Heide E. Zott RAW CUT Mein Vater war ein Nazi ... na und?
Gangan Verlag: Raw Cut: Heide E. Zott: Mein Vater war ein Nazi – na und? | Grossvater | Grossmutter | Vater | Ich | 3/5

Die Großmutter

Foto Maria Zott, geb. Schwarz

Maria Zott, geb. Schwarz, wurde am 28. September 1889 in Linz geboren. Ihre Eltern, also meine Urgrosseltern waren Josef Schwarz, Gasthauspächter, geboren 1861 in Dreihacken (Try Sekery) in Böhmen, dem heutigen Tschechien, seine Frau war Helene Stallinger, Köchin, geboren am 14.8. 1862 in Hallein bei Salzburg. Geheiratet haben sie dann 1888 auch in Hallein. Ob die geliebte Oma Geschwister gehabt hat oder nicht, davon wurde leider nie erzählt, nehme aber an nicht, denn sonst hätten wir was davon gehört. Sie war selbst gelernte Köchin, eine der berühmten Böhmischen, die ja wirklich das gute österreichische Essen erfunden haben! und hat dann am 18.11.1908 meinen Großvater Johann Karl Zott, geb. 17.7.1878 in Reindorf, geheiratet. Bilder von dieser Hochzeit und der anschliessenden Hochzeitsreise nach Venedig sind in meinem Besitz und mir ein besonders liebes Andenken. Sie hat zwei Kinder geboren, meinen Vater und dessen Schwester Maria. Mein Großvater war begeisterter Radfahrer und hat viele Stadtrennen in Wien gewonnen. Er war gelernter Oberkellner und verstarb leider sehr früh an einer Lungenerkrankung, im Jahre 1927, in Ternitz Niederösterreich. So wurde eine liebe Großmutter bereits mit 38 Jahren Witwe und hat nicht nur ihre beiden Kinder alleine grossgezogen, nein, sie war das Haupt der grossen, grossen Familie Zott und Hofer und hat alle durch den Krieg „gebracht“ und dafür gesorgt, dass ihre Kinder und Enkelkinder wieder ein geregeltes, glückliches Leben führen konnten.

Aus der Zeit meines Großvaters als Soldat im ersten Weltkrieg gibt es einige rührende Karten an sein geliebtes Weiberl, das ihm nur ja gut auf die Kinder aufpassen soll und dass er sie alle bald, bald wiedersehen wird. Das sind einfach die edlsten Schmuckstücke in einer Familiensammlung, solche Karten und Briefe und von denen werde ich mich nie trennen können und hoffe, dass eines meiner Kinder oder Enkelkinder sie gut bewacht, wie das eigene Augenlicht. Eine grosse Liebe zur Oma und seiner Familie sprach aus diesen Zeilen und man kann sich nicht vorstellen, wie sehr diese Menschen gelitten haben unter der Trennung von einander. Und dann die ständige Angst, es könnte was Schlimmes passieren und der geliebte Partner kommt nicht mehr heim! Unvorstellbar. Darum ist die Oma so eine starke, selbstbewusste Frau geworden, weil sie so viel alleinverantwortlich war für Familie und Geschäft und aller unser Leben zu regeln hatte. Der Großvater verstarb wie gesagt bereits 1927 in Ternitz, Niederösterreich. Dort hat die Oma dann für viele Jahre auch das  „Schlossgasthaus Stixenstein“ geführt, wie lange alleine und ohne Hilfe des Mannes, das kann man nicht mehr nachvollziehen, aber es gibt Fotos aus dieser Zeit wo jedoch nie der Großvater abgebildet ist. Mein Vater hat dann selber eine Kellnerlehre begonnen und war ihr eine grosse Hilfe.

Wenn man bedenkt, dass diese herrliche, einfühlsame Frau zwei Weltkriege mitgemacht hat, so jung Witwe geworden ist und trotzdem den Mut und die Hoffnung nie aufgegeben hat, der Kern und das Herzstück einer grossen Familie war, die wir uns fest um sie geschart haben, dann kann man nur den Hut vor solchen Menschen ziehen, die leider immer weniger und weniger werden. Nachdem sie das Gasthaus in Stixenstein aufgegeben hat, oder auch aufgeben musste, ist die Familie nach Wien übersiedelt, wo sie eine Filiale einer bekannten Bäckereifirma, Anker Brot,  geleitet hat. Dies machte sie bis zum Krieg, bis wir alle aus Wien flüchten mussten.

In Lambach dann hat sie ebenfalls das Familienleben fest in ihre Hände genommen und uns alle satt gehalte, so gut es eben ging. Ihre Tochter, meine Tante Mimi Hofer und deren drei Kinder, waren lange Zeit bei uns in Lambach, bis der Vater, Onkel Franz, dann aus dem Krieg zurückkam und die Familie wieder nach Wien siedelte. Wir aber konnten nicht mehr zurück, denn von unserer Wohnung war so gut wie nichts übrig geblieben, nach den Bomben und den Verwüstungen, auch das Geschäft der Großmutter war total zerstört und so bauten sich die „Hansl-Zotten“ ein Leben auf dem Lande auf, so gut es ihnen möglich war. Während meine Mutter arbeiten ging hat die Oma für unser Wohl gesorgt und uns betreut. Nachts hat sie die Wäsche gewaschen, damit wir untertags ihre ganze Aufmerksamkeit hatten. Wie gesagt, es fiel mir auf, dass sie für Jahre nie in einem eigenen Zimmer lebte, immer stand ihr Bett irgendwo in einer Ecke, meistens eben in der Küche.

Nach der Übersiedlung vom Gasthaus Eitzinger in die Salzburgerstrasse, in das Haus von Theresia Lughofer und als diese dann verstarb oder in ein Altenheim kam, da wurde das eine bewohnbare Zimmer frei und nun konnte sich die Oma endlich ein eigenes Zimmer einrichten. Wenn es auch kaum Möbel gab, so konnte sie abends doch die Türe hinter sich zu machen und war allein, endlich!

Ich glaube schon, dass sie diese Ruhepausen von uns Quälgeistern sehr genossen hat und ihre wenigen freien Minuten verbrachte sie vor allem mit Lesen oder stricken, stopfen von Socken und Strümpfen, ihre Hände waren immer tätig, es gab kein Ruhen und kaum eine Verschnaufpause! Und eines Tages entdeckte sie dann das Kreuzworträtsel, von da an hatte man sie in jeder freien Minute mit einem Bleistift in der Hand am Tisch sitzen sehen und ihre Rätsel lösen. Das wurde zu einem Hobby, ja fast zu einer Sucht, die sie bis zu ihrem Lebensende hatte, ja sogar im Krankenhaus, die letzten paar Tage vor ihrem Tod, da hat sie noch an Rätseln gearbeitet, denn ihr Gehirn und ihr Geist waren bis zur letzten Minute voll dabei und rege! Im „Alten Häusl“, wie wir das Lughofer Haus liebevoll nannten,  gab es auch eine alte Waschküche, mit gemaürtem Ofen und Kessel zum Wasser erhitzen und besagter Sautrog, den hat uns der Wirt geschenkt und in dem wurden nun wieder die Wäsche gewaschen und wir gebadet. Es war eine schwere, mühsame Arbeit, das Wasser hatten wir im verwilderten Hinterhof in einem Brunnen und mussten es mit einer Handpumpe hochpumpen, in die Kübel, diese dann ins Haus zu tragen, auf dem Holzofen wurde das Wasser heiss gemacht oder gleich zum Kochen verwendet. Das Schmutzwasser wurde dann wiederum in Kübeln oder Waschschüsseln nach draussen getragen und in den Garten geschüttet. Als Toilette hatten wir ein primitives Holzhäuschen im Garten, so eins mit einem geschitzten Herzchen in der Türe, gleich neben den Ribiselstauden, mit „Aussicht“ auf die Fremdenzimmer des benachbarten Gasthauses. Für uns kleine Mädchen gab es dann noch längere Zeit einen Topf unter unserem Bett, den wir nachts benutzten, weil wir uns nicht in die finstere Nacht hinaus aufs Klohäuschen getrauten.  Mein Bruder der zu dieser Zeit so 10 bis 12 war, der musste schon fest mit Wasser schleppen, wir zwei Mädchen konnten uns davon noch „drücken“, weil wir halt doch noch zu klein und schwach waren. Aber die Oma, die hat immer geschleppt, obwohl im Laufe der Jahre ihre Knie und Fussgelenke immer mehr anschwollen und schmerzten. Sie sagte, dass dies von dem vielen Stehen auf den kalten Steinböden im Gasthaus kam. Bis ins hohe Alter ertrug sie wortlos diese Schmerzen und zu letzt konnte sie nur mehr mit Hilfe von zwei Stöcken gehen. Nach wie vor wurde die Wäsche nachts von ihr gewaschen, denn tagsüber hatte sie andere Arbeit. Als einziges Waschmittel für uns und für die Wäsche, kann ich mich an die weisslich-gelben Seifenstücke der Firma Hirsch erinnern, die wurden für alles verwendet. Sie rochen ganz angenehm, machten aber keinen wirklichen Schaum und die Brühe die dann ausgeschüttet wurde war eher grau/grauslich. Mit Bürsten in verschiedenen Grössen wurden die Wäschestücke bearbeitet, dann auf einer Blechrumpel nochmals durchgewalkt, bevor sie in klares Wasser zum Schwemmen kamen. Vor allem mussten wir ja ständig um Brennholz gehen, denn das Feür war sowohl zum Kochen als auch Waschen unbedingt notwendig. Auch das sehe ich noch vor mir als ob es gestern gewesen wäre. Die Oma mit dem uralten, grossen, tiefen Kinderwagen der aus irgendeinem Material geflochten war, weiss angestrichen, aber schon an vielen Stellen abgeschabt, meine Geschwister und dann noch  meistens zwei bis drei Nachbarskinder. So wanderten wir jeden zweiten Tag für einige Kilometer durch das Dorf, dann über Hügel und zwischen Felder in den Wald hinauf und füllten den Kinderwagen mit Holz und Fichtenzapfen an. Räuber und Gendarm wurde dabei auch gespielt, die Buben kletterten auf alle möglichen Bäume und ich bekam die ersten Lektionen im Erkennen von Blumen, Beeren und Kräutern. Das war mir schon immer eine ganz wichtige Angelegenheit, dass ich auch wusste, was da draussen alles blüht und gedeiht. Der Großvater aus Wien, also der Vater meiner Mutter, Johann Alcantara Dittrich, der war mir bis zu seinem Lebensende 1951 ein geduldiger und liebevoller Lehrmeister. Aber die Oma, die hatte vor allem das Brennholz im Sinne und davon mussten wir immer so viel haben, dass es mindestens zwei bis drei Tage reichte, dann wanderten wir wieder los. Damals waren die Wälder noch nicht so „aufgeräumt“ und durchgeforstet wie jetzt, damals fand man noch viel Fallholz, konnte auch den einen oder anderen dürren Baum einfach umlegen, was die Buben immer besonders toll fanden, wo sie ihre Kräfte als „Rübezahls“ messen konnten. Eine kleine Säge, ein sogenannter Fuchsschwanz, half die Stücke in die richtige Länge zu bringen, damit sie auch im Kinderwagen Platz fanden. Dann ging es gegen Abend müde, verschmutzt und verklebt vom vielen Baumharz wieder zurück nach Hause. Meine kleine Schwester durfte sich für kurze Strecken noch oben auf den Holzhaufen setzen, wenn sie zum Laufen zu müde war. Und wir suchten an den Wegesrändern noch nach essbaren Pflanzen, wie Saürampfer oder Melde, die dann als Salat hergerichtet wurden. Brennessel waren im Frühling besonders beliebt als Spinat mit einem Ei drauf, lecker, das war schon ein Festtagsessen.

Selbst sicherlich hundemüde und abgerackert musste die Oma nun noch für uns alle ein Essen kochen, uns von unserem herrlichen Dreck abwaschen und in die Betten verfrachten, bevor sie sich selber eine kleine Ruhepause gönnen konnte. Dabei war natürlich schon wieder viel Holz verbraucht worden, aber was halfs, so war unser Leben eben damals. Leichter wurde es für sie, als dann mein Bruder zur Schule ging und für einige Stunden aus dem Haus war. Ich wurde in den Kindergarten geschickt, dort behielt man mich aber nur für drei Tage, dann war wieder Schluss mit lustig. Ich hatte nämlich allen kleineren Kindern immer wieder die „Schnuller“ aus dem Mund genommen, wenn es hiess uns zum Schlafen hinzulegen. Ein „Schnuller“, so was hatte ich in meinem jungen Leben noch nie gesehen oder in der Hand gehabt, geschweige denn daran genuckelt um mich zu beruhigen. Das war was total Neues für mich und musste gleich einmal ordentlich ausgekostet werden. Da haben natürlich die Schnullerbesitzer dann mit heftigen Schreien protestiert und ich wurde vom Kindergarten ausgeschlossen. So sass ich nun ohne Schnuller aber doch sehr vergnügt und munter bei meiner Oma zu Hause in der Küche oder im Garten und half ihr bei den verschiedenen Arbeiten, wie Kartoffel schälen oder Salat zerzupfen.

Und dann kam er endlich, endlich nach Hause, DER VATER... 1951 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Wir konnten es alle nicht fassen. Am wenigsten die Oma, dass ihr Sohn nun endlich doch wieder zu Hause war. Wenn auch verletzt an Körper und Seele, aber er war da. Da sah ich sie auch zum ersten Mal wirklich weinen. Die sonst so stille, in sich gekehrte Frau, die kaum einmal laut auflachte oder redete, die nie mit uns schimpfte, der man fast keine Gemütsbewegung ansah, da weinte sie aus ganzem Herzen und hat ihren Hansl lange, lange und fest an sich gedrückt. Wir standen alle mit riesigen Augen und offenen Mündern um die beiden herum, selbst meine Mutter hielt sich in diesem Moment sehr im Hintergrund und staunten über diese übergrosse Liebe, die da aus Omas Augen strahlten. Das Wiedersehen der Eltern selbst war nicht weniger aufregend und traurig-schön, aber von der Mutter wussten wir ja, dass sie oft ihr Herz auf der Zunge trug aber die Oma so ausser Fassung zu sehen, das war schon ganz etwas Besonderes. Dann kamen wir der Reihe nach dran mit unserer Begrüssung, mit unseren Umarmungen. Ja, so ein „fremder“ Mann plötzlich im Hause, das war schon eine neue Situation mit der man als Kind fertig werden musste. In den ersten Tagen schlichen wir fast auf Zehenspitzen durchs Haus um auf ihn Rücksicht zu nehmen, aber das dauerte sicherlich nicht lange, dann waren wir wieder die alten Streithansln wie vorher.

Nun galt es den ganzen Haushalt umzugestalten und auf den Vater einzurichten. Die Oma hat da wieder einmal das Ruder in die Hand genommen und uns alle, auch die Mutter, umorganisiert, so zu sagen, damit wir dem Vater die nötige Ruhe und Beqümlichkeit die er in der ersten Zeit brauchte, auch wirklich zukommen liessen. Und nebenbei wurde nach wie vor gearbeitet, die Mutti im Kino, die Oma ging putzen, wir halfen beim Holz und Wasser und im Garten, so gut wir es verstanden.

 Nach einigen Jahren in diesem alten, baufälligen Haus dann zogen wir wieder um in eine Dreizimmerwohnung im Sand, (Februar 1951) im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses. Ca. 50 m2 für sechs Personen und die arme Oma hatte wieder kein eigenes Zimmer mehr. Auch hier wurde der alte Holzofen mitgeschleppt, die Eckbank und der grosse Tisch waren aufgeladen und übersiedelt worden. Diese Möbelstücke begleiteten uns durch meine ganze Kindheit und Jugend. Die Wohnung war hell und freundlich, aber eng wurde es trotzdem. Omas Bett stand diesmal auch in der Küche, die dann später zum Wohnzimmer wurde. Das Wasser gab es auf dem Gang und wurde in Kübeln in die Wohnung getragen und für die drei Parteien im ersten Stock des Hauses gab es eine Toilette am Gang. Das Leben der Großmutter wurde etwas leichter, aber doch nicht zu viel. Wäsche waschen für so viele Personen war schon eine Schwerarbeit und dabei konnten wir ihr alle nicht viel helfen, versuchten es jedoch immer wieder, besonders, wenn sie sich entschloss, die Kleidungsstücke bis zum nahen Bach zu tragen und dann dort von einem Waschbrett aus im klaren Bachwasser zu schwemmen. Das ersparte viel Wassertragen und uns wars lustig, im munter dahin fliessenden Bächlein die Wäsche ein Stückchen schwimmen zu lassen, bevor wir sie wieder einfingen und auswrangen. Der Bach war an dieser Stelle für das nahe Sägewerk etwas aufgestaut, sodass er genügend tief war und wirklich herrlich klares Wasser hatte, wenn man aber nicht wirklich gut aufpasste, dann konnte es passieren, dass so ein Wäschestück davonschwamm und über die Schleuse den kleinen Wasserfall hinunter in die Turbine, die das Sägewerk antrieb, einfach verschwand. Das war ein grosser Verlust und die Bestrafung folgte auf den Fuss. Besser ging es dann, als der Vater endlich das Wasser in die Wohnung leiten liess, sie keine Kübel mehr schleppen musste, als wir einen Gasofen zum Kochen bekamen und das Monstrum von gusseisenen Holzofen durch einen kleineren, sogenannten „Dauerbrenner“, der mit Holz und Kohle beheizt werden konnte, ausgetauscht wurde.Kohle war damals das wichtigste Heizmittel überhaupt. Es gab zwei Kohlenhändler in Lambach, die Fa. Holzleithner in der Leitenstrasse und die Fa. Gratz in der Salzburgerstrasse. Da die Familie Gratz bei meinem Vater alle nur möglichen Versicherungen abgeschlossen hatte, so war es ihm selbstverständlich, dass er unsern Bedarf an verschiedensten Kohlen auch bei dieser Firma bezog. Das Anliefern der Kohlen war immer eine ganz grosse Sache. Ein riesiger, uralter Lastwagen, wahrscheinlich ein ausgedienter Armeelastwagen mit grosser Ladefläche voll mit Säcken voll Kohlen kam angefahren. Die zwei Männer darinnen waren mindestens so schwarz wie die Kohlen selber, die sie verteilen mussten. Das war harte, staubige, dreckige Arbeit aber damals war jeder Mensch froh, wenn er überhaupt Arbeit hatte. Zu Beginn heizten wir vor allem mit der Braunkohle, das war die billigste, sie rauchte unendlich und gab nicht viel Wärme ab, dafür unendlich viel Russ und Asche, sodass der Ofen ständig und regelmässig gereinigt werden musste, was auch eine dreckige Arbeit war. Nachts wurden dann im Winter auf die Glut dieser Braunkohle einige sogenannte Brikets aus gepressten Kohlenstaub gelegt, die hielten die Wärme schon wesentlich besser und so konnte man morgens dann gleich wieder ein ordentliches Feür starten. Später dann leisteten wir uns Eierbrikets und eben die normalen Brikets und hatten es somit immer recht angenehm warm. Dann wurde plötzlich von der VOEST in Linz grosse Mengen an Koks für Privatleute zum Heizen abgegeben. Von dieser Zeit an verwendeten wir hauptsächlich den doch wesentlich billigeren Koks, der aber einen guten Heizwert hatte.  War wieder eine Nachlieferung von Kohlen oder Koks notwendig, so wurde ein Fenster in unserem Kellerabteil aufgemacht und von innen eine Art Rutsche aus Blech dagegen gelehnt. Die Männer wuchteten sich nun die einzelnen Kohlensäcke auf ihren Rücken und trugen diese von der Strasse an das Haus heran und entleerten die Säcke durch das offene Fenster in unseren Keller. Es staubte, man wurde beim Zusehen und Mitzählen der Lieferung auch fast so kohlrabenschwarz wie das Liefergut.  Selber mussten wir dann die Kohle oder den Koks im Kellerabteil in eine Ecke schaufeln und von dort wurden täglich an die zwei mittelgrossen Kohleneimer voll geschaufelt und in die Wohnung getragen. Diese Arbeit war anfangs eine Männerarbeit, aber da der Vater ja viel dienstlich unterwegs war und mein Bruder dann nach Wien zur Schule ging, so kamen auch wir Mädchen oft in den zweifelhaften „Genuss“ in den Keller zu müssen und Kohlen zu schleppen, aber da wir es eben im Winter recht gemütlich warm haben wollten, so machten wir diese Arbeit meistens ohne Murren. Heute kann sich sicherelich niemand mehr vorstellen so eine dreckige Arbeit zu machen und ausserdem hat unsere Gesellschaft sich total gegen die Verwendung von Kohle als Brennmaterial entschieden, die Umweltverschmutzung sei zu gross, die Abgase der vielen Autos sind aber sicherlich auch nicht weniger schädlich für die Natur als der Kohlenrauch es war. Die Zeiten, ja, die haben sich gewaltig geändert in den letzten 50 Jahren! Dann installierte der Vater noch einen sogenannten Durchlauferhitzer, der ebenfalls mit Gas beheizt wurde, sodass wir ständig heisses Wasser hatten. Der Mann mit den Gasflaschen kam regelmässig jeden Freitag durch den Sand und rief laut zu den Fenstern herauf, ob jemand eine neue Flasche brauchen würde. Auf Wunsch hat er diese dann auch gleich selber ausgetauscht, denn so ungefährlich war das Porpangas ja nicht, wenn der Verschluss nicht richtig fest sass, dann gabs Vergiftungen oder sogar zu Explosionen konnte es kommen. Daher liessen wir uns immer vom Fachmann diese Gasflasche, zwei warens die wir brauchten, eine für den Ofen, eine für den Wassererhitzer, austauschen und montieren. Sicher ist sicher!  Nach wie vor gab es aber nur einmal in der Woche ein Bad für alle. Entweder wanderten wir mit unseren neuen, sauberen Kleidern im Rucksack nach Stadl Paura, wo die Mutter in der Zwischenzeit Arbeit in der Flachspinnerei gefunden hat und wo die Familienangehörigen einmal wöchtenlich die Brausebäder oder Badewannen benutzen durften, oder aber wir hatten ein Badezimmer im Erdgeschoss des Hauses, wo das Wasser in einem Holzboiler heiss gemacht wurde und dann in die Wanne floss, auch gab es endlich, endlich einen Abfluss, sowohl in der Wohnung als auch bei der Badewanne und das Schmutzwasser musste nicht mehr mühsam ausgeschöpft und weggetragen werden. Die Zeiten wurden langsam besser. Noch hatten wir nur das Notwendigste, aber die Oma hat dafür gesorgt, dass das Essen immer reichlich und bekömmlich war, wie sie das schaffte, das weiss ich bis heute nicht nachzuvollziehen.Verschiedene einfache Suppen wie Einbrennsuppe mit einem Stück Brot oder eine Rahmsuppe mit Schnittlauch drauf waren eine beliebte Abendmahlzeit. Selbstgemachte Nudeln und Fleckerln, die zu Krautfleckerln gezaubert wurden,   mit viel Zwiebeln und vielleicht ein paar Grammeln drauf, Kartoffelschmarren oder Püree, aber auch süsse Sachen wie Kaiserschmarren und Palatschinken, wenn wir Eier heimbrachten, oder im Sommer und Herbst die beliebten Obstknödel, Marillen und Zwetschken, das war so unsere tägliche Kost. Besonders begehrt und beliebt waren ihre berühmten Germknödel, mit geriebenen Mohn und heisser Butter obendrauf und innen selbstgemachte Powidlmarmelade. Nie wieder hab ich so was Gutes in meinem Leben gegessen, denn meine eigenen, die sind nicht halb so zart und flaumig wie die ihren waren. Einfach himmlisch! Sie hat mir zwar oft erklärt wies geht, das Germteig machen und dass er wirklich „arm“ ein muss der Teig, also keine Eier und wenig Fett, aber trotzdem wurden meine Knödel nie so gross und federleicht wie die ihren waren. Fleisch gab es nur zum Wochenende, vor allem dann als der Vater endlich wieder zu Hause war. Aber wir sechs Personen mussten uns ein kleines Huhn teilen, da gabs vor allem für uns Kinder nur kleine Portionen, aber viel Reis oder Kartoffeln und Salat, davon wurden wir auch satt und es war recht gesund. Krank waren wir alle ganz, ganz selten, selbst als halb Oberösterreich an einer Grippeepedemie erkrankte, da blieben wir gesund und genossen die schulfreien Tage.

Um Ostern herum, da zogen meine Geschwister und ich oftmals los, so von Bauernhof zu Bauernhof und bettelten um Eier. So mancher Bauer war grosszügig und gab uns armen Flüchtlingskindern, als die wir immer noch betrachtet wurden, etwas von seinem Reichtum ab. Wir packten sie dann vorsichtig in einen Korb um sie zu Ostern dann schön färben zu können und zu verstecken. Brachen wir aus Versehen eines, so machten sich mein Bruder und ich daran, diese roh zu trinken, denn wir hatten gehört, dass die besonders berühmten Sänger, wie Enrico Caruso z.B.,  oftmals vor einem Auftritt auch rohe Eier tranken um eine bessere Stimme zu bekommen. So wollten wir verhindern zu Hause geschimpft zu werden, weil wir nicht genügend aufgepasst hatten. Aber die kleine Schwester hat uns ohnehin immer verraten und dann gabs trotzdem Schelte.

Mein Vater fand dann auch bald Arbeit. Durch seine Beinverletzung war er nicht mehr in der Lage in seinem erlernten Beruf als Kellner zu arbeiten, so bewarb er sich bei einer Versicherung als Vertreter und wurde auch gleich eingestellt. Es war die Zeit, wo die Menschen endlich wieder ein bisschen Licht sahen am Ende des langen dunkel Tunnels,  wo aber die Angst vor einem grossen Verlust noch so gross war, dass alle gerne versicherten, was nur möglich war um nicht wieder vor dem totalen Nichts zu stehen. Hausrat, Leben, Auto, Motorräder, alles wurde versichert und mein Vater war ständig unterwegs.

Und dann zog eine Familie aus dem ersten Stock im Sand aus und endlich konnte die Oma wieder ein eigenes Zimmer für sich haben. Eine Oase, die sie bis zu ihrem Lebensende bewohnte und genoss. Dorthin zog sie sich zurück, wenn sie müde war aber auch wenn zu viele Menschen, vor allem all unsere Freunde, zu laut in der Wohnung herumtobten und sie, die sie nun nicht mehr so gut hören konnte, nichts von den Unterhaltungen verstand. Dorthin kamen aber auch die Besucher der Wiener Verwandtschaft, sei es ihre Tochter mit Mann und Kindern oder die Schwestern meiner Mutter mit den Kindern, irgendwie war immer Platz in unserer eigentlich recht kleinen, bescheidenen Wohnung obwohl man das Gefühl haben konnte, dass sie aus den Nähten platzte. Die Oma, die mit mir Lateinvokabeln und Englischvokabeln lernte, die sich zu unseren Hausaufgaben setzte, die mir stricken und nähen und kochen lernte. Jetzt endlich hatte sie mehr Zeit für sich und für uns, denn durch die Arbeit meines Vaters und meiner Mutter musste sie nicht mehr selber arbeiten gehen, sie war in einen wohlverdienten Ruhestand getreten, der von Ruhe aber nichts wissen wollte! Ein bis zwei mal im Jahr fuhr sie zur Familie ihrer Tochter nach Wien, entweder brachte sie mein Vater mit seinem Auto hin oder sie fuhr mit dem Zug. In Wien war sie gerne bei den Enkeln und auch Bekannte und Freunde aus ihrer Jugendzeit konnten besucht werden. Später hat dann der Onkel Franz in Bürg in Niederösterreich für seine Familie ein kleines Auszugshaus bei einem Bauern im Sommer gemietet und dann verbrachte die Oma ihren Urlaub dort für einige Wochen. Zwischendurch durften auch wir dorthin fahren und mit den Hofer Kindern Urlaub machen, was immer eine wahnsinnige Gaudi war. Zu sechst ging es durch die Wälder, an den kleinen Teich und auf die Bauernwiesen, es gab fast keine Autos in dieser Ecke Österreichs und wir waren frei wie das Wild, wie die Vögel im Himmel und konnten uns wirklich austoben. Wenn meine Eltern auch da waren, da schliefen wir Kinder oft am Heuboden der Familie Mies, die sich mit uns allen schnell anfreundeten und da sie keine eigenen Kinder hatten, recht lieb und gut zu uns waren.

In meiner Volksschulklasse hatten wir ein Bauernmädchen, die Hedwig, die an Kinderlähmung erkrankt war und daher gehbehindert war. Wenn nun das Wetter nicht gut war und viel Arbeit am Hof war, dann konnte sie niemand in die Schule bringen, so wurde es meine Aufgabe, dass ich ihr an solchen Tagen die Hausaufgaben brachte und mit ihr lernte, was wir in der Schule durchgenommen hatten. Ich war recht stolz darauf, dass mich die Lehrerin auserkoren hatte diese Aufgabe zu übernehmen und Hedwig und ich waren bald dicke Freundinnen. Die Besuche auf dem Bauernhof, die ich natürlich nicht nur zum Lernen machte, die halfen auch meiner Familie in den ersten Jahren sehr was die Verpflegung und Ernährung anlangte. Wie oft konnte ich meine Schürze voll mit herrlichen, fettigen Krapfen nach Hause tragen, oder mit Eiern, einem Stück Speck, Köstlichkeiten, die wir uns sonst nicht leisten konnten. Ich wurde wie eine eigene Tochter von der Beuerin behandelt. Ja und da war es auch dann, dass mir auffiel, wie viele Väter aus diesem fürchterlichen Krieg nicht nach Hause gekommen sind, wie viele Kinder ohne ihren Vater aufwachsen mussten. Der Hedwig ihr Vater, z.B., der war auch im Krieg geblieben, ein grosser Bruder und die Mutter mussten den grossen Hof alleine bewirtschaften, später fanden sie dann einen Knecht und einen der beim Holzarbeiten half, eine ältere Schwester kam zurück nach Hause um der Mutter im Haushalt zu helfen, denn Hedwig war dafür nicht gesund genug. Zwei andere Freundinnen aus der Schule, Gerda und Renate sie alle hatten keinen Vater mehr, mein Gott wie glücklich war ich da, dass mein Vater doch wieder bei uns war, dass ich ihn lieben und verwöhnen konnte und er uns! Gerda lebte mit ihrer Mutter viele Jahre bei Verwandten auf einem Bauernhof in St. Marien, bis eines Tages die Mutter einen neuen Mann in ihr Leben liess, sich wieder verheiratete und Gerda noch zwei Halbgeschwister bekam. Renate, die Nachbarstochter, sie lebte mit ihrer Mutter und der Großmutter immer alleine. Da gab es nie einen neuen Mann im Hause. Die Frauen hatten unendlich viel zu tun. Während die Mutter als Sekreärin bei einem Rechtsanwalt den ganzen Tag arbeitete, betreute die Oma das Kind und machte die viele Arbeit in Haus und Garten allein. Auch hier eine starke, unglaublich zähe Frau, wie es so viele im und nach dem Krieg gab. Das war wohl somit die erste „Frauenbewegung“ aus der Not heraus so zu sagen, denn es waren keine Männer da, die die Arbeit machten, die Anregungen oder Aufträge an die Frauen weitergeaben, sie wussten selber alle am Besten was sie zu tun hatten.

Im Herbst nach dere Kartoffelernte, da durften wir dann alle „Nachklauben“, wenn also die Strohmeir Leute fertig waren mit ihrer Erntearbeit, dann durften meine Geschwister und ich mit kleinen Säcken durch die Felder streifen und die kleinen oder halbierten, die noch übrig gebliebenen Kartoffeln auflesen und nach Hause tragen. Meistens reichte uns das bis in den Winter hinein. Auch bei den Zuckerrüben durfte ich die noch am Feld liegenden kleinen Rüben oder Rübenschnitzel aufheben und mitnehmen. Die Oma kochte daraus einen herrlichen Sirup zum Süssen von Tee oder sie machte herrliche Kaubonbons daraus, wenn sie den Sirup lange genug einkochen lies. Ja, wir lebten auch vom Lande und nicht nur von den wenigen Dingen, die wir beim Greisler bekommen konnten. Als der Sägemühlenbesitzer sich eines Tages entschloss ein kleines Stücken seiner Wiese zu verpachten, damit man daraus einen Gemüsegarten machen konnte, da waren meine Oma und ich die ersten, die dastanden und sich um einige Beete für Salat, Bohnen und Erbsen bewarben. Ich lernte all diese Dinge schnell und es machte mir Freude, wie auch heute noch, mein eigenes Gemüse zu ziehen und davon zu leben. Die Familie Lassl hatte süsse kleine Häschen und Kaninchen, davon bekamen wir ein paar Junge ab und die mussten dann täglich gefüttert werden. Das Hasenfutter sammeln, das war natürlich Mädchensache, davon wollte mein Bruder nichts wissen und so ging ich mit meiner grossen Schürze, zu dieser Zeit trugen alle Frauen und Mädchen während der Woche eine Schürze um die Kleidung zu schonen und weil sie praktisch waren, schnell was hineinzulegen,  die Strassenränder entlang und pflückte eifrig den Löwenzahn und die Bärentatzen, den herrlichen Klee um damit die Hasen zu füttern. Wenn sie dann allerdings eines Sonntags als Braten am Tisch standen, da kostete es mich grosse Überwindung auch nur einen Bissen zu essen. Aber da wir immer noch oft hungrig waren, war dann die Wehmut schnell vergessen und neue Hasen kamen jedes Jahr, genauso wie neue Kitze von den beiden Ziegen, die unsere Hausfrau in einem Holzschuppen gleich hinter dem Haus hielt. Die stanken zwar ein bisserl viel für meinen Geschmack, aber die Kleinen waren einfach zu süss um sie nicht streicheln zu wollen.

Eine Bereicherung für unseren Speiseplan, den die Oma so abwechslungsreich wie möglich hielt, brachte auch der kleine Bach, der hinter unserer Gasse durch die Au floss. Manchesmal kamen wir mit unseren Sandkübeln voll Flusskrebsen nach Hause, die die Oma dann in einem riesigen Häfen heissen Wassers kochte, das Wunder geschah und aus den graubraunen Tieren wurden knallrote Krebse und schmeckten ausgezeichnet. Hin und wieder gelang es uns eine kleine Forelle unter den Wurzeln einer Weide hervorzuholen. Der grösste Erfolg, der uns allerdings eine feste Watschen einbrachte, war die Jagd nach Fröschen, denn, so hat mein Bruder gelesen, Froschschenkel seien eine Delikatesse in Frankreich und sehr begeht. Also bewaffneten wir uns mit unseren stumpfen Taschenfeitln, jeder einen grossen Stein in der Hand und machten uns auf die Suche nach den hüpfenden Sumpfbewohner. Es gab sie haufenweise! Mit einem gezielten Schlag auf den Kopf beförderten wir sie ins Jenseits, dann säbelten wir ihnen mit unseren Feiteln die Hinterbeine ab und liessen diese gemordeten und verstümmelten Froschleichen am Bachrand liegen, in der Hoffnung, dass der nächste Storch der vorbeistakte sie auch schnell verschlingen wird. Die Oma, die hatte gar keine Freude mit uns gehabt. Wie gesagt, als wir mit unseren Delikatessen nicht aus Frankreich sondern vom Schwaigerbach zu Hause ankamen, da gabs erst einmal eine ordentliche Watschen links und rechts (und wir haben sie verdient und sie hat uns nicht geschadet!) aber da der Schaden nun schon einmal angerichtet war, so hat sich die liebe, liebe Oma davon überreden lassen, diese herrlichen Froschschenkelchen doch ins heisse Fett zu schmeissen und wie Hühnerkeulen herauszubraten. Und genauso haben sie dann ausgesehen und auch geschmeckt. Sie hat halt immer ein gutes Herz für uns gehabt und oft bei unseren Streichen beide Augen ganz fest zugedrückt. Gerne wären wir hin und wieder nochmals auf Froschfang gegangen, aber wir fanden keine andere Oma, die uns diese Schenkelchen gebraten hätte und nach Hause getrauten wir uns damit wirklich nicht mehr, also haben wir diese Jagd aufgegeben und uns anderen Abenteuern zugewendet.

Oft sass die Oma auch mit ihrem Strickzeug am Bachufer und hat uns zugeschaut, wenn wir tolle Burgen in den Bäumen bauten oder nach Pilzen suchten, damals gab es in den Auen noch die köstlichen Morcheln. Mit den Trockenlegungen der Bäche sind sie auch verschwunden. Fleissig flogen die Nadeln durch ihre emsigen Hände und schnell war wieder ein Paar Socken für uns Reissteufel fertig, oftmals wurden alte, geschenkte Jacken und Pullover aufgetrennt, die Wolle über ein Brett gespannt und gewaschen, dann getrocknet, dadurch verloren sich die vielen Rippeln und daraus wurden dann vor allem Socken und Strümpfe gestrickt, denn die Winter waren kalt und unser „Verschleiss“ kein geringer.

Das Leben hat sich wirklich sehr verbessert in den späten 1950 anfang 1960 Jahren und es wurde für die Oma auch leichter mit der vielen Arbeit. Wir Mädchen halfen gerne mit und ich lernte gerne kochen von ihr. Meine Mutter musste immer noch in die Fabrik gehen, bis zu ihrer Pension mit 60 Jahren, sodass sie im Haushalt nicht so viel mitarbeiten konnte. Aber sie war die, die immer an der Nähmaschine sass und uns die schönsten Kleider nähte, oder Blusen und Röcke und dann die ersten Hosen! Endlich durften auch wir Mädchen Hosen tragen, wenn auch nur in der Freizeit und zum Sport, in der Schule waren sie noch verboten, aber so eine flotte „Fischerhose“ aus dünnem Baumwollstoff nur bis an die Knie gehend, die war schon eine Sensation.

Dann heirateten wir der Reihe nach und verliessen das zu Hause, die Oma, die Mutter und mein Vater waren bald allein in der Dreizimmerwohnung, aber wir kamen oft zu Besuch. Dann erkrankte mein Vater schwer. Das im Krieg verletzte Bein hatte keine Durchblutung mehr und so geschah es, dass meine geliebte Großmutter, die so viel Leiden in ihrer Jugend schon erleben musste nun auch im Alter noch den Tod ihrer beiden Kinder ertragen musste. Beide, mein Vater und kurze Zeit später auch seine Schwester, starben vor ihr. Das ist wohl das Schlimmste  mit, wenn eine Mutter ihre eigenen Kinder zu Grabe tragen musste. Am Sterbebett versprach meine Mutter meinen Vater noch, sich immer um die Oma zu kümmern und sie bei sich wohnen zu lassen, so geschah es dann auch. Die beiden Frauen, die oftmals nicht so ganz einer Meinung waren und oftmals sehr verschiedene Lebensauffassungen hatten, die bleiben zusammen, wie Pech und Schwefel bis die Oma eines Tages im März 1976 beim Abwaschen ohnmächtig zusammenbrach und ins Krankenhaus gebracht werden musste. Ich war gerade auf den Weg von meinem neuen zu Hause in Wilhering um sie in Lambach zu besuchen, als mir die Rettung in Gunskirchen entgegen kam. Ich fuhr meine Kinder zu meiner Mutter, liess diese bei ihr und eilte schnell nach Wels ins Krankenhaus. Die Oma lag da, klein, schmal, aber voll wach und total bei Bewusstsein. Den Pfarrer hatte sie schon aus dem Zimmer gewiesen, denn mit ihrem Herrgott hatte sie ihren Frieden schon gemacht, hat sie ihm gesagt, da brauche er sich nicht einmischen. Und so bat sie mich den Ärzten zu sagen, sie an keine lebensverlängernden Maschinen mehr zu schliessen, sie wollte einfach nicht mehr, sie hatte ein langes, ein schweres, streckenweise aber  auch schönes, glückliches und zufriedenes Leben gelebt, jetzt mit 87 und ihre beiden Kinder schon vor ihr gegangen, jetzt wolle sie auch nicht mehr, man solle sie in Frieden und mit Würde sterben lassen. „Der Hansl, der hat in wenigen Tagen Geburtstag, der wird mich schon holen“, das waren so ihre letzten Worte... und er hat es auch getan, der Hansl, ihr Sohn, einen Tag nach seinem Geburtstag hat er sie zu sich in den Himmel geholt, davon bin ich fest überzeugt, denn er war ein guter, ein braver Sohn, der Hansl...

Gangan Verlag: Raw Cut: Heide E. Zott: Mein Vater war ein Nazi – na und? | Grossvater | Grossmutter | Vater | Ich | 3/5