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Marc Adrian

scenario für herrn h. (Teil 2)

 

HERR H.: (sehr entschieden)
aber es gibt doch kunst für erwachsene (nicht infantile)!

REIFE MENSCHEN
fallen wie birnen von den bäumen der gesellschaft.

aus vielen lautsprechern sagt die STIMME aus dem morast
STIMME:
wer die entwicklung seit 1945 verfolgt, weiß, welche enorme quantität an zukunftsmalerei produziert wurde und wie wenige dieser richtungen ein halbwegs achtbares alter erreichten und heute bestenfalls irgendwelche dekorativen funktionen ausüben, zum beispiel op-mode, mondrian-look. zu den problemen einer verwirklichten zukunft werden sie genausowenig zu sagen haben, wie es zur damaligen gegenwart der fall war. für den nichtwissenschaftler sind atomkraft und atombombe eine wirtschaftliche, machtpolitische, moralische frage, was auch in anderen kunstsparten wie film und literatur zum ausdruck kommt.

auf der LEINWAND (die sehr groß ist) sind indessen angelaufen:
1) eine filmmontage aus sadowestern, sciencefiction und samstag-abendkrimi aus dem fernsehen.
2) eine montage aus comicstrips, goethe und jerry cotton.
3) eine TV-diskussion über wichtige gesellschaftliche probleme. es diskutieren ausschließlich literarisch gebildete intellektuelle.
4) eine sex- und crimewelle, die schließlich alles mit langeweile bedeckt.

dazu hält ein REDNER im kinosaal eine unhörbare rede über den enormen einfluß wirtschaftlicher, machtpolitischer und moralischer fragen, wie sie in film und literatur des 20. jahrhunderts zum ausdruck kommen.

SPRECHER:
die zahl der konsumgüter ist enorm gewachsen und dementsprechend auch die leistungen, welche herr h. zur steigerung des eigentums aller zu erbringen hat, egal, ob er etwa am bestehen der gesellschaft in dieser oder einer anderen form interessiert ist oder nicht.

HERR H. erscheint wieder und trägt zeichenkohle, farbkreide, graphitstifte (sehr weich), tuschfäßlein, pinsel etc. in einem tragkorb auf die scene.

der vogel wird auf den ast gesetzt. D in B einschieben.

SPRECHER:
zu seinem glück ist er es, denn er ist – offenbar – der meinung, daß kunst einer weltanschauung verpflichtet ...
(durch fehler an der tonspur wird der sprecher undeutlich)
... oder dieser etwas zu leide zu tun habe. sein leistungsbeitrag zum eigentum aller ist der ausdruck ...

transparent

QUETSCH

die STIMME aus dem sumpf murmelt selig:
STIMME:

ausdruck (!)

BILD: (total, eastmancolour, starke perspektiven à la KUBRICK)
es erscheinen
NUS
BRÜHL und
MIETSCH

nun entsteht eine starke, dramatische handlung. von der leinwand rieselt echtes blut. das publikum in den vorderen sitzreihen entledigt sich des schuhwerks und wäscht sich korporativ die füße rot.

DIE NEUE LINKE (von welcher sich kreisky distanziert hat) erscheint zum protestmarsch.

SPRECHER:
im ! anfang ! war ! das ! wort !
(dieses gedicht ist von ERNST JANDL)

am schönsten wirkt der vogel, wenn der zweig an einer wand, einer tür oder am fenster befestigt wird.
für 7.500 schillinge gibt es bereits dreimonatige lachlehrgänge. billiger sind lachkurse auf platten, zum beispiel:

insert (strahlende schrift)
13. oktober
(insert ende)

SPRECHER:
die kirche spricht zum tag der massenmedien.

BILD:
es erscheinen der reihe nach
SAN GIORNALE
SANCTA IMAGO MOBILIA
DER HEILIGE TELEVISIUS
DER SELIGE RADIO
und geben eine meinung ab. (danach haben sie keine mehr: es war ihre einzige).

in der darauf folgenden viertelminute zur täglichen bildung erscheint ein
SPRECHER
und interpretiert den begriff “kunstfleisch” aus einer tageszeitung. er wird unterbrochen von
OSWALD WIENER
welcher infolge eines mißverständnisses “kunstfleisch” als sein geistiges eigentum (1958! zeuge: der schreibende) reklamiert.

JEMAND (sagt laut)
die forderung der gegenwart: GEWALT STATT VERNUNFT!
und wird von ALLEN, aber auch von ALLEN (! rufzeichen) in film und saal ausgezischt. er fällt der verachtung anheim und schämt sich schrecklich.

ein interview zitiert
DR. KREISKY:
für eine neue linke gibt es keinen platz in der SPÖ!

zehntens: benachrichtigen Sie bei entwendungs- und brandschäden sofort auch die polizei!

BILD: hier wählt der regisseur am besten irgendeine der zahlreichen wochenschaueinstellungen (selbstverständlich ausländische, am besten amerikanische) mit prügelnden polizisten

SPRECHER:
die executive und legislative des staates, aus welcher die großen verwaltungsapperate hervorgingen, wurde noch im 19. jhd. vom bürger gemäß (dh. im verhältnis zur menge) seines besitzes bezahlt und erhalten. folgerichtig schützten beide seinen besitz. die eigenexistenz der apparate war also an die funktionsfähigkeit des eigentums gebunden: versagten die apparate, so brach das eigentum zusammen.
zum unterschied dazu ist heute nicht mehr der besitz des einzelnen sondern der besitz aller die bedingung und grundlage der macht der apparate: um ihre existenz zu sichern und weiter auszubauen drängen daher die apparate den einzelnen unbarmherzig dazu, zu diesem besitz aller beizutragen.

im publikum werden transparente gehißt.
transparent

WER NICHT ARBEITET WILL TROTZDEM ESSEN!

ein SCHEISSGEIER flattert herum und verliert einige kettenglieder. (man versteht: ein symbol der freiheit).

er kreischt:
SCHEISSGEIER:
kronenzeitung vom 14/6: “keiner der drei verhafteten hat anspruch auf die bezeichnung student und keiner von ihnen hat eine geregelte beschäftigung!”

die scenen auf der leinwand steigern sich zum tumult, die unruhe greift auf das PUBLIKUM über.

STIMMEN:
arbeiter der stirn und der faust ...

CHOR: (singt à capella)
die integration des einzelgängers ist ein wichtiger evolutionärer vorgang innerhalb der gesellschaft, welcher zum erweiterten ...
hier geraten die stimmen durcheinander und werden deutlich unrein.

die märchentante ANNELIESE UMLAUF-LAMATSCH erzwingt sich, auf dem stuhl stehend, gehör und spricht kurz und prägnant über denkmodelle.

MÄRCHENTANTE:
“..............................”

BILD: herr h. (groß)
auf seiner stirne erscheint schweiß (vom modelldenken).
ein bekannter politiker tritt vor die leinwand und erklärt voll überzeugung:

POLITIKER:
die aufrechterhaltung und der weitere ausbau der vollbeschäftigung müssen bei jeder form österreichischer innenpolitik den absoluten vorrang genießen. ein möglicher rückgang des steueraufkommens könnte in seinen ferneren konsequenzen z.b. vielleicht mein bescheidenes einkommen schmälern, was unverantwortlich wäre und unbedingt vermieden werden muß.

BILD:
zeigt die schon bekannte runde intellektueller diskutierer (es können einige köpfe ausgewechselt worden sein). es wird die frage anderer möglichkeiten der aufrechterhaltung der vollbeschäftigung diskutiert. unter anderem werden vorgeschlagen:
a) die sofortige einführung der wöchentlich zweimal wiederholten abhaltung des zwischenbrückenlaufes (reichsbücke/floridsdorfer brücke) mit mäßiger teilnahmeprämie für jeden teilnehmer und fetten 1., 2. und 3. preisen.
b) die züchtung von bakteriologischen schadstoffkulturen und ihre distribution über ein dazu noch zu schaffendes amt zur aufrechterhaltung der vollbeschäftigung des gewerkschaftlich organisierten krankenpflegepersonals sowie zur besseren auslastung der wiener spitäler und krankenkassen.

die diskussion ist sehr angeregt. sobald im publikum der tumult abgeklungen ist, erscheint ein

PSYCHOLOGE:
bemerkenswert ist, daß der apparat im psychologischen sinn gestaltqualität (!), jawohl, gestaltqualität besitzt; das ganze ist mehr als die summe seiner teile und in die verschiedensten, auch politischen (zwischenruf)

ZWISCHENRUF:
bravo!

PSYCHOLOGE:
auch politischen systeme transformierbar ist ohne seine charakteristika zu verlieren; das individuum ist in diesem sinn keine
gestalt, sondern eher das exemplarische gegenteil dazu!

JEMAND:
schreibt die schlagzeile “SEXSTUDENTEN ZUM PSYCHIATER” an die wand und streicht sie demonstrativ durch.
alle – bis auf die betroffenen – verstehen diese freundliche geste.

siebentens: legen Sie gegen zahlungsbefehle und einstweilige verfügungen zur wahrung der fristen widerspruch ein!

transparent:
DIE FRAU DES CHEF-NACKERTEN VON DER UNI WIRD BEDROHT!

BILD: (blendet um)

SPRECHER: (trägt schlagzeilen der wiener presse vor)
6 nackte männer vollführen unbeschreibliche, perverse orgie!

das publikum erstarrt in schweigen.

BILD bleibt schwarz, bis die orgie vorbei ist.

SPRECHER:
es folgt das ablesen von mao-tse-tung-phrasen.
anklage gegen uni-ferkel wurde sehr rasch erhoben.
gebt ihnen den weisel.
rädelsführer der stoffwechselparty in haft – keiner ist student.

transparent:
INTERLUDUS: DAS KÜNSTLERISCHE UNVERMÖGEN

OTTO MÜHL (erscheint vor der leinwand)
und masturbiert unter maschinengewehrlärm ins publikum.
mehrere leute sinken zu boden, die leichen werden beschlagnahmt. otto betrachtet verzweifelt sein erschlaffendes glied.
ende des interludus. es treten auf

ANONYME SCHLAGZEILE
nach sexorgie in der uni: wir werden den SÖS-boss lynchen!

ferner die gestalt der
ÖSTERREICHISCHEN BUNDESVERFASSUNG, welche von
MARC ADRIAN (der von leim und rezensionen endgültig befreit und vom brüllen heiser ist) gefragt wird

MARC ADRIAN: (schüchtern)
bitte wie ist das mit den künstlern und der vollbeschäftigung und dem recht auf arbeit und entlohnung nach jeweiliger leistung und begabung und den anderen rechten?

ÖSTERREICHISCHE BUNDESVERFASSUNG: hustet ihm was

BILD:
zeigt herrn h. der sich zum siamesischen zwilling stilisiert. nachdem er sich verdoppelt hat, rast er, ein bicephales quadruped, im bild umher, und stützt sich auf sich selbst. kurzfristig versucht er die gestalt der wiener sezession anzunehmen und balanciert drohend ein krauthäupel auf seinen köpfen.

SPRECHER:
konsequent zu dieser entwicklung ist auch das kunstwerk als eigentum nicht mehr denkbar, es sei denn als eigentum aller. als handelsware führt es unter anderen spekulationsobjekten heute noch ein relativ bescheidenes dasein: den größten teil heute gemachter kunst kann man nicht mehr einstecken und heimtragen, sondern nur mehr konsumieren: zb. realisationen von großplanungsprojekten durch staat oder institutionen, filme, theateraufführungen; oder der wert des einzelexemplares ist zu gering, um spekulationen oder den eigentumsbegriff aufkommen zu lassen.

während der letzten sätze hat sich zunehmend protestgebrüll im saal erhoben. kunsthändler und galeriebesitzer rotten sich zusammen.

transparent:

AUS DER WELT DER BÜCHER! BELLETRISTIK UND SCHÖNES FÜRS HEIM!

ein riesiges buch aus papiermache wird gegen die leinwand geschleudert. es tritt auf
RUDOLF ZWIRNER, ein galerist aus köIn und sagt zu marc adrian

RUDOLF ZWIRNER: (scharf, skandierend, mit eisiger mißbilligung)
von einem künstler kann man ja wohl auch einigen idealismus erwarten!

noch andere galeriebesitzer und kunsthändler treten auf, zb.
JEANNE BRISSAL, CESARE NOVA, DENISE RENÉE, JUAN VERTI, CARDERA, H. F. MAYER, ein UNBEKANNTER ANFÄNGER im kunsthandel, MRS HANSEN, HESELER und viele andere mehr, stellen MARC ADRIAN auf ein podestchen (es darf nicht allzu hoch sein!) und stülpen ihm große eimer über den kopf, die außen mit “I” beschriftet und mit etwas unaussprechlichem gefüllt sind. die scene erstarrt zum historischen

t a b l e a u

bis alle genügend applaudiert haben.
HERR H. (im publikum) sagt verächtlich:
des kennat mia net passieren!

ALLE glauben ihm das sofort.

dazu:
gastspiel des arlequin-marionettentheaters von profsssor arminio rothstein. einleitung professor ernst haeussermann. französischer saal parterre. ferner:
das lied der prairie!

C. TEX HAT, der gestalter der beliebten radiosendung, liest aus seinem neuen buch
cowboys, badmen, texasrangers
es spielen die bluegrass specials.

zehntens: benachrichtigen Sie bei entwendungs-und brandschäden sofort die polizei!

insert (bildung für alle!)
vorgeschichte: 6) gefäß aus der eisenzeit
7) römerkopf
8) altkroatisches ohrgehänge
(insert ende)

HERR H. (der den vorgängen nur mühsam folgen kann) findet das alles unsinnig. im
BILD
erscheint der TELSTAR

SPRECHER:
der begriff des unsinns muß endlich als sinnlos erkannt werden: er leistet nichts zu seinem eigenen verständnis. es gibt nur wirksame leistungen, dh. gesellschaftlich relevante, und solche, die das nicht sind. sonderbarerweise sind es meist die letzteren, welche, artistisch, dem publikum konfrontiert, von HERRN H. als sinnvoll, wenn auch möglicherweise ablehnenswert, empfunden werden, weil sie im gewohnten sozialen (künstlerischen? – herr h. ist künstler(!) ) kontext stehen. dementsprechend ist das artistische “un”sinnig und interpretation der versuch der eingliederung des phänomens in den sozialen konte ...
hier ist die lichttonspur sehr abgespielt und gurgelt bis der ton ausbrummt.

zur erläuterung springt die kronenzeitung ein:

KRONENZEITUNG:
brus zog sich splitternackt aus, sang die österreichische bundeshymne und schockierte vor allem die anwesenden studentinnen mit unsittlichen handbewegungen.

insert (von der KRONE bezahlt!)
UND DAS SOLL KUNST SEIN
(insert ende)

hörsaalbeschmutzer OSSI WIENER steht auf einem stuhl und sagt, der schlagzeile folgend
OSWALD WIENER: (brüllend)
wir sind die pioniere der neuen entblößung!
ende der schlagzeile. im
BILD:
(sendung zur erweiterung des historischen basalwissens der laien)
5a. graphische darstellung (ein grundriß) zagrebs
mit vorgeschichtlichen fundorten.

PUTER KEBELKA: tritt auf und tut einen bekannten ausspruch in der nachfolge von C. DOMITIAN NERO und CASSIUS CLAY. zwischen seinen arschbacken erscheint eine totenhand.

SPRECHER: (zitiert w. wieser, organismen, strukturen, maschinen, s. 84)
... dies entzieht gleichzeitig der auffassung den boden, daß regellosigkeit, indetermination und nicht voraussagbarkeit dem begriff der ordnung widersprechen. das

BILD:
(dem das zu langweilig ist,) ist ausgangen und wird ersetzt durch
BILD:
(aus dem hintergrund des saales werden über life-ampex zur leinwand überspielt folgende scenen)
LIFE:
einige junge frauen (STARLETS) werden von DR. BUBIS KIN0, einem gut subventionierten privatproduzenten der kommerziellen berufsfilmbranche, bis an die grenzen der sittlichkeit entblößt, mit geübter hand über die sessellehnen nach hinten zurückgebogen und so der anblick ihrer beine in nylons und abendsandaletten der kamera (dem publikum) preisgegeben. anschließend durchschneidet der produzent die prallen gurgeln der frauen mit einem glasscherben.

DR. BUBIS KINO:
seitdem ma de filmkrise ham is aafacher mit da subvention!

während das blut über die brüste der schauspielerinnen riesel, ertönt aus dem gewirr zuckender, nylonbestrümpfter beine die

BUNDESHYMNE
welche aber sofort nach 299a verboten wird!

das fernsehen hat aber seine eigenen produktionen, daher schaltet das BILD wieder zurück auf
BILD:
platz der republik, (fluzeugaufnahme).

insert (2.)

AUS DER WELT DER BÜCHER!

(insert ende)

inzwischen ist es 15.00 uhr geworden. man sieht trittrollerfahrer unterwegs ins land der bücher. conférence: ROSEMARIE ISOPP. es lesen professor KARL BRUCKER und MIRA LOBE. unter mitwirkung eines zauberers und eines kinderchors. französischer saal, parterre.

SPRECHER:
wien und die wiener. eine sonderschau der antiquare österreichs mit quiz und schönen preisen.

hier werden im publikum stimmen der entäuschung laut, ein neuerlicher tumult bahnt sich an, jemand erklärt verärgert:
JEMAND:
kunst is des kaane! des ist aa ka kunst net.

ein INTELLEKTUELLER sagt mit gräßlichem lächeln:
INTELLEKTUELLER:
wir wollen euch doch verstehen!

MARC ADRIAN (versucht erneut sich verständlich zu machen)
wird überbrüllt vom SPRECHER
SPRECHER:
fallen die erwähnten mitrealen sozialaufgaben des kunstwerkes weg, so bleibt als einzige wirkung des kunstwerkes die der bewußtseinserweiterung, also information!

MARC ADRIAN:
infirmitiin kinn sintiktisch idir simintisch irfilgin idir in bidin frmn zglch n qntttv mßbrn brchn ...

SPRECHER:
natürlich darf ein gewisses, eben noch konsumierbares maß an komplexität nicht überschritten werden, ohne daß die redundierung mangeIs consensbildung verunmöglicht ...

MARC ADRIAN: (begeistert)
ein schönes wort. artistisch brauchbar!

SPRECHER:
ebenso abträglich wirkt bei konsumation von kunst eine übertriebene ... ion ...
hier ist die tonspur wieder gestört, brummt aus

MERKE: dieses scenario ist ein kunstwerk!

ED SOMMER (ist angereist, tritt auf, spricht)
ED SOMMER:
sodaß neben der frage, welche bedeutung bedeutung habe, auch die frage auftritt, ob die bedeutung eines dinges (wortes, begriffes, ereignisses) anders als durch das ding etc. selbst erfassbar und ausdrückbar ist.

MARC ADRIAN (auf dem stuhl stehend, verzweifelt und aus leibeskräften brüllend, um den protestierenden lärm des publikums zu übertönen)
MARC ADRIAN:
au chre infOR maleve ränder UNge NSCH affe nin FORM Ativ eEr weiter UNGIM selbenen semble!!
gibt versagend auf, stürzt zu boden. wird von den protestierenden publikumsmassen überwälzt, verschwindet.

SPRECHER: (zitiert w. wieser, wie oben)
der widerspruch der ordnung ...
wird zeitweilig unhörbar, ein DICKER MANN hat sich vor die leinwand gestellt und verlangt im namen aller (aber auch ALLER)!
DICKER MANN:
ich will mir dabei etwas denken können, nichtwahr, in der sprache, nichtwahr, wenn ich ein schönes bild sehe, nichtwahr ...

brausender beifall, spontane forderungen aus dem publikum werden eingebracht, andere redner schwingen sich auf die tribüne

MÄRCHENTANTE:
der künstler soll etwas zu sagen haben, nichtwahr!

VERTRETER DES BUNDES DER KUNSTERZIEHER:
wir sind für verbindliche aussagen verantwortlich!

HERR H. (ganz groß auf der rednertribüne)
es gibt eine reale umwelt!! auch die verwirklichte zukunft wird mit so realen faktoren fertig werden müssen wie politik, rassismus, überbevölkerung und anderem mehr!

da der filmvorführer, zur beschwichtigung des tumultes, die lautsprecher auf FULL stellt, ist der SPRECHER wieder zu hören.

SPRECHER:
alle information teilt sich durch wahrnehmungsvorgänge mit. die entscheidende rolle dabei übernehmen die kohärenzfaktoren, welche eine. indi. viduelle. ihihnderbrädasion des wahrgenomm. ermög ...

hier reißt die tonspur endgültig ab. ein neuer film wird eingelegt und auf der leinwand erscheint, zum entzücken des publikums,

insert
typische ausdrucksmittel. 1. das zeichnen
(insert ende)

BILD: (große totale)
in einer grau-rosa wolke des total umweltbezogenen kunstwerkes geht herr h. über dem horizont auf. er sitzt im gigantischen nähkörbchen seiner großmutter und mickt und streißelt mit daumenstarken geräten aus böhlerstahl mehrere imitationen des “sterbenden sklaven” von michelangelo. die imitationen sind schlecht.

SPRECHER:
in der gegenwärtigen epoche deckt sich die varianzbreite der grenzfälle mit dem durchschnitt. von einer kunst der geisteskranken oder geistesgesunden zu sprechen, ist dümmlich.

beunruhigung im publikum. jemand ruft!
JEMAND:
des hams falsch z’ammkopiert, des!

insert:

die künstlerische persönlichkeit.

(insert ende)

BILD:
inneres der fissure calcarina, schematisch, erregt durch beispiele von puristischer malerei vor den sensorischen außenorganen. es sind etwa 2 millionen schaltkreise in tätigkeit, die assoziationsfelder überlastet, das system steht vor dem zusammenbruch.

(umschnitt)

BILD:
sollte den künstler von außen zeigen, leider ist die kopie völlig unscharf, man kann nichts erkennen.

HERR H. (im publikum) flüstert ängstlich, aber entschieden:
nur keine spezialisierung! zeichnen kann jeder! zeichnen ist elementar! (erschrickt) was heißt das eigentlich?

SPRECHER:
informationsgehalt und komplexität sind direkt proportional. überblick über sozial relevante kunstströmungen ist nur durch erfassen der breitesten streuung innerhalb der präsentation möglich.

BILD:
herr h. pumpt mit einer luftpumpe einen komischen mann aus granit auf, er schwitzt und brüllt mehrfach “das werk! elementar! das werk!”
anschließend platzt der granitmann, herr h. sinkt zu boden und kreischt mir erloschender stimme:
HERR H.:
interpretation ist infantil!
danach gleitet er über den rand in eine grube und tritt im folgenden nicht mehr im film auf.

das publikum ist nun ernstlich verärgert und der vorführer legt daher die alte rolle ein, die aber auch schon fast zu ende ist. der sprecher beginnt wieder mir w. wieser, (wie oben)

SPRECHER:
der widerspruch der ordnung ist das zerbrechen der ordnung, nicht die regellosigkeit komplexer systeme. diese ist vielmehr die voraussetzung dafür, daß das unerwartete und neue in der welt geschieht.

BILD:
umschnitt in einen gerichtssaal. GÜNTHER BRUS. er spricht ruhig und aggressionslos.

BRUS:
ich habe bekleidet den saal betreten und habe mich dann ausgezogen. eine weile stand ich ruhig da, dann bestieg ich das podium, stand wieder eine weile da und habe dann uriniert. dazu sang ich die studentenhymne “gaudeamus igitur”. anschließend drehte ich mich um, gesicht zum publikum, und verrichtete die große notdurft. ich verschmierte kot auf meinem körper und sang dazu die bundeshymne. ich betrachte diese aktion als direkte kunst.

hier erwacht herr h. im publikum, aus lethargie und schöpferischem traum und sagt
HERR H. (energisch)
na hearst, und das werk? was issn mitn werk?

inzwischen geht der film seinem ende zu, das bild zeigt jetzt

BILD:
den ort der handlung, den erwähnten – sehr großen – kinosaal, der unter den klängen der ÖSTERREICHISCHEN BUNDESHYMNE majestätisch über den köpfen des publikums in wolken von staub zusammenbricht.

das publikum, dadurch auf die vermeintliche gefahr aufmerksam geworden, rast panikartig aus dem saal, voran herr h., während das BILD langsam ausblendet, vernimmt man den sprecher, welche weiter w. wieser zitiert:

SPRECHER:
dadurch wäre gezeigt, daß auch ein völlig regelloser (stochastischer) mechanismus, wenn er nur in ein anderes geregeltes system eingebaut ist, bei störungen das system in stabile zustände zurückzuführen imstande ist.

( g r o ß e    s c h l u ß b l e n d e )

 

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