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8. Kapitel: Epilog


Die Maschine der Pan-Am landete in Berlin-Tempelhof. Er ergriff sein schwarzes Köfferchen und beeilte sich aus der Maschine zu kommen. Der Flughafenbus wartete schon. Aufatmend blickte er auf die Armbanduhr. Genügend Zeit. Sein Anzug wirkte leicht zerknittert, und unter den Achsel bildete sich Schweiß. Ach was, dachte er, schließlich trete ich bei keiner Modenschau auf.
Der Bus steuerte eine der Haltestellen an. Junge Vietnamesen drängten bei der Wagentür herein, lachend und kichernd. Asylanten, registrierte er und hörte den Fahrer mit ihnen diskutieren: "Ihr seid schon ein wenig kleen geraten, das gebe ich zu. Aber gleich eine Kinderkarte wollt Ihr? Nee, das geht nicht!" Höger lächelte, diese Berliner Schnauze, einfach unübertrefflich.

Der Chairman stellte ihn dem Zuhörerkreis vor, den er routinemäßig rasch und unauffällig musterte. Mr.Baker vom Jet Propulsion Research Centre, Pasadena saß da in der dritten Reihe. Und ganz hinten der kleine Chinese aus Peking. Wie hieß er doch?
Ich kann den Namen einfach nicht behalten, dachte er ärgerlich, schaltete den Overhead-Projektor ein und begann seinen Vortrag, nicht ohne den beiden vorher unauffällig zuzunicken.

Die Kongreßteilnehmer strömten über die Stiegen zum Buffet. Hie und da nickte er höflich grüßend in die eine Richtung und winkte wiederum anderen freundlich zu. Da ging Dr.Scheer aus Düsseldorf, dort C. Buffo von der Universität Padua. Sie alle gehörten zu der weltweiten Gemeinschaft der Techniker und Wissenschaftler, von der er ein Teil war.
Langsam wanderte er aus dem Gelände des Congress-Centrums in den sonnigen Tag hinaus. Der alte Funkturm grüßte herüber. Der Vortrag war ein mäßiger Erfolg gewesen. Was erwartest du eigentlich, fragte er sich gleichmütig. Er überquerte die Straße und steuerte auf die Grünanlagen zu. Eine blonde Frau mit dem Aussehen von Ingrid Bergmann kam ihm entgegen. Sie blieben beide zögernd stehen: "Mensch, Willi! Bist du es oder bist du es nicht?" Fünfundzwanzig Jahre waren verflossen seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte, anscheinend nahezu spurlos. Gudrun stand vor ihm, er umarmte sie spontan und zog sie an sich. "Das gibt es doch garnicht", stammelte er. "Wie geht es dir, wie geht es euch? Seid ihr noch verheiratet, du und Werner?"
Sie waren es noch, und der Sohn angestellt als Beamter beim Magistrat in Westberlin.
Er sah in der Nähe einige Türkenkinder auf der Straße spielen, die vielpropagierte 'Multikulturelle Gesellschaft' schien hier schon weitgehend verwirklicht worden zu sein. Mit welchem Ergebnis?

"Denkst du noch manchmal an Australien?" erkundigte sich Gudrun eben.
"Oh doch", meinte er. "Aber es ist ja beinahe nicht mehr wahr. Es ist wie ein ferner Traum."
"Wir haben es damals alle miteinander sehr schwer gehabt...", sagte sie langsam. " Ja, natürlich. Die Menschen haben es immer sehr schwer, die breite Masse besonders. Es geht immer und überall ums Überleben, um nicht mehr und nicht weniger. Bei den kleinen Leuten von der Straße und bei den großen Machthabern." Er wies mit der Hand zu den Vopos hinüber, die im Ostteil der Stadt hinter dem Stacheldraht mit umgehängten Maschinenpistolen patrouillierten.
"Auch bei denen da drüben. Aber der kleine Mann läßt sich nicht unterkriegen. Nicht in Australien, und nicht bei den Herren Genossen, denen das Wasser vermutlich auch schon bis zum Halse steht...
Man kann den Leuten Schwierigkeiten machen, sie am Fortkommen behindern und sie beschimpfen, wenigstens eine Zeitlang. Aber letzten Endes sind alle aufeinander angewiesen, wenn sie es auch nicht immer glauben wollen, wenn sie auch nicht einsehen, daß das Leben ein Nichtnullsummenspiel ist."
Er nahm Gudrun beim Arm und zog sie mit sich: "Gehst du mit in die Pinte da drüben? Einen heben? Wie in alten Zeiten?"


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