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Marc Adrian

SYSPOT

 

wien, mai - juli 1968

schematisierung und textwahl:

marc adrian

gottfried schlemmer

programmierung:

horst wegscheider

computer:

IMB 1620-II am institut für höhere studien und wissenschaftliche forschung, wien

montagematerial aus den zeitschriften:

“eltern” 4/68

“jasmin” 11/68

“der spiegel” 21/68

die charakteristik der schauspieler wurde dem annoncenteil der tageszeitung entnommen.


SYSPOT ist ein montiertes theaterstück und zur bühnenaufführung bestimmt. es ist, soweit ich informiert bin, das erste theaterstück, welches in allen seinen wesentlichen bestandteilen durch ein digitales programm koordiniert und durch einen analogrechner hergestellt worden ist. das wort “syspot” ist das ausdruckkommando des computers am wiener institut für höhere studien und wissenschaftliche forschung, an welchem der text dieses stückes realisiert worden ist.
die form der herstellung war – simplifiziert dargestellt – folgende: die in gängigen zeitschriften vorgefundenen texte (werbeslogans, phrasen der reportagen, schlagworte und -sätze) wurden in satzspeicher eingelesen und an stelle der ihnen zugehörigen substantiva, verba, adjektiva etc. leerstellen eingefügt. die dabei entnommenen partikel wurden in wortspeicher gesammelt und eine sprachschablone entworfen, welche der in der deutschen sprache üblichen form der werbung entspricht: einleitungsphrase, schlagsatz, schlußphrase mit frage oder behauptung. in diese schablone wurde das satzmaterial durch den computer zufällig eingeordnet, wobei die leerstellen der sätze wiederum zufällig mit dem verbalen material aus den wortspeichern gefüllt wurden. in ähnlicher weise wurden die sprecher bestimmt und die regieanweisungen eingeführt. alle diese bestimmumgsstücke mußten in digitale analogieen überführt und in einem entsprechenden programm formuliert werden.
was hiebei entstand entsprach ziemlich genau der erwartung: ein handlungs- und sprachgefüge, welches in seiner irrationalität und chtontischen chaotik die werbungs- und konsumstruktur der gesellschaft transparent werden läßt; ein deutlich werden der unmöglichkeit, zu den bestehenden sozialen und wirtschaftlichen erscheinungsformen einen einheitlichen consensus zu bilden, in welchem der mensch als rationale existenz denkmöglich wäre.

marc adrian


die programmerstellung nach den von den autoren entwickelten konzepten bereitete keine nennenswerten schwierigkeiten. es wurde die programmiersprache SNOBOL verwendet, die sich als besonders geeignet für aufgaben dieser art erwiesen hat. die struktur des wortschatzes (einteilung in wortarten sowie die zuordung bestimmter wortarten zu gewissen stellen in sätzen einer extrem simplifizierten grammatik) ließ sich leicht in SNOBOL abbilden: zur wortauswahl wurden reihen gleichverteilter zufallszahlen herangezogen. die arbeiten standen unter zeitdruck – daher wurde auf besondere eleganz und rafinesse des programmes kein wert gelegt.
durchgeführt wurde das programm auf dem analogrechner IBM 1620-II des IFHS in wien.

horst wegscheider


mit hilfe eines computers die notation für ein gleichsam auf schienen laufendes spiel für das theater zu erstellen, mag erster anreiz für unsere bemühungen gewesen sein.
eine “dreiecksgeschichte”, ein aus dem konsumalltag bekanntes sprachmaterial und eine auswahl von gegenständen (waren) , die dem verbraucher als statussymbol längst unentbehrlich geworden sind, als requisiten, sollen sie “einstiegsmöglichkeit” für den theaterbesucher garantieren. ein entsprechend aktuelles und populäres material fanden wir in zeitschriften “für das leben zu zweit” und “die schönsten jahre des lebens”, außerdem in einem bekannten nachrichten-magazin.
ein stück, welches wie SYSPOT nicht in herkömmlicher weise (handlung, akteinteilung, eyposition usw.) gemacht ist, sondern nur eine stereotype syntax (drei satzvarianten) besitzt, irgendwo anfängt und unvermittelt endet, bringt natürlich inszenierungsschwierigkeiten mit sich.
der regisseur und die schauspieler werden bei der probenarbeit einige schwierigkeiten zu überwinden haben: viele textwiederholungen oder satzvarianten werden das merkvermögen der schauspieler stark beanspruchen, keiner der üblichen spielstile (realismus, komödie etc.) kann bei der erarbeitung des stückes als ausgangspunkt angesehen werden; ausdruck und gestik müssen anhand des textes und der regieanweisungen grundsätzlich erarbeitet werden. der spieler wird situationen zu meistern haben, die der auf dem heutigen theater üblichen gewerkschaftlich abgesicherten hygiene kaum entsprechen.

gottfried schlemmer

 


personen

ein schauspieler (a) und zwei schauspielerinnen (b und c)
a: sportlicher endzwanziger, typ junges management.
b: ruhige, sympathische, intelligente, temperamentvolle, charmante, mittdreißigerin, modern denkend, humorvoll, tüchtig, allem schönen und idealen aufgeschlossen.
c: zierlich-attraktiver twen.

beziehungsschema

a: gegenüber c intensiv, gegenüber b ambivalent
b: intensiv gegenüber a und c
c: ambivalent gegenüber a und b, narzißtisch

auf der spielfläche befinden sich zufallsverteilt folgende requisiten:

1 stoß alter zeitungen
1 koffer
1 kiste bananen
1 kiste gefüllte coca colaflaschen
1 karton schaumbadegeles in klarsichtpackung
1 karton zahnpasta in tuben
   kleidungsstücke
1 matratze
1 stuhl
1 fotoapparat
1 großes plastikbecken
1 voller farbtopf
1 staubsauger
1 fernsehapparat
1 waschmaschine

zeitung, banane, coca colaflasche, schaumbadgelee, waschpulver und zahnpasta werden bei den entsprechenden kommandos (“umarmt”, “trampelt auf”, ...) den kartons und kisten jeweils neu entnommen und nach gebrauch zufällig auf der bühne verteilt. das kommando “betätigt” (coca cola, banane, waschpulver, ...) bedeutet den entsprechenden gebrauch des requisites: flüssigkeiten werden getrunken oder verschüttet, zahnpastatuben ausgepreßt, eßbares gegessen, badegelee oder waschpulver im plastikbecken oder auf der bühne angerührt usw. das kommando “freiwahl” bedeutet, daß die handlung oder die wahl des requisites an dieser stelle dem schauspieler oder regisseur überlassen bleibt.

 

Fotomontage

Fotomontage © Moucle Blackout

 

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