
pupille als dunkle mündung herauszielte und eigenartig starr auf den
gegenständen haften blieb. dürr war er geworden, zusammengezurrt
zu einem hänfling. er saß stundenlang und wiegte seine gedanken
wie ein kind ein paar kuscheltiere. seine haare waren zu silberblondem strohfeuer
aus wirren verfilzten strähnen geworden; sein gesicht, schattig verlebt,
glänzte bleich im kerzenlicht.
das kleine ecklokal war ganz
nach der art spanischer weinspelunken. tagsüber unterhielten sich ältere
herren bei kaffee, branntwein und zigaretten lautstark, hatten dabei den fernseher
laufen und diskutierten hitzig über sportliche ereignisse.
schon vormittags duftete es nach
kaffee und gebäck. hin und wieder, meistens um die mittagszeit, kam eine
familie mit ein oder zwei kindern ins lokal, um zu eis oder süßspeisen
kalte getränke und espresso zu trinken. abends wurde die kneipe zur räucherhöhle.
männer trafen sich zum trinken, kartenspielen und debattieren. im eingangsbereich
standen vergnügungsautomaten. junge männer mit sonnigen gesichtern
spielten dart. sie lachten laut und prosteten sich mit aneinander klirrenden
bierflaschen zu. es wurde um geld gestritten. ein ums andere mal tauchte auch
die polizei auf, schlägereien waren jedoch selten.
der kneipenschall brach sich
an den wänden mit dunkelgrünen stofftapeten und großen goldenen
bilderrahmen: billige reproduktionen großer kunstwerke, längst
vergilbt. die wände waren über die jahre in der schlechten luft
speckig geworden. ein uralter Wurlitzer stand in einer nische, der offenbar
seit jahren keine musik mehr ertönen ließ und vollkommen mit staub
und nikotin bedeckt war.
in der mitte des großen
raumes befand sich ein billardtisch, dessen fusseliger filz als ablagefläche
für alles mögliche diente: rechnungen, brettspiele, tabletts; manchmal
wurde sogar geschirr dort abgestellt oder ein bündel aus jacken, mänteln
und schals achtlos darauf geworfen.
in dieser kneipe gab es im hinteren
raum eine dunkle ecke, wo nur wenige blicke hinfielen; da dort nie gelüftet
wurde, roch es im verbindungsgang immer eigentümlich nach abgestandener
essensluft, vermischt mit einem durch die traufe des zapftresens erzeugten
biermief, der nach hinten zog.
dort saß er. es war der
ort, an dem er meist schon am frühen nachmittag platz nahm. ein irrer
sei er, ein verschwiegener kerl, sagten welche von dem, der mit nach vorne
geneigtem oberkörper herumschlich wie ein buckliger und schwielige hände
hatte. wieder andere hielten ihn für eine ausgeburt des bösen: ein
glückloser, schräger typ, der immer ein fremder geblieben war über
all die jahre hatte er doch noch nie viel geredet: er wäre seit
eh und je ein wortkarger mürrischer mensch gewesen, sagten manche, und
nun nach den jahren vollends verstummt. nun wäre es sinnlos geworden,
ihn noch kennenlernen zu wollen. selbst zum kartenspielen schien er zu einfältig.
eine art hautkrätze plagte
ihn und so zupfte er ständig die haut seiner hände ab. winzige hautkrumen
lagen überall dort, wo er saß. er hatte in seinen händen große
stellen, an denen das nackte fleisch durchschien. da es ihn andauernd juckte,
rieb er immer wieder mit den knöcheln der anderen hand wie wild darauf
herum.
gerade nach der mittagszeit saßen
oft leute in seiner nähe, die blicke und kleine worte herüber warfen:
anzügliche gesten und pfiffe, dazu derbes männervokabular, um ihn
vielleicht doch ein wenig aufzuheitern. er hörte es nicht, blickte versteinert,
gab niemals antwort.
er konnte wütend werden
bis zur weißglut. in anhaltendem jammervollem schreien fuhren schmerz,
wut und schrecken aus ihm.
um zu vermeiden, dass er einen
seiner schreikrämpfe bekam, gaben ihm die bedienungen des El Hierro großzügig
zu trinken aus: zimmerwarmen tafelwein, den roten, oder etwas gekühlt,
den weißen, den er gleichermaßen schätzte.
er liebte das spiel, zwei kleine
gleichmäßig wackelnde punkte zu betrachten. sie ließen sich
nur zur deckung bringen, wenn er zwei kerzen aufstellte. er hatte vor sich
ein glas weißwein und ein glas rotwein stehen. er erleuchtete beinahe
ritualhaft stets neue kerzen, so dass sich vor ihm immer zwei punkte bildeten,
auf die er tranceartig stunde um stunde hinstarrte. manchmal murmelte er unverständlich
etwas von zwei sonnen. zwei kleine lichtpunkte, rot und gelb, fielen auf die
maserung des tisches.
so wurde ihm behaglich. er nippte
nur ganz langsam und genussvoll an seinen gläsern, um so selten wie möglich
von seinen beiden sonnen lassen zu müssen. es war ihm mühsam, mit
seinen großen händen, die stets zitterten, nach den gläsern
zu greifen und sie so exakt wieder zu platzieren, dass er beide punkte zur
deckung bringen konnte. seine finger waren oft bis zu den handknöcheln
von weißem wachs verklebt. er liebte den schorf des wachses auf seiner
haut und tauchte die finger mit absicht hinein. dabei grinste er, besonders,
wenn ein geheimer zuschauer meinte, er müsse schmerz fühlen, wenn
das heiße wachs ihm auf der haut erstarrte.
so saß er den ganzen abend
und zupfte an seinen schwieligen händen, stocherte im wachs der kerzen
und ließ deren lichtkegel tanzen; starrte, sinnierte, ging in seinem
kopf spazieren. manchmal begannen seine lippen leise zu beben, unter den schnellen
winden seiner gedanken. seine mundwinkel flatterten behände.
niemand wusste, wo er war.
wenn ihn die bedienungen nicht
zu später stunde zur tür begleiteten, ihn bald ermunternd, sich
beizeiten zu erheben, ihn bald sanft am arm zupfend, war er nur schwer dazu
zu bewegen, am späten abend nach hause zu gehen. wurde er zu brüsk
aufgefordert, aufzustehen, schrie er zornig los wie ein kind, das nicht zu
bett gehen wollte, aber dennoch todmüde war. er begann dann theatralisch
mit seinen armen zu rudern, als wolle er zuschlagen, aber ließ sich
doch meist schon nach kurzer zeit vom festen zuspruch des personals beruhigen.
das feuer stakte ihm wie die
spitze eines schürhakens im kopf. züngelnd wie quirlige fischchen
und sternsprengsel tänzelte der brand. hinter dem orangen gefährt
war ein mann gelaufen, mit einem großen besen. er ließ nichts
zurück. zurück blieb schwärze.
an regnerischen tagen, wenn es
im El Hierro wirklich voll wurde, fragten gaststättenbesucher, ob bei
ihm noch ein platz frei sei. er blickte dann langsam auf, mit zwei augen,
die sich nach oben verdreht hatten, zwei aus der achse gekippte monde, vom
meer gewässert; er begann, mit einer hand unruhig zu werden, als versuche
er, diese personen wie lästige fliegen wegzuwedeln, oder begann, mit
wackelndem kopf und zitternder unterlippe unbehaglich zu knurren. der mund
stand ihm dabei halb offen.
sonntags nistete er sich in seiner
felsenbank ein oder starrte stundenweise zum dachfenster hinaus. die blätter
waren längst vergangen. er verlor sich in erinnerungen, verflog sich
bei seinem hinträumen in vergangene einstellungen wie in alte schwarzweißfilme:
vergangenes, das er nicht erlebt hatte; oder sich nicht sicher war; er dachte
an seine mutter mit wehevollem erinnern, dachte an seinen vater; beschwor
bilder aus schönen kindertagen. wahllos durchzogen ihn fantasien, szenerien,
schichteten sich traumhafte begebenheiten übereinander, durchstreiften
ihn beliebige dramaturgien von hell und dunkel, verlor er sich im schattengebäude
seiner träume, stolperte stufen hinab und weiter hinab, schliff sich
blauer travertin;
seine zunge verdichtete sich.
seine zunge verkeilte sich. seine zunge wurde ein berg. seine zunge schüttete
schnee. seine zunge war das azur der nacht;
fleck tauschte hüte aus,
kokettierte bei frauen, hatte geliebte, die er küsste; er liebte und
wiederholte jeden kuss und jede liebe in seinen gedanken immer wieder von
neuem; ließ sich sein herz entfernen und sogleich wieder einsetzen,
verschenkte sein herz, verhökerte es, ließ es sich stehlen und
stahl es heimlich selbst, erstand es wieder, kaufte es im supermarkt, trug
es bewusst als zweitherz, ließ es sich mit dem dolch einer allzuverliebten
im zorn aus der brust herausnehmen, opferte es an basaltenen bänken und
warf es hernach achtlos ins meer;
fleck trieb leise auf den stoßhaften
wellen seines kopfes dahin. ließ sich von dessen gedankenflüssen
hin und her wiegen. spielte in seinem kopf toter mann. war im strudel seiner
fantasien längst weit abgetrieben und schon im nächsten moment wieder
an den klaren gestaden der wirklichkeit angelangt. er habe sein herz nie hergegeben,
dachte fleck. und verweigerte sich brüsk den personen, die in seinem
kopf auftauchten
es seien ja alles bloß
figuren, statisten: beliebig verstümmelte flache charaktere, wie er vermeinte.
fleck tauschte sie aus, stattete als dramaturg im geist seine beliebig komponierten
szenarien immer neu aus, erschuf neue erinnerungs-stücke, in denen sich
bald alles veränderte und ließ bald seine fantasien dahinströmen,
wurde leise durchströmt, dämmerte, fühlte endlich nichts mehr
fleck liebte das spiel, alle
gedanken für augenblicke aus seinem kopf zu verbannen: augenblicke, die
sich wie ewigkeiten dehnten
gedanken waren ihm nichts wert.
er wollte sein denken auslöschen
kerzen waren ihm wie ein lebenslicht.
ab und zu summte er eine melodie. dann meinten manche, die ihn im dunklen
beobachteten, ein lächeln husche über seine lippen. fleck starrte
teilnahmslos auf die tischplatte. sobald sich das gleichgewicht beider punkte
verschob, wurde er unruhig. er hatte mühe, die flammen, die aus seinem
körper brechen wollten, unter der kleidung zu bergen
es gelang ihm für minuten
nichts mehr zu denken
oft fühlte er sich in den
gespenstischen räumlichkeiten seines kopfes gefangen; nacht darin. allein
fleck wandelte dort, allein fleck konnte dort eine sohle aufsetzen. fleck
verirrte sich in verlassenen herrenlosen räumen. fleck war gefangen in
seinem gehirn, verlor sich in dessen schlaufen und windungen wie in riesigen
gemächern, verlief sich in endlos leeren hallen und widerhallenden sälen:
dort war nichts außer spiegelblanken wänden, decken und fußböden,
ein wenig nacht; scharfe raumkanten; angst; leere. fleck verirrte sich in
ihren labyrinthischen schluchten. fleck verging sich in der einöde ihrer
dunklen leerräume, toten winkel, tristen schläuche. würfel
darin; kuben, verdrehte säulen, flache treppen, daneben steile. und dunkel
die nacht: ein leerer, verlassener korpus
manchmal zuckte fleck zusammen,
wenn im nebenzimmer eine horde jugendlicher hell auflachte oder ein paar mädchen
kreischten. wie verstört schrak er hoch und warf einen zornigen blick
gegen die alte tapete, bis sein kopf allmählich wieder nach vorne rückte
und er zurückkehrte zu einem reglosen hinstarren auf seine klobigen wachsverkrusteten
hände.
züngelnde flammen, wie kleine
fischlein auf seinem körper aufsetzende flackernde spitzen, tänzelten,
erhellten mit hell aufzuckenden gluten das düsterschwarze zyklopengebäude.
fleck war in diesem ungetüm
unterwegs, erdrückt zu einem glühenden frosch, der brennend und
sich verzehrend auf dem harten steinboden seiner selbst umherhopste; fleck
fühlte den schmerz seines verbrennens nicht, freute sich sogar am licht,
das er verstrahlte; es erwärmte ihn wie ihn früher die schnellen
violinläufe in rachmaninovs konzerten erwärmt hatten.
fleck war unempfindlich gegen
das beben seiner lippen.
zeit verging, die fleck auf sein
konterfei im wandspiegel hinstarrte. dann nahm fleck die schere und schnitt
sich mit raschen schnitten das gesilberte stroh vom kopf. er hasste sein gesicht.
dieser raue hautschorf, dieses von tausenden pusteln und narben zerfressene
antlitz, in dem nur noch selten das brausende feuer der jugend lohte. fleck
hasste den stumpfen teint seiner haut, die matte blässe seiner augen,
die abgebrochenen kuppen seiner schneidezähne: und wenn er sich vor dem
spiegel mühte zu lächeln, hatte dies stets etwas weinerliches. fleck
wandte sich ab. er hasste sogar den sonnigen schein des messingrahmens, der
den spiegel umgab.
seine haarspitzen ragten in die
luft, kurze stacheln, die er unterschiedlich lang schnitt. stoppeln und ganze
büschel fielen zu boden, fielen in seinen kragen, fielen auf seine kleidung,
bis er sich schließlich soweit er dies mit der schere bewerkstelligen
konnte den schädel kahl geschoren hatte.
selten hatte sich fleck so eins
mit allem gefühlt; er war erleichtert, als der ballast zur erde fiel.
der kreis auf seiner stirn sei
mit den jahren eine wundervolle narbe geworden, dachte fleck. diesen runden
kreis, einen feuerring, durch den ein löwe zu springen vermochte, liebte
er an seinem gesicht.
fleck fühlte weder warm
noch kalt. fleck spürte keine gefallenen härchen auf der haut, kein
jucken, keinen schmerz. fleck blutete nicht. fleck nahm aus einer kleinen
schachtel kleine goldene reißnägel, die er sich um den kopf herum
zu einem kranz in die haut eindrückte. fleck wollte außer sich
sein; fleck wollte von sich loskommen; fleck wollte mit kleinen fühlern
die welt erfühlen, wollte nach draußen horchen, wenn er
durch dunkle menschenleere räume schritt.
einzig die langen schatten seiner
gestalt tänzelten über die schrägen wände. manchmal glaubte
er, dort als hüne mit langen wallenden gewändern aufzuragen; glaubte
heldisch durch ewige hallen zu wandeln, bevor ihn eine plötzliche raumflucht
oder eine rapide steigung unvermittelt wieder zum flammenden kriechtier erdrückte.
fleck war in sich. fleck wollte
außer sich sein. wollte mit den nagelspitzen in seiner stirn nach draußen
horchen und fühlen: bohrende sonnen, die alle mit einem einzigen goldstrahl
ins zentrum seines gehirns wiesen. tentakel und fühler für die welt
kurz zuckten klänge eines
liedes in seinem kopf auf, nur fetzen; bruchstücke spanischer silben
tanzten über rhythmen, die bald wieder von der lautlosigkeit geschluckt
wurden. einen moment lang fühlte er eine unerhörte freude, ins paradies
zu gelangen, in englische gärten und himmel. fleck versank tief, sank
kilometerweit in blauschwarzen schlick. dort war es warm. er fühlte sich
wohl, ein wenig träge, es zog ihn hinein, er sackte hinunter in
dieses wasser, immer weiter, es gab keinen halt, keine trittleiter, keinen
griff, nichts mehr
[musik]
die dunkelheit: das tiefe nass,
das alles schluckt. die see. das meer trinkt sich selbst, schluckt sich in
völliger dunkelheit selber fort. er dachte so vieles, das augenblicklich
zerfiel.
4 laubmeere
das
bett seiner gedanken war mit reif bedeckt. flecks kopf lag in völligem
dunkel. am morgen trat er hinaus vor die eingangstüre und spürte
die kälte des herbstwindes auf den wangen. die kälte lag mit bizarrer
präzision auf allem und jedem. schieferig schuppten sich kühle reifige
formen. matt hob sich weiß samtener film.
vor jahren hatte er direkt vor
dem hauseingang des gehöftes eine kleine allee mit ahornbäumen angelegt:
sie stand mit ihren jungen bäumen friedlich da. sein atem verhuschte
sich in weißen dampf. fleck betrachtete.
schnee war bedeckt mit laub:
ganz gelb, ganz rot, über und über. fleck war überrascht von
der menge des laubes. ein aufschrei der farben. er spürte den schmerz.
das leben der blätter war in der kälte dahingewelkt. sie sahen aus
wie im fieberfrost der nacht verbrannt.
fleck kniete sich hin. er liebte
die farben des laubes, dahingeblüht. er hob sich ein paar blätter
auf. sie waren feucht. fleck strich sie glatt. besonders die kleinen blätter
betrachtete er. auf einem blatt leckte der brand, in der mitte noch beinahe
grün, fraß das feuer gelb von innen heraus und züngelte sich
rot in den fünf spitzen gleichmäßig aus.
reif wucherte kristallin.
er erinnerte sich an gitarren,
die die farbe sunburst trugen.
was ein blatt aussagt. jenseits
dessen, was menschen fühlen. was stille aussagt. jenseits dessen, was
menschen zur sprache bringen. dachte fleck. und wie viele blätterberge
und blätterwälle die menschen schon errichtet haben, die wieder
eingefallen waren. und was sinn sei, im moment des zusammenstürzens.
zusammengestürzt.
das nass: entfacht. die wellen:
himmelhohe schleuderberge, die alles niederreißen werden, alles niedergerissen
haben. die milde ruhe in ihm. daneben die gewalt, die alles niederreißt,
die sogar die sonne vom himmel reißt wie eine gläserne gemme: die
wut in ihm.
nie würde ruhe sein. dort
oben auf der kaimauer wühlte es einige male in seinem innersten.
erschüttert stieß er das beinah willenlos klingende johlen eines
tiers aus, fühlte er es. in ihm würde keine ruhe sein. nie
würde sein herz abebben und leiser schlagen. auch wenn er sein herz noch
so weit weg von sich entfernt vergrub und verbannen wollte, von sich stieß
und wieder fand, so sehr spürte er doch, wie es sich nun zusammenpresste.
fleck fühlte sein herz, fühlte sein zweitherz, fühlte unzählige
fantomherzen dort, wo nicht einmal nerven waren, plagte es ihn
umso mehr.
menschen waren zusammengelaufen,
die hinaufzeigten und nervös herumredeten, sich gegenseitig das wort
abschnitten, um den da oben auf der mauer hören zu können.
fleck krümmte sich vor schmerzen,
stand einige augenblicke steif, horchte in sich hinein, dann gewann er für
momente seine ruhe zurück. viele augen blickten von unten herauf. er
nahm es wahr wie das glitzern des meeres. er hatte lange nicht gesprochen
und nun bebte sein kopf, dass ihm der scheitel fast zu glühen anfing
und sich aus seiner kopfhaut wie ein konus nach oben hob, pochend unter seinem
rasenden blut
seine brust wurde weit wie das
meer, sein atem rauschte, einem schweren sturm gleich. fleck fühlte unbändige
kraft. fleck füllte seine lungen, breitete die arme aus, schloss die
augen. die menge unter ihm wurde augenblicklich still.
dunkler klavierklang; eine unsagbare
ruhe; ein nachtlied; durchklang ihn
flecks augen schlossen weich.
voller vertrauen einatmend fühlte er seinen brustkorb sich wölben
wie einen harnisch aus gold. es war ihm warm. er vibrierte.
worte: sie ruhten als azurnes
wärmendes kissen in seiner brust; sie würden tiefblauer hauch werden,
wenn er sie ausspräche; die welt würde er erretten mit seinen worten;
wenige hätten es ihm gleich getan; er fühlte sich von herrlichkeit
durchdrungen
ein schrei
unter ihm waren sechzig, siebzig
menschen zusammengelaufen, die nun zu ihm aufsahen dem stadtbekannten,
der nie sprach; zu ihm, diesem verschrobenen eckigen seltsamen kerl, der sonst
meist mit den nichtsnutzen auf parkbänken herumlungerte, in kneipen lümmelte,
schlechte weine trank, auf die schachbrettmuster der großen plätze
hinstarrte; zu ihm, der sich mit gelegenheitsarbeitern und kunststudenten
kleine zimmer teilte, nachts aus eckkneipen nach hause begleitet wurde, einen
üblen mundgeruch mit sich herumtrug
ein raunen durchstreifte die
neugierigen:
<schaut doch! er will springen!
jetzt steht er schon ganz am rand!>
ein weiterer ohrenbetäubender
schrei hallte über den platz; kein schrei eines menschen; fleck erhob
seine behaarten arme wie ein messias. minutenlang schloss er die augen
eine göttin sei sie gewesen,
eine frau ganz aus lapislazuli, blau marmoriert, ihre haut glatt und warm
wie blauester kiesel, rund und hübsch. winzige weiße fäden
maserten das blau. er habe sie über und über geküsst, war in
ihr blau eingetaucht, hatte seine goldene warme brust an ihre gedrückt,
ihre lippen wie diademe zwischen den seinen gefühlt; ihre brustwarzen
seien dabei wie glänzende sterne auf seiner haut zersprungen, die hitze
in ihm aufgestiegen, er war zu einem glühenden, taumelnden kristall
erstarrt; ihm war ein zerglühen von formen und farben im kopf getobt,
ein zerspringen von farbtupfern bis hin zur heißesten glut
seine lippen schlossen sich.
fleck schwieg
die welt was war die welt?
lässt sich nur in sinnlosen anekdoten wiedergeben; oder in spröde
formeln hineinpressen, die sich niemals <wahrheit> taufen lassen. dieser
gedanke drängte sich ihm auf, durchbrannte ihn jetzt geradezu. fleck
stand mit geöffnetem mund
er hob abwehrend die hände
nahe vor sein immer röter werdendes gesicht: wahrheit war verhängnisvoll.
wahrheit war eine anmaßung: da, wo wahrheit ist, können die menschen
nicht hin. jede anekdote war ein geräuschvolles nichts
das war
das war der wald
das war der wald
der alles ins nichts stößt
nachts war nichts
nachts nichts
nachts
wer weiß, wo die eigene
stimme ist? da war nur wald; sein blick in den wald
fleck ließ die arme langsam
sinken, öffnete die augen und schwieg
je länger fleck hinsah,
desto mehr verwischte die welt, wurde zu konturlosem nichts. sie zerfiel in
scherben, sprang in große gläserne brocken auseinander wie ein
geborstener bildschirm
5 glut
fleck
war unterwegs auf der startbahn eines flughafens, lief frontal mit dem gesicht
gegen den bug eines flugzeugs. stieß die stirn gegen die nase eines
flugzeugs. war er nun ein gott geworden? fleck zerschellte
fleck fühlte etwas in sich
pulsen, als besäße er wieder ein herz, fühlte, wie sich die
adern leise hoben und senkten. eine hülle war fleck geworden: warme elefantenartige
haut, runzelig, sich teigartig um seine abgestorbene seele herumlegend; absterbende
materie, grau, vergänglich. sie war noch etwas warm, diese hülle,
dampfte die letzten reste vulgären lebens aus. haare wuchsen darauf.
haare wuchsen auf seinen armen
ein sternengespei sei die seele,
dachte fleck, absprühend von einem kadaver der illusion: die <welt>
fleck sah dem widerlichen zucken
seiner adern zu. malte sich aus, wieviele schläge ihn vom letzten schlag
dieser entbehrlichen maschine in seinem inneren trennten. zum glück wurden
es immer weniger statt mehr. jede sekunde ein schlag weniger, bis zum allerletzten,
der endlich frieden bedeutete. jeder moment ein moment weniger, den er durchleiden
musste, mit dem schwächlichen gepöchel eines herzens, keines herzens
er hatte die eigene stimme längst
verloren
da kamen sie, von hinten. irgendjemand
hatte vom handy aus die polizei angerufen. sie kamen, um ihn abzuführen,
ihn zu kassieren den irren, filzmähnigen, früh
vergreisten mittdreißiger. fleck wehrte sich kaum, ließ nicht
einmal mehr einen richtigen schrei los. ein krankenwagen hielt und ein paar
weißzeugler sprangen heraus, nahmen ihn links und rechts und brachten
ihn in ihren wagen. die sirene blieb stumm. das blaulicht schleuderte grelle
lichtschwünge gegen die wände; fleck blickte fasziniert hinein in
dieses helle licht
ein grinsen blieb wie eingefroren
auf seinem gesicht stehen
das jahr blickte kalt. frost
lag auf den schafweiden. schwer stand eine wolkenbank, schafdung erstarrte,
neben kuhfladen barst braunes gras. raben hockten, bohrten ihre schnäbel
in gefrorenes erdreich, hackten eiswiesen nach resten von larven, verstecktem
leben oder hingeworfenem abfall von menschlicher nahrung: kartoffelreste,
mandarinenschalen, kaffeesätze. schwarz tanzten raben, stanzten ihre
schnäbel ins kerosin der grasnarbe, hopsten über braunen blättermatsch.
geruch nach geforener erde
hangauf nach norden hin sah fleck
mit eingekniffenen augen schneefelder: hinter der einfriedung, nahe den laubbäumen,
die als schwarze baumskelette in den himmel ragten, schien grieseliger pulverschnee
gefallen zu sein, dachte fleck, die art wie er verwehte
in triefendes dunkel. hinein
mit geborstenen lungen in den feuchten waldboden. dahin über äste,
rosa scherben, augen. die harten zweige im weichen moosigen untergrund knacken
hören. nadeln, von sturmwinden zerweht. nirgends mehr leuchtkörper,
tanzende käfer. kaputte blumen purzeln umher, blütenblätter,
blätterfetzen und sonstiges gewöll aus der vergangenheit
fleck fand das zucken seiner
pulsader entsetzlich. ein nach leben dürstendes dümmliches tanzen
seines blutes innerhalb eines gefäßes. zu dumm eigentlich, um diesem
getanze nicht den garaus zu machen! die lebenslinie zu kappen. wenn
nicht jetzt ... wann dann?! dieses alberne geblähe nach leben. dieses
durchzucktwerden von einem lebensreflex, dem er doch längst entsagt
hatte. wie einen plastikschlauch das leben abschneiden
das müde pumpern seiner
adern, seiner kapillaren. als ob ihm irgendetwas daran gelegen wäre.
er würde sowieso sterben: mehr oder weniger unspektakulär. den abgang
machen, auf einem metallenen krankenhausbett, in irgendein eck geschoben,
unter einer groben filzdecke mit dunkelblauem aufdruck der initialen eines
örtlichen hospitals, eingehüllt in eine zu dünne schaumstoffzudecke
mit knittrigem bezug, die wärme spenden sollte; benebelt von schlechten
medikamenten; vertäubt von neonlicht und krankenluft; von ärzten
visitiert, die übernächtig in sein gesicht hineinglotzen und mit
schlechtem atem kurze werte hinsprechen; von anästhesisten spritzen gesetzt,
infusionen und katheter gelegt bekommen; inmitten hüstelnder, röchelnder,
schreiender, winselnder, delirierender kranker, über nacht gestorbener
würde fleck die tränen in den augen von angehörigen nur durch
schleier wahrnehmen
fleck erkannte niemanden mehr.
und vielleicht hätte er sich sowieso längst aufgeben sollen. heldentum
züngelte als fauchendes licht: ein letzter rest lebensmut flammte kurz
auf: der antrieb einer rakete: die turbine blies ihm das all ins gesicht
fleck irrte. stieß sich
die knie wund. fleck suchte. fleck fand nichts. fand nachts nichts außer
liebe. fand keine liebe. keine wahrheit. am boden der brei seines lebens.
die tränen. der tod. der ruin. die asche. die leichen. es vergilbte
die zeit am boden. der urin. der geruch des urins von wasser weggewaschen.
die sauberkeit. die desinfektion. rötliche splitter seines kopfes. seines
gehirnes. seines blutes. seiner augen. seiner zunge. seiner nase
hinter den verdorrten büschen
der einfriedung sprang für augenblicke die sonne hervor, gleißte
zwischen dunstigen wolkenschlieren als bohrendes glutauge, das alles mit seinem
licht rötend versengte, dann schnell und glatt hinab ins dunkle strich,
mit einem ziel dahin ging
kein kleeblatt verwelkt ohne
abschied! sondern mit liebe, mit sinn
<was auch immer das wäre,
herr fleck!>
im todeszischen der turbine sein
herz in stücken
mit einem fauchen sprang das
gebläse an. ein gewaltiges wummern dröhnte über das brache
land. fleck sprang auf die kanzel hinauf, turnte flugs zum triebwerk und umarmte
das gebläse des todes
das brausen der roten winde:
fleck spürte sein leben als einen lächerlichen spinnenfaden, gespannt
von unendlichkeit zu unendlichkeit
verblüht
die blütenblätter,
die sich wie ein violettes laubmeer über den boden legen
fleck steckte den kopf ins ohrenbetäubende
windbrausen hinein; ein rotspritzender splitterregen ... sein kopf presste
sich immer weiter hinein in die turbine. seine nase gerät zwischen rotorblätter
sein gesicht wurde im stahlwind zerhackt
seine adern: geplatzt. sein blut:
bettete sein erfühltes. und hier, im tod, fand er es
<sie werden schon wissen,
was sie meinen, herr fleck>, sagte eine heitere stimme aus dem nebel
fleck fühlte weder warm
noch kalt. fleck war unempfindlich gegen dieses beben seiner lippen. fleck
fühlte das knirschen seiner zähne nicht; fleck überkam nach
und nach eine gewisse überzeugung, die welt sei in ordnung
<das haben sie gesagt,
herr fleck!> ...
als ob je irgendeine welt <in
ordnung> gewesen sei; seine oberlippe hob sich leicht und schürzte
sich, zitterte wie der kamm einer schweren welle, als breche jeden moment
ein sturm an
si yo no tengo
la culpa de verte caer.
er starb. starb schnell. starb
langsam. starb vor sich hin. brannte. verzehrte sich. verglühte. flammen
sengten seine kurzen haarspitzen in kurzen nach horn riechenden glühpunkten.
fleck schrie, als verbrenne seine haut, seine hirnschale
fleck, der mit seinem weinglas
in die u-bahn einstieg. als ob je eine welt <in ordnung> war. guten
morgen. der tag bleckte seine schärfsten zähne. der tag leckte
am firmament. der tag drehte sich wie eine waschmaschinentrommel. schwer,
kalkig, müd. guten morgen. fleck stieg in die u-bahn ein. das
war sie: die Große Stadt
das war sie, die grundsuppe des
lebens. sie waberte als unterirdische plazenta durch seegrüne kanäle.
wand sich dunkel und fischig. bohrte durch alle herzen mit dunkelster wucht.
fleck war in vielen städten in die u-bahn eingestiegen. sie hatte ihn
in vielen städten angebleckt. die u-bahn hatte keine blicke. sie würdigte
ihn keines blickes. sie war überall sich selber gleich. sie war das unterste,
das kleinste gemeinsame vielfache. eigenartig, diese gerüche. die schüchternen,
verschämten, beinahe fischigen blicke. sie war der geruchskanal, der
unter den städtischen bädern hindurchfloss: ein schillernder fluss,
der nichts abwusch. er salbte nicht einmal
als er seine hand ausstreckte,
wichen die unzähligen silbrigen wesen zurück. der schwarm bekam
dort eine weiche wölbung nach innen, wo fleck hinlangte; fleck zeichnete
formen und spuren und buchstaben in den aus vielen winzigen leibern bestehenden
körper
fleck hatte sich ein kleines
revolverbärtchen wachsen lassen. zurück und wieder zurück im
leben. in irgendwelchen zeitungen blättern, sich verschanzen hinter der
druckerschwärze des nicht-auffallens. ein hund hatte ihm tags zuvor das
bein zerfetzt. blut (gedunkelt) klebte am klaffenden hosenbein. eine notoperation,
und flugs wieder hinaus ins leben. keine schmerzen.
fleck zog sich zurück, zurück
in sich selbst, hinter seelenloses graffito, trieb weit und weit. fleck trieb
davon in traumgeflacker und blöde dumpfe töne, visionierte sterne
und sternsprengsel. die welt blieb sich gleich; blieb leer. fleck schipperte
in u-bahnhöfen, schlief auf modrigen matratzen, tagaus, tagein
ich bin eine ballade
fleck kotzte sein azur aus. wenn
er das richtige auditorium gehabt hätte, mit den richtigen ohren für
jene funkenstiebende wahrheit, die ihn zeitlebens stück für stück
verbrannte, hätte er von fliedernen zinnen herab gepredigt. für
einen augenblick hatte er gesehen, dass sich die tür geöffnet hat.
dann schloss sie hermetisch mit kaltem zischen. good bye blackberry way
---------im all
gibt es kein oben und unten---------
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