GANGAN VERLAG Lieferbare Bücher Buchladen Elektronische Bücher Magazine GANGAROO
die maschinentexte     1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7.1 | 7.2 | 8.1 | 8.2 | 8.3 | 8.4 | 8.5 | 8.6 | 8.7 | 8.8 | 9 | 10
Marc Adrian

das mammut

ein lehrstück

 

als primärtext montiert aus der kinderzeitschrift “donald duck”
spezialrubrik “ich weiß mehr”
(deutsche ausgabe 1963)

wien im februar 1966
marc adrian


primärtext

1. lesung

das mammut ist der einzige urweltriese, dessen körper im ewigen polareis eingefroren, die jahrtausende überdauert hat. vor kurzem erst fanden forscher in der arktis den völlig unversehrten riesenleib eines mammuts. sein fleisch war noch so frisch, daß man es essen konnte.

die entwicklung unserer heutigen säugetiere ist noch längst nicht abgeschlossen. es wäre durchaus möglich, daß zum beispiel der elefant im laufe von jahrmillionen zu einem mausgroßen wesen verkümmert und der winzige floh als gigantisches ungeheuer eine veränderte erde in schrecken versetzt.

1

text mit semantisch erweiterter redundanz

(innovationsgehalt vermindert)

das mammut war eine art ungeheurer behaarter elefant, der vor langer zeit in einer uns fast unbekannten urwelt lebte. dennoch wissen wir genau, wie des mammut ausgesehen hat, denn in den ungeheuren eismassen, die es in der gegend der kalten zonen, der sogenannten polargegend, gibt, und die niemals schmelzen sind die körper einiger toter mammuts viele tausend jahre lang eingefroren bis zur gegenwart völlig unverändert erhalten geblieben.

erst vor einigen jahren oder monaten oder tagen haben mehrere forscher in dieser gegend, der arktischen polarzone, den riesengroßen leib eines ganz toten mammuts gefunden, der in den oben erwähnten eismengen wie in einem riesigen frigidaire eingefroren war. das fleisch, aus dem dieser leib zum größten teil besteht, war zur zeit des findens noch so frisch, daß man davon essen konnte, ohne daß die geringste gefahr bestand daran zu erkranken.

die weiterentwicklung – das heißt die physische und psychische zielgerichtete veränderung zum zwecke der anpassung an veränderte lebensumstände durch mutation und biologische auslese – der säugetiere, welche wir heute kennen, ist bis heute noch nicht abgeschlossen und wird weitergehen, man weiß aber nicht, wie lange. es gibt sehr viele möglichkeiten und keine davon ist völlig ausgeschlossen. unter anderem ist eine davon, daß zum beispiel der uns bekannte afrikanische oder indische elefant im laufe der kommenden jahrmillionen immer kleiner wird und verkümmert bis er nicht größer ist als eine maus, während andererseits möglicherweise der heute bekannte sehr kleine floh immer weiter wächst bis er aus seiner gegenwärtigen winzigkeit ungeheuer viel mächtiger geworden in form eines riesigen untieres von gigantischer kraft und größe die erde sehr erschreckt – dazu müßte die erde natürlich auch wieder ganz anders beschaffen sein.

2

text im pragmatischen sektor

(mit verbrauchtem redundanzschema und ohne semantische innovation)

hören sie bitte genau zu! ich werde ihnen jetzt etwas erzählen. haben sie schon gewußt, daß das mammut eine art ungeheurer behaarter elefant war, welcher vor langer zeit in der urwelt gelebt hat die weder sie noch ich kennen oder je kennen lernen werden?

haben sie verstanden? sie wundern sich vielleicht darüber, daß wir dennoch wissen – und sogar genau wissen – wie das mammut ausgesehen hat. die erklärung für diese erstaunliche tatsache ist folgende:

in den ungeheuren eismassen, die es in der gegend der kalten zonen, der sogenannten polargegend, gibt, und die niemals schmelzen können, weil es da niemals richtig warm wird, ist folgendes geschehen:

die toten körper einiger mammuts waren in diesen eismengen viele tausend jahre lang richtiggehend eingefroren, verstehen sie, und sind durch die kälte des eises bis zur gegenwart völlig unverändert erhalten geblieben.

unterbrechen sie mich jetzt bitte nicht! vor kurzer zeit, ich glaube erst kürzlich, ich weiß aber nicht genau wann es war, jedenfalls vor kurzem erst wurde von einigen leuten, forschern wahrscheinlich, in eben dieser gegend, entweder in der arktis oder in der antarktis, ich glaube in der arktis der ungeheuer riesige leib eines völlig gestorbenen mammuts gefunden, der in den eismassen, von denen ich ihnen erzählt habe, wie in einem überdimensionalen eiskasten eingefroren war und wahrscheinlich an der kälte krepiert ist.

da staunen sie, wie? sie werden es nicht für möglich halten, aber die ganze ungeheure fleischmenge, die dieses mammut repräsentiert – und dazu kommen noch, als weitgehendst ungenießbar in jedem zustand, sogar in dem, den ich jetzt beschreiben werde, – dazu kommen noch die haut, die stoßzähne und noch eine ganze menge anderer sachen, aus denen ein mammut eben besteht, knochen, knorpel, rippen und gebein, und alles übrige, diese ganze ungeheure fleischmenge also war noch frisch! verstehen sie? frisch wie eben geschlachtet sodaß nicht nur die hunde sondern auch die menschen davon hätten essen können, wenn sie gewollt hätten, und es hätte niemandem geschadet!

na, was sagen sie jetzt? also hören sie mir bitte weiter zu, ich bin noch nicht fertig. was die weiterentwicklung der säugetiere anbetrifft, das heißt die zukünftigen veränderungen körperlicher und seelischer art, so ist diese noch keineswegs zu ende, im gegenteil! sie geht weiter! wie lange und wohin ist natürlich ganz ungewiß, unter allen den unzähligen möglichkeiten will ich nur zwei anführen, obwohl alle anderen ebenso möglich sind. die eine davon ist diese:

sie kennen doch wahrscheinlich den elefanten, den es in afrika und auch in indien gibt? also, dieser elefant kann sich im laufe von sehr langer zeit, vielleicht von jahrmillionen, sozusagen, immer weiter verkleinern, er könnte schrumpfen, um es genau zu sagen. das geht vielleicht so weiter bis er so klein wie eine maus ist.

können sie sich das vorstellen? es ist aber auch möglich, daß zum beispiel der floh, der heute ganz klein winzig ist, an größe zunimmt, das heißt wächst, und zwar so weit bis er ganz ungeheuer groß ist, ein wahres untier, und so stark und mächtig, daß er dann die ganze erde erschreckt, die natürlich dann auch ganz anders, man weiß noch nicht wie, aussehen müßte, denn sonst wäre das alles ja gar nicht möglich.

das haben sie nicht erwartet, was?

3

primärtext

2. lesung
(mit gleichzeitiger darstellung der ikonischen zeichen für “mammut” und “floh”)

Tafel 1

das mammut ist der einzige urweltriese, dessen körper im ewigen polareis eingefroren, die jahrtausende überdauert hat. vor kurzem erst fanden forscher in der arktis den völlig unversehrten riesenleib eines mammuts. sein fleisch war noch so frisch, daß man es essen konnte.

die entwicklung unserer heutigen säugetiere ist noch längst nicht abgeschlossen. es wäre durchaus möglich, daß zum beispiel der elefant im laufe von jahrmillionen zu einem mausgroßen wesen verkümmert und der winzige floh als gigantisches ungeheuer eine veränderte erde in schrecken versetzt.

4

optisch-indikatorische zeichen

(für mammut und floh)

darstellung mit pragmatischer signal funktion, den bekannten stereotypen dimensionär analog

mammut

floh

5

semantisch-dokumentarische präsentation der redundanz

(in richtung auf erweiterte information durch syntax ohne innovation)

in der arktis wurde vor kurzem der unversehrte körper eines eingefrorenen mammuts von forschern gefunden. das fleisch war eßbar.

die unabgeschlossene entwicklung der säuger beinhaltet unter anderem folgende möglichkeiten:
1) der elefant schrumpft zur größe einer maus.
2) der floh vergrößert sich erschreckend.

6

reduktion des primärtextes

(präsentation semantischer partikel bei erhaltener textgestalt)

mammut einziger urweltriese körper eingefroren jahrtausendelang polareis kürzlich forscher arktis finden unversehrten körper mammut fleisch eßbar.

heutige säuger entwickelbar. möglichkeiten: elefant mausgroß floh sehr viel größer erde erschrickt.

7

syntaktisch veränderter primärtext

(wortredundanz erhalten und möglichkeit zur bildung von superstrukturen ähnlichen informativen inhalts)

mammut urweltriese körper polareis forscher arktis jahrtausend riese leib mammut fleisch essen entwicklung säugetier elefant jahre millionen maus wesen floh gigant ungeheuer erde schrecken einzig ewig eingefroren überdauern kurz erst finden unversehrt völlig frisch essen heute abgeschlossen nicht längst verkümmern möglich winzig verändert versetzen

8

primärtext

(erweiterte ästhetische information durch entzug der vokale)

ds mmmt st dr nzg rwltrs dssn krpr m wgn plrs ngfrrn d jrtsnd brdrt ht. vr krzm rsf fndn frschr n dr rkts dn vllg nvrshrtn rsnlb ns mmmts. sn flsch wr nch s frsch, dß mn s ssn knnt.

d ntwcklng nsrr htgn sgtr st nch lngst ncht bgschlssn. s wr drchs mglch dß zm bspl dr lfnt m lf vn jhrmllnn z nm msgrßn wsn vrkmmrt nd dr wnzg fl ls ggntschs nghr n vrndrt rd n schrckn vrstzt.

9

syngenomorpher informationsaufbau

(in richtung des primärtextes durch interjektionssätze)

welche größe!
wie einzig!
so lange!
kalt!
wie findig!
ganz unversehrt!
wie frisch!
noch eßbar!

oh, unabgeschlossen!
wie möglich!
wie lange!
wie klein!
ganz winzig!
wie gigantisch!
so verändert!
wie schrecklich!

10

homöomorphe textgestalt

(informationsensemble semantisch in richtung des primärtextes durch fragesätze)

wer ist ein urweltriese?
wo war sein körper eingefroren?
wie lange?
wann fand wer wo was?
wie groß war das gefundene und wie war seine beschaffenheit?

was ist noch nicht abgeschlossen und wen betrifft diese frage?
ist es möglich, daß der elefant im laufe von welcher zeit zu was verkümmert?

wie groß müßte der floh sein, der als gigantisches ungeheuer schrecken verbreitet und wie müßte die erde beschaffen sein auf der das möglich wäre?

11

akustisch-indikatorische darstellung

(es werden dargestellt die akustischen zeichen für “mammut” und “floh” mit geänderter indikatorischer syntax und erweiterter ästhetischer dimension)

(ganz leise gesprochen: “m a m m u t”)
(gebrüllt durch megaphon: “FLOH!!”)

12

zum primärtext katamorphes wortensemble

(semantisch und syntaktisch zur struktur umgebaut mit erhöhter ästhetischer information unter verwendung von primärtextfremden indikatorischen redundanzen)

stampf stampf stampf stampf
brrr!
da, schau!
schmatz, schmatz, njam, njam!

piep piep! schnüff schnüff!
hopp hopp hopp wuuuuummmm!!!
hi – hi – hilfe!


13

ästhetisch relevante realisation

(durch veränderung der indikatorischen und semantischen strukturen der syntax)

in schrecken versetzt eine veränderte erde als gigantisches ungeheuer der winzige floh, verkümmert zu einem mausgroßen wesen. durchaus möglich, wäre der elefant noch längst nicht abgeschlossen, ist unseren heutigen säugetieren die entwicklung, daß man es essen konnte.

noch so frisch sein fleisch, war riesenleib eines völlig unversehrten forschers in der arktis den vor kurzem erst mammuts fanden. der urweltriese überdauert im ewigen mammut eingefroren die jahrtausende deren körper das polareis ist.

14

maximale ästhetische realisation


der redner steht seitlich neben dem lesepult.
er hebt mit der einen hand ein glas wasser und das linke bein.
mit der anderen hand läutet er eine kleine kirchenglocke und spricht scharf skandierend:

“mapoleon muonaparte miebte mein momosexuelles mammut!”

 

Tafel 2

die maximale ästhetische realisation verhindert die kommunikation der kommunizierenden über das kommunizierte.

 

die maschinentexte    1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7.1 | 7.2 | 8.1 | 8.2 | 8.3 | 8.4 | 8.5 | 8.6 | 8.7 | 8.8 | 9 | 10