Reinhard Schleining RAW CUT Grausamen & Liebreizer

09. müllberg


die schwarze ratte lugte aus dem müllberg hervor, zwischen autoreifen und vorsätzlich nicht entsorgten katalysatoren – eigentlich hätte der umweltsünder eine saftige geldstrafe aufgebrummt bekommen sollen, doch stellte sich leider nie heraus, wer denn nun diese schändliche straftat begangen hatte und die fünfundsechzig tonnen gerichtsprotokolle wanderten in den sondermüll. für weißglas und keinesfalls für buntglas.
diese ratte war jedoch nicht der einzige bewohner in dieser ruhigen und vertrauenserweckenden stätte. maden und ähnliches gewürm durchzogen den stinkenden berg wie ein nervengeflecht, uringelbe pelikane und pastellgrüne reiher flatterten um ihn herum und lieferten bunte akzente im trostlosen braungrau. dann und wann ließen sie sich auf scharfe und rostige metallteile nieder, um einen der müllfischchen herauszupicken. diese müllfischchen waren abkömmlinge der goldfischchen, die über generationen von sorgsam entsorgten aquarien gelernt hatten, ihre atmung an die bedingungen des dreckambientes anzupassen und mit hilfe chemischer kiemen die sauerstoffmoleküle aus dem müll herauszulösen, aus altmetallen oder aus nickelcadmiumbatterien. sie schwammen mit flinken flossenbewegungen im berg herum und wurden dann und wann von hungrigen pelikanen und reihern herausgepickt und gefressen.
auch pflanzen wuchsen dort, efeu und blumen – ja sogar blumen, man würde es nicht für möglich halten. doch – um den enthusiasmus ein wenig nach unten zu schrauben – es waren natürlich geklonte dinger. ihre stengel waren denen von blumen zum verwechseln ähnlich, ihre blüten hatten jedoch die form von wichtigen politikergesichtern. verschieden gefärbt, jedoch immer im fleischton bleibend. sogar die brillen, unablässig-kurzsichtiges attribut von wichtigen männern mit weitsicht, waren auf allen blüten wiederzufinden. es war ein wunderschöner anblick. sie bogen sich im lauen lüftchen des radioaktiven windes, und verbeugten ihre köpfe in eine vorgegebene richtung.
ein weiterer bewohner kam aus seiner selbstgebastelten höhle und pflückte ein paar von den blumen, die vor seinem improvierten häuschen wuchsen. dieser bewohner war ein mensch – ja, ihr habt richtig gehört, sogar menschen lebten hier. ihre gestalt war jedoch etwas anders, als gewohnt. wo früher haare wuchsen, wuchsen jetzt ekzeme, wo sie früher beine daranhatten, waren jetzt rostige zahnräder und wo ehemals hände gewesen sind, waren jetzt wurmfortsätze, die sich um die blumenstiele schlängelten und die blüten dem näherten, was ehemals als nase bezeichnet wurde, jetzt aber in einer undefinierbaren, zerstrahlten masse unterging, die man mit viel phantasie als gesicht bezeichnen konnte, aber eigentlich schon sehr weit davon entfernt war.
der sogenannte mensch hielt sich also dieses stück politikerpflänzchen vor diese masse und konnte natürlich nichts riechen. die handlung war mehr oder minder ein bedingter reflex, einprogrammiert im sauber gewaschenen kleinhirn, das auch in zwanzig jahren noch die gleiche armbewegung nach dem pflücken einer blume vollführen würde. es war dies jedoch ein sinnleeres unterfangen, verpuffte energie, die ihm, dem so-eine-art-mensch wesen eine halbe stunde später das leben kosten würde. dann nämlich kam der müllpanther aus seinem versteck und packte den armen, der durch seinen vorher vollführten konditionierten reflex nicht mehr geschickt genug war, um dieser grausamen, flinken bestie zu entkommen, nachdem die sich nun einmal auf seine wohlriechende fährte geheftet hatte, um köstlich zu speisen. in der tat war der müllpanther das gefährlichste lebewesen für die bewohner des bergs. sein fell war schwarz, wies jedoch viele kahle stellen auf, wo man verschuppte, verschimmelte haut hervorschimmern sah, auf der sich viele parasiten labten, wie zum beispiel der radiumegel oder die cadmiumzecke, zwei äußerst robuste tiere, die mit vielen höheren lebewesen in einer vertrauten symbiose lebten.
nachdem es den typen, der menschenähnlichkeiten aufwies, in seinem schlund verschwinden ließ – dies bedeutete dessen abtreten von der müllbühne – suchte das stolze schwarze tier nach einem schattigen plätzchen, um seine müden glieder zu entspannen und ein wenig schutz vor der tödlichen uv-strahlung zu finden. eine ratte schoß an seinen gefährlichen klauen vorbei, schlüpfte unter das karosserieteil einer autoleiche, ließ ein kurzes scheppern vernehmen und fing sich ein müllfischchen.


10. kriegsverbrechen


kresimir bozic nahm seine knarre, seine puffn, seine feuergefährliche schwanzprothese und begann seine täglichen metzelübungen. ratatatata, rein die kugeln in die leiber, sie hüpften immer so lustig, wenn die projektile in sie einschlugen, bleiernes ejakulat, mit dem er die ganze welt zu- und bespritzen konnte, wann immer er es wollte. drang in die weichen und ganz weichen teile der sogenannten opfer ein, befruchtete ihre getöteten körper mit der saat des intelligenten weißen mannes. die oberfläche zerfetzte, haut, die einmal zärtlich berührt worden war, wies nun unheilbare wunden auf, befruchtungslöcher, aus denen in strömen menstruationsblut rann, rote limonade ohne kohlensäure, die ungenutzt in den regennassen dreck dieses dreckigen landstrichs verfloß.
holt euch die verhurten moslemweiber, rief bozic seinen tapferen muttersöhnchen zu, zeigt ihnen, was richtige männer sind, und sie stürmten die bürgerlichen häuser und holten sich die jungen und manchmal auch die älteren futten und schoben ihnen ihre gewehrläufe zwischen die beine, drückten ab und ließen ihre salven los. es war alles, was sie hatten und sie gaben es ihnen, zeigten es ihnen, ließen es sie spüren, zerrissen sie und massakrierten sie.
doch die frauen, sie nahmen das alles in sich auf und wollten sogar noch mehr davon. damit hatten die jungs wirklich nicht gerechnet – als sie es endlich merkten, war es aber schon zu spät.
na, mein lieber junge, worüber machst du dir denn sorgen, sprachen sie zu ihnen und strichen ihnen liebevoll über ihren maskulinen bürstenschnitt. verdammt, sie vögelten ihre mütter, ja, jetzt kamen sie dahinter und sich klein vor, so hatten sie sich das nicht vorgestellt. kresimir bozic bekam seinen schwanz nicht mehr heraus, er steckte fest, die vagina seiner mami ließ ihn nicht mehr los, sondern begann, ihn in ihre leibeshöhle aufzunehmen, in ihre verschlingende grotte, in ihre entmannungsmaschinerie. er schoß und schoß, versuchte seine unbeschreibliche potenz dazu zu verwenden, um loszukommen, seinen schwanz wieder unter seiner kontrolle zu haben, wie die lage im dorf, das sie gestern hochgenommen hatten, wo die köpfe und mösen reihenweise vor ihre schweren soldatenstiefel rollten, die sie nur dann auszogen, wenn sich ihre stahlharten penisse beim schlafen für kurze zeit entspannen konnten. doch je mehr salven er dieser frau seiner mutter zwischen die beine schoß, desto tiefer nahm sie ihn in sich auf, je stärker er dagegen ankämpfte, desto weiter saugte sie ihn in ihr innerstes, drohte ihm mit der auslöschung seiner existenz.
schließlich gab er jedes bemühen, jeden kampf auf, sie alle resignierten, fanden sich mit ihrem drohenden ende ab. sie waren wieder kleine jungs, nur ein kuschendes und gehorsames grüppchen von waschlappen mit weichen gewehrläufen, die schlaff zu boden hingen und eine rote flüssigkeit verloren, die blut sein konnte, alle monate hatten sie das und sie standen vor einem echten rätsel, als sie zum nunmehrigen zeitpunkt wieder freigelassen wurden. vieles hatte sich nun verändert.
die im dorf herumliegenden fleischkadaver begannen zu stinken und aus den grauen schwänzen der soldaten floß eiteriger prostatageschwürschleim, wenn sie daraufpissen wollten. die mütter ließen ihre verkümmerten söhne in reih und glied aufstellen, um ihnen das smegma von der unbeschnittenen vorhaut zu putzen und den blutigen arsch abzuwischen.
sie alle, kresimir bozic als anführer, trugen jetzt die stigmata christi, von denen aus dem am herzen alle sieben stunden blut quoll, das sie mit ihren nachttöpfen, die nach krankem urin stanken, auffingen und mit zittrigen händen tranken. auf ihrer haut entwickelten sich unausstehlich juckende ekzeme und ekelerregende schuppenflechte, sie begannen, ihrer vernachlässigten und bisher verdrängten homosexualität nachzugehen und fickten sich ihre arschlöcher zu fetzen, sodaß sie aussahen wie einschußlöcher. ihre von geschwüren übersäten hände entwickelten zärtlichkeiten zu verfaulten und verschimmelten hautteilen mit eingestreuten gürtelroseelementen und ihre weich gewordene hirnmasse gab sich erotischen wunschfantasien darüber hin.
diese hirnrinde, ausgebeult und zerschunden, merkte bald, daß sich in ihrem leben etwas verändert hatte. früher waren sie doch so steif, so stark, so scharf, so schön, so siegreich gewesen. so mächtig, so furchtlos, so erfahren, so großartig und vor allem so geiiil. so unbeschreiblich geil, daß sie außer einer einzigen erektion nichts anderes waren. stramme, steife soldaten mit stahlhelm, zum ficken abgerichtet, besamer des todes.
und was war jetzt aus ihnen geworden, während ihre muttis sich ihren papis sexuell verweigerten und stattdessen mit den ungefährlichen pipimatzis ihrer schönen jungen söhne hantierten. jetzt schossen sie sich ihre verfaulten spermien gegenseitig in die schlaffen gedärme, erbrachen ihre seelen auf die einst von ihnen verwüsteten leiber und trugen ihre eitrigen geschwüre wie orden mit sich herum, die ihnen von einem kastratengeneral verliehen wurden, der dreimal täglich in jauche badete und die alte scheiße seiner feinde fraß, um nicht mit dem vorzüglichen sis kebab seiner werten frau-mutter in berührung zu kommen, das verlockend duftend seine infantilität heraufbeschwor, wenn er sich an den vertrauten hölzernen tisch setzte.
jetzt waren sie wirklich am ende und ihre schlaffen schwänze zuckten nur.


11. sirenen


der see lag still unter dem silbrigen schein des mondes. ein winziges boot, eine nußschale, trieb darauf und es waren zwei frauen darin, die sich flüsternd unterhielten über die nacht und die wassergeister, die sie unter der tiefschwarzen, glatten oberfläche vermuteten. es war sehr sonderbar, wie sie inmitten der unheimlichen oberfläche dahintrieben, lautlos, ruderlos, ziellos.
pssst, ich höre etwas, sprach die eine mit hauchender stimme und hielt sich den zeigefinger vor den sinnlichen mund. absolute lautlosigkeit zuerst. doch dann war da etwas. es schien aus der dunklen tiefe des schwarzen gewässers zu kommen, ein hoher ton, vibrierend, er schwoll an, erreichte ihre ohren mit einer lockenden untertonreihe, die sie an eine szene erinnerte, die sie vor vielen jahren einmal erlebten, als der bischof von auschwitz zu besuch kam und ihnen die beichte abnahm. jetzt war es wieder da, das gefühl des völligen ausgeliefertseins, das starke verlangen, einer fremden macht gehorchen zu wollen, ihr völlig ergeben und ausgeliefert zu sein, ihr überallhin zu folgen, wohin auch immer sie wollte.
berauscht lehnten sie sich aus ihrem kleinen boot und starrten auf die aalglatte schwärze des sees, wollten etwas erkennen, eine ursache für dieses geräusch, dem sie nun schon seit wochen auf der spur waren, angelockt, wie von unsichtbaren fäden gelenkt, nacht für nacht. denn sie wußten, heute war es soweit, heute erfuhren sie die wahrheit, es war die nacht ihrer einweihung und die nacht ihrer verderbnis, niemals mehr würden sie danach die selben sein können. aber sie sahen nichts, der singende, hypnotische vibratoton erfüllte die mondhelle nacht, resonierte im laub der umliegenden schwarzen bäume, erhob sich aus dem abgrund des kühlen wassers, das in dunkelheit verharrte und nichts von dem verborgenen offenbarte, das sich in der tiefe zu befinden schien.
doch zu weit beugten sich ihre körper aus der nußschale heraus, sie kippte, ihre forschenden gesichter klatschten auf den schwarzen spiegel ihrer selbst und endlich, endlich, endlich war es soweit. sie konnten eintauchen, in diese fremde welt, die kühle umfing sie wie ein toter liebhaber, schwärze blendete ihre suchenden augen und sie schnappten nach luft, nach leben, nach liebe und nach geborgenheit. was sie stattdessen in sich hineinsogen war ein schwarzer saft, den sie von nun an zum leben brauchten, der ihre kranken lungen überschwemmte und durchflutete, der sie einweihte in dinge, von denen sie bisher nicht einmal zu träumen gewagt hatten und die für sie mit einem schlag keinerlei bedrohung mehr darstellten. als vertraut angesehen wurden, als vollständig integrierter teil ihrer transformierten persönlichkeit.
und da, aus weiter ferne tauchten sie endlich auf, die sirenen, langestreckte, blonde geschöpfe und sie sangen, bezirzten sie und nahmen ihre körper und ihre seelen in gewahrsam. sie wiesen die beiden frauen an, ihnen zu folgen, zu den verbotenen orten, tief am grunde des schwarzen gewässers, in den unterirdischen hafen, dem tummelplatz vielerlei zwielichtiger gestalten, die in den vielen verwinkelten seitengängen auf jungfrauen wie sie warteten, um von ihnen mißhandelt zu werden.
als sie dort ankamen, nackt, wunderschön und selbst zu sirenen geworden, sahen sie den hafen, das dunkle schloß mit den gefesselten und versklavten männern, die jetzt auch in ihre obhut gegeben wurden. sie hingen an algenumwobenen seilen von der decke herab, an den händen festgeschnürt, ihre beine waren gespreizt und zu boden gezurrt. reine lustobjekte waren es, über die nach freiem belieben und verlangen verfügt werden konnte und sie waren von sich aus hierher gekommen, strömten scharenweise aus ihren chefetagen und parteibüros, um sich dem gutdünken der strengen seebewohnerinnen auszuliefern, sich ihnen auf gedeih und verderb zu unterwerfen und die lust des sexuellen bestraftwerdens mit allem nur möglichen raffinement auszukosten.
die beiden neuen sirenenfrauen waren zunächst eher verwundert, so etwas hätten sie sich nicht einmal zu träumen gewagt, das müsse doch nicht mit rechten dingen zugehen, meinten sie einhellig, spürten aber gleichzeitig die ausbrechende faszination, die diese neue situation in ihnen hervorrief. eine gewisse form von erregung machte sich in ihren neuartigen körpern breit, ein gefühl, das ihnen bis dahin fremd gewesen war. auch sie bekamen lust, eine von den überall an der wand hängenden krokodillederpeitschen in die hand zu nehmen und sie über einen der unförmigen körper zischen zu lassen, über vom sitzen schlaff gewordene hinterbacken oder über einen kleinen, fast unsichtbaren wurmfortsatz, der bei jeder schnalzenden landung kurz aufzucken würde.
die einstmals mächtigen männer schrien scheinheilig, flehten um hilfe, obwohl sie niemals in der welt mehr gerettet werden wollten, beschimpften ihre foltermägde, um deren zorn noch weiter anzustacheln, zuckten bei jedem brennenden zischen der scharfen peitschen, die auf ihrer haut landeten, zurück und wanden sich gleichzeitig der nächsten attacke wollüstig entgegen.
sie waren jetzt glücklich, die manager und die politiker, die gar nicht selten auch beides zugleich gewesen waren, endlich konnten sie ein leben führen, das ihren bis dahin verborgen gehaltenen wunschvorstellungen genau entsprach. nackt sein, lüstern sein und schläge erhalten, die so unbeschreiblich gut taten und ihre heiße erregung stillten.
und somit lief eigentlich alles am schnürchen in dieser verborgenen welt, in der tiefe eines schwarzen sees, von idyllischen bäumen umgeben. ein leeres boot trieb einsam dahin und wer gute ohren hatte, konnte einen hohen ton hören, der singend aus der tiefe des dunklen gewässers zu kommen schien und schon so manche zu sich hinabgelockt hatte.


12. fische


das kristallene fenster wurde geöffnet und herein kamen die sengenden strahlen der nachmittagssonne. der fischhändler kletterte die fragile leiter hoch, sprosse für sprosse, bis er den wartenden sims erreichte. hier war sie, die treue minne, gebenedeit unter den gottgleichen frauen von adel, tapfer entsagend den drängenden anstürmungen von zahllosem knechtgesindel und anderem aussatz. hier sollte es heute stattfinden, das fest des ungerechten großbürgertums, das wie immer nicht in der lage war, die dinge selbst in die hand zu nehmen und die unterstützung so uneinflußreicher leute, wie dem hofkapellenmeister von minten oder dem kohlenschlepper aus st. christophen benötigte, damit alles nach wunsch vonstatten ging. geliebter hans-ferdinand, genannt der fischhändler, sagte martha, die fadenscheinige und nahm ihn fast in die arme, ihre dummen augen blickten in die seinen und er war überglücklich vor unterschwelligem verlangen und gutgemeinten ratschlägen.
was hast du denn heute vor, fragte der fette fischhändler, speichel tropfte von seinen eklerregenden lippen und er plazierte einen kuß auf die zarte wange mit dem obligaten blonden und deshalb unsichtbaren flaum darauf. och, eigentlich gar nichts, nur das fest ist heute abend, es werden dreiundzwanzigtausend leute kommen, die alle wie die affen in sich hineinfressen und ich habe noch nichts gekocht. noch nicht einmal eingekauft. macht doch nichts, deshalb habe ich ja die ganzen fische mitgenommen. er wies nach draußen, das kristallfenster funkelte aufgrund der hereinbrechenden sonnenstrahlen. die blond-und-blauhäutige minne beugte sich aus dem fenster und erblickte das, wovon der fischer schon seit drei stunden mit ihr sprach. die ganze straße und auch die gesamte stadt war mit fischen übersät. fische, so weit ihr stumpfes auge reichte. das war also sein geheimnis, das meinte er also, als er sagte, warte mit dem essen, bis ich nach hause komme.
nun, geliebter – ein speichelfaden zog sich an seinem kinn herab, als sie dergestalt zu ihm sprach – wie froh bin ich, daß du daran gedacht hast, fast hätte ich vergessen, heute werden ja dreiundzwanzigtausend gäste in unser eiskaltes schloß kommen, um einen rundgang durch die folterkammern meines vaters zu machen – alles japaner. und dabei wäre ich so gerne ins kino gegangen, eiskalte mösen auf ibiza hat heute premiere, bobby fickstar persönlich wäre auch anwesend gewesen. naja, da kann man nichts machen, verschieben wir es halt auf ein anderes mal, seufzte alles die billige kokotte, die den fischgeruch so liebte, daß sie diesen kleinen kompromiß gerne in kauf nahm und einen rasend schnellen zungenkuß mit hans-ferdinand, dem fischhändler austauschte, der daraufhin zufrieden brummte. wie bewunderte er doch die schwindsüchtige keuschheit seiner himmlischen dirne, wie sehr liebte er sie, die unantastbare betasterin sämtlicher reize, die ihm von seinem leib hingen, was zwar nicht viele waren, aber immerhin so viele, daß sie für drei sekunden damit beschäftigt war, wenn sie einmal loslegte und es ihm tüchtig besorgte.
plötzlich hörten sie eine polternde männerstimme von unten heraufbrüllen, martha, genannt die fadenscheinige, bist du bald fertig mit dem essen. jessas, mei fotta, säuselte sie zum fischmann, schnö, schnö, jetzt mias ma uns oba scho tummöln. hans-ferdinand, der fischhändler griff seine gewaltigen fangnetze, breitete sie über die stadt aus und entwarf am reißbrett einen parabolspiegel, mit dessen hilfe er die ganzen fische zu braten gedachte, indem dieser die strahlen der sonne einfing und bündelte. ein gewisser leonardo hörte zwei jahre später davon und stahl diese wahrhaft geniale hirnidee eines überragenden geistes unseres abendlandes. doch das sollte hans-ferdinand, den fischhändler und hobbygenie nicht weiter beunruhigen, erstens, weil er in zwei jahren ohnehin nicht mehr lebte, da ihn seine geliebte mit syphilis infizierte und zweitens, weil die fische hier und jetzt korrekt gebrutzelt wurden und ihm alles weitere bis auf die zu diesem zeitpunkt wie durch ein wunder noch nicht syphilitische martha, genannt die fadenscheininge, ziemlich schnuppe, oder besser noch, schuppe war.
als die dreiundzwanzigtausend japaner und mit ihnen ein ganzer industriezweig an unterhaltungselektronik endlich das eiskalte schloß erreichten, um sich vom hoffolterer des libanesischen gastarbeiterkaisers durch die verschiedenen folterkammern führen zu lassen, war das essen, das ausschließlich aus schmackhaften und gesunden vollwertfischen – alle biologisch abbaubar und ungespritzt – bestand, gerade fertig. die bauarbeiter, die wichtige renovierungsarbeiten, die aus dem kulturschilling finziert wurden, an der barocken renaissancefassade des frühchristlichen rokokoschlösschens zu erledigen hatten, schaufelten in ihrer mittagspause die fünfhundertneunzehn schiffsladungen hochseefische auf die vorgewärmten teller der fett- mager- und heroinsüchtigen japaner. es schmeckte ihnen sehr gut, sie lobten martha, die strich- und fadenscheinige köchin mit dem zuckergoscherl und strichen ihr über das jederjapaners zugängliche vorderfell. manche zögerten nicht, ihrem nackten körper auch ein paar wertvolle scheine – geld nannten sie es – zuzustecken, andere wiederum verlangten nach ihrer telefon- und einer darauffolgenden heißen nummer in ihrem dienstbotenkämmerchen.
als hans-ferdinand, der kreative fischhändler, auf den verteilungsplan trat und die managementberatung unterbrach, indem er sich kurz aber heftig räusperte, wurde es verdächtig still im aus steuergeldern auf fünfundvierzig grad aufgeheizten saukalten schloßspeiseraum. danke, daß ihr so zahlreich erschienen seid, begann er seine rede, die, wenn es schön gewesen wäre, fünf minuten dauern hätte sollen, leider aber das siebenundfünfzigfache davon in anspruch nahm und darauf hinauslief, daß man schimpansen und nazis nicht in ein und derselben folterkammer behandeln dürfe, auch wenn die ergebnisse, die die gewaltigen pharmaimperien aus den versuchen gewannen, nahezu identisch wären. für ihn stelle das eine ethische verwerflichkeit sondergleichen dar und die japaner nickten in freundlicher zustimmung.
marthas vater schließlich war es, der dieser verbalen folter ein ende bereitete, indem er die wuchtigen worte hervorstieß, still, du wicht.
das genügte natürlich. hans-ferdinand trollte sich in die küche, wo er flennend das komplexe parabolspiegelequipment abmontierte und fassungslos den kopf schüttelte. dabei spritzte er mit seinen speichelfäden, die seine gelähmten lefzen nicht zurückhalten konnten und denen der geruch von rohem fisch anhaftete, in der gegend herum, klatschend landeten sie auf diversem kücheninventar, wie reis, butter, kochgeschirr oder brot und auch auf dem putzigen gesicht von martha, der fadenscheinigen, die soeben die küche betrat, nachdem sie ihrem geliebten sofort nach dem anschiß ihres vaters gefolgt war. ihr körper dampfte noch vom geknetet- und betastetwerden durch dreiundzwanzigtausend männermenschen.
verzweifle nicht, sprach sie einfältig, gab dem armen möchtegernritter einen fetten kuß auf die stirn, bevor und nicht nachdem sie den speichelbatzen aus ihrem gesicht entfernte. so ergab es sich, daß die spießige kokotte ihrem geliebten helden ein paar liebesnachtminuten schenkte, in der der schleimtriefende fischhändler sieben kilo abnahm und sich vornahm, gleich morgen die standardisierte eßkontrolle bei weight-watchers aufzuhören.
und in diesem sinne also lebte er noch die erwähnten zwei jahre, das sind vierundzwanzig monate oder einhundertundvier wochen, ehe er elendig an der syphilis verstarb und in seinem testament seiner martha vierundsechzig gulden in selbstgezeichneten scheinen sowie einen zwei jahre alten thunfisch in der dose vermachte. das machte sie sehr glücklich und sie mußte weinen.


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