09. müllberg
die schwarze ratte lugte aus dem müllberg hervor, zwischen
autoreifen und vorsätzlich nicht entsorgten katalysatoren –
eigentlich hätte der umweltsünder eine saftige
geldstrafe aufgebrummt bekommen sollen, doch stellte sich leider
nie heraus, wer denn nun diese schändliche straftat begangen
hatte und die fünfundsechzig tonnen gerichtsprotokolle
wanderten in den sondermüll. für weißglas und
keinesfalls für buntglas.
diese ratte war jedoch nicht der einzige bewohner in dieser
ruhigen und vertrauenserweckenden stätte. maden und
ähnliches gewürm durchzogen den stinkenden berg wie ein
nervengeflecht, uringelbe pelikane und pastellgrüne reiher
flatterten um ihn herum und lieferten bunte akzente im trostlosen
braungrau. dann und wann ließen sie sich auf scharfe und
rostige metallteile nieder, um einen der müllfischchen
herauszupicken. diese müllfischchen waren abkömmlinge
der goldfischchen, die über generationen von sorgsam
entsorgten aquarien gelernt hatten, ihre atmung an die bedingungen
des dreckambientes anzupassen und mit hilfe chemischer kiemen die
sauerstoffmoleküle aus dem müll herauszulösen, aus
altmetallen oder aus nickelcadmiumbatterien. sie schwammen mit
flinken flossenbewegungen im berg herum und wurden dann und wann
von hungrigen pelikanen und reihern herausgepickt und
gefressen.
auch pflanzen wuchsen dort, efeu und blumen – ja sogar blumen, man
würde es nicht für möglich halten. doch – um den
enthusiasmus ein wenig nach unten zu schrauben – es waren
natürlich geklonte dinger. ihre stengel waren denen von
blumen zum verwechseln ähnlich, ihre blüten hatten
jedoch die form von wichtigen politikergesichtern. verschieden
gefärbt, jedoch immer im fleischton bleibend. sogar die
brillen, unablässig-kurzsichtiges attribut von wichtigen
männern mit weitsicht, waren auf allen blüten
wiederzufinden. es war ein wunderschöner anblick. sie bogen
sich im lauen lüftchen des radioaktiven windes, und
verbeugten ihre köpfe in eine vorgegebene richtung.
ein weiterer bewohner kam aus seiner selbstgebastelten höhle
und pflückte ein paar von den blumen, die vor seinem
improvierten häuschen wuchsen. dieser bewohner war ein mensch
– ja, ihr habt richtig gehört, sogar menschen lebten hier.
ihre gestalt war jedoch etwas anders, als gewohnt. wo früher
haare wuchsen, wuchsen jetzt ekzeme, wo sie früher beine
daranhatten, waren jetzt rostige zahnräder und wo ehemals
hände gewesen sind, waren jetzt wurmfortsätze, die sich
um die blumenstiele schlängelten und die blüten dem
näherten, was ehemals als nase bezeichnet wurde, jetzt aber
in einer undefinierbaren, zerstrahlten masse unterging, die man
mit viel phantasie als gesicht bezeichnen konnte, aber eigentlich
schon sehr weit davon entfernt war.
der sogenannte mensch hielt sich also dieses stück
politikerpflänzchen vor diese masse und konnte natürlich
nichts riechen. die handlung war mehr oder minder ein bedingter
reflex, einprogrammiert im sauber gewaschenen kleinhirn, das auch
in zwanzig jahren noch die gleiche armbewegung nach dem
pflücken einer blume vollführen würde. es war dies
jedoch ein sinnleeres unterfangen, verpuffte energie, die ihm, dem
so-eine-art-mensch wesen eine halbe stunde später das leben
kosten würde. dann nämlich kam der müllpanther aus
seinem versteck und packte den armen, der durch seinen vorher
vollführten konditionierten reflex nicht mehr geschickt genug
war, um dieser grausamen, flinken bestie zu entkommen, nachdem die
sich nun einmal auf seine wohlriechende fährte geheftet
hatte, um köstlich zu speisen. in der tat war der
müllpanther das gefährlichste lebewesen für die
bewohner des bergs. sein fell war schwarz, wies jedoch viele kahle
stellen auf, wo man verschuppte, verschimmelte haut
hervorschimmern sah, auf der sich viele parasiten labten, wie zum
beispiel der radiumegel oder die cadmiumzecke, zwei
äußerst robuste tiere, die mit vielen höheren
lebewesen in einer vertrauten symbiose lebten.
nachdem es den typen, der menschenähnlichkeiten aufwies, in
seinem schlund verschwinden ließ – dies bedeutete dessen
abtreten von der müllbühne – suchte das stolze schwarze
tier nach einem schattigen plätzchen, um seine müden
glieder zu entspannen und ein wenig schutz vor der tödlichen
uv-strahlung zu finden. eine ratte schoß an seinen
gefährlichen klauen vorbei, schlüpfte unter das
karosserieteil einer autoleiche, ließ ein kurzes scheppern
vernehmen und fing sich ein müllfischchen.
10. kriegsverbrechen
kresimir bozic nahm seine knarre, seine puffn, seine
feuergefährliche schwanzprothese und begann seine
täglichen metzelübungen. ratatatata, rein die kugeln in
die leiber, sie hüpften immer so lustig, wenn die projektile
in sie einschlugen, bleiernes ejakulat, mit dem er die ganze welt
zu- und bespritzen konnte, wann immer er es wollte. drang in die
weichen und ganz weichen teile der sogenannten opfer ein,
befruchtete ihre getöteten körper mit der saat des
intelligenten weißen mannes. die oberfläche zerfetzte,
haut, die einmal zärtlich berührt worden war, wies nun
unheilbare wunden auf, befruchtungslöcher, aus denen in
strömen menstruationsblut rann, rote limonade ohne
kohlensäure, die ungenutzt in den regennassen dreck dieses
dreckigen landstrichs verfloß.
holt euch die verhurten moslemweiber, rief bozic seinen tapferen
muttersöhnchen zu, zeigt ihnen, was richtige männer
sind, und sie stürmten die bürgerlichen häuser und
holten sich die jungen und manchmal auch die älteren futten
und schoben ihnen ihre gewehrläufe zwischen die beine,
drückten ab und ließen ihre salven los. es war alles,
was sie hatten und sie gaben es ihnen, zeigten es ihnen,
ließen es sie spüren, zerrissen sie und massakrierten
sie.
doch die frauen, sie nahmen das alles in sich auf und wollten
sogar noch mehr davon. damit hatten die jungs wirklich nicht
gerechnet – als sie es endlich merkten, war es aber schon zu
spät.
na, mein lieber junge, worüber machst du dir denn sorgen,
sprachen sie zu ihnen und strichen ihnen liebevoll über ihren
maskulinen bürstenschnitt. verdammt, sie vögelten ihre
mütter, ja, jetzt kamen sie dahinter und sich klein vor, so
hatten sie sich das nicht vorgestellt. kresimir bozic bekam seinen
schwanz nicht mehr heraus, er steckte fest, die vagina seiner mami
ließ ihn nicht mehr los, sondern begann, ihn in ihre
leibeshöhle aufzunehmen, in ihre verschlingende grotte, in
ihre entmannungsmaschinerie. er schoß und schoß,
versuchte seine unbeschreibliche potenz dazu zu verwenden, um
loszukommen, seinen schwanz wieder unter seiner kontrolle zu
haben, wie die lage im dorf, das sie gestern hochgenommen hatten,
wo die köpfe und mösen reihenweise vor ihre schweren
soldatenstiefel rollten, die sie nur dann auszogen, wenn sich ihre
stahlharten penisse beim schlafen für kurze zeit entspannen
konnten. doch je mehr salven er dieser frau seiner mutter zwischen
die beine schoß, desto tiefer nahm sie ihn in sich auf, je
stärker er dagegen ankämpfte, desto weiter saugte sie
ihn in ihr innerstes, drohte ihm mit der auslöschung seiner
existenz.
schließlich gab er jedes bemühen, jeden kampf auf, sie
alle resignierten, fanden sich mit ihrem drohenden ende ab. sie
waren wieder kleine jungs, nur ein kuschendes und gehorsames
grüppchen von waschlappen mit weichen gewehrläufen, die
schlaff zu boden hingen und eine rote flüssigkeit verloren,
die blut sein konnte, alle monate hatten sie das und sie standen
vor einem echten rätsel, als sie zum nunmehrigen zeitpunkt
wieder freigelassen wurden. vieles hatte sich nun
verändert.
die im dorf herumliegenden fleischkadaver begannen zu stinken und
aus den grauen schwänzen der soldaten floß eiteriger
prostatageschwürschleim, wenn sie daraufpissen wollten. die
mütter ließen ihre verkümmerten söhne in reih
und glied aufstellen, um ihnen das smegma von der unbeschnittenen
vorhaut zu putzen und den blutigen arsch abzuwischen.
sie alle, kresimir bozic als anführer, trugen jetzt die
stigmata christi, von denen aus dem am herzen alle sieben stunden
blut quoll, das sie mit ihren nachttöpfen, die nach krankem
urin stanken, auffingen und mit zittrigen händen tranken. auf
ihrer haut entwickelten sich unausstehlich juckende ekzeme und
ekelerregende schuppenflechte, sie begannen, ihrer
vernachlässigten und bisher verdrängten
homosexualität nachzugehen und fickten sich ihre
arschlöcher zu fetzen, sodaß sie aussahen wie
einschußlöcher. ihre von geschwüren
übersäten hände entwickelten zärtlichkeiten zu
verfaulten und verschimmelten hautteilen mit eingestreuten
gürtelroseelementen und ihre weich gewordene hirnmasse gab
sich erotischen wunschfantasien darüber hin.
diese hirnrinde, ausgebeult und zerschunden, merkte bald,
daß sich in ihrem leben etwas verändert hatte.
früher waren sie doch so steif, so stark, so scharf, so
schön, so siegreich gewesen. so mächtig, so furchtlos,
so erfahren, so großartig und vor allem so geiiil. so
unbeschreiblich geil, daß sie außer einer einzigen
erektion nichts anderes waren. stramme, steife soldaten mit
stahlhelm, zum ficken abgerichtet, besamer des todes.
und was war jetzt aus ihnen geworden, während ihre muttis
sich ihren papis sexuell verweigerten und stattdessen mit den
ungefährlichen pipimatzis ihrer schönen jungen
söhne hantierten. jetzt schossen sie sich ihre verfaulten
spermien gegenseitig in die schlaffen gedärme, erbrachen ihre
seelen auf die einst von ihnen verwüsteten leiber und trugen
ihre eitrigen geschwüre wie orden mit sich herum, die ihnen
von einem kastratengeneral verliehen wurden, der dreimal
täglich in jauche badete und die alte scheiße seiner
feinde fraß, um nicht mit dem vorzüglichen sis kebab
seiner werten frau-mutter in berührung zu kommen, das
verlockend duftend seine infantilität heraufbeschwor, wenn er
sich an den vertrauten hölzernen tisch setzte.
jetzt waren sie wirklich am ende und ihre schlaffen schwänze
zuckten nur.
11. sirenen
der see lag still unter dem silbrigen schein des mondes. ein
winziges boot, eine nußschale, trieb darauf und es waren
zwei frauen darin, die sich flüsternd unterhielten über
die nacht und die wassergeister, die sie unter der tiefschwarzen,
glatten oberfläche vermuteten. es war sehr sonderbar, wie sie
inmitten der unheimlichen oberfläche dahintrieben, lautlos,
ruderlos, ziellos.
pssst, ich höre etwas, sprach die eine mit hauchender stimme
und hielt sich den zeigefinger vor den sinnlichen mund. absolute
lautlosigkeit zuerst. doch dann war da etwas. es schien aus der
dunklen tiefe des schwarzen gewässers zu kommen, ein hoher
ton, vibrierend, er schwoll an, erreichte ihre ohren mit einer
lockenden untertonreihe, die sie an eine szene erinnerte, die sie
vor vielen jahren einmal erlebten, als der bischof von auschwitz
zu besuch kam und ihnen die beichte abnahm. jetzt war es wieder
da, das gefühl des völligen ausgeliefertseins, das
starke verlangen, einer fremden macht gehorchen zu wollen, ihr
völlig ergeben und ausgeliefert zu sein, ihr überallhin
zu folgen, wohin auch immer sie wollte.
berauscht lehnten sie sich aus ihrem kleinen boot und starrten auf
die aalglatte schwärze des sees, wollten etwas erkennen, eine
ursache für dieses geräusch, dem sie nun schon seit
wochen auf der spur waren, angelockt, wie von unsichtbaren
fäden gelenkt, nacht für nacht. denn sie wußten,
heute war es soweit, heute erfuhren sie die wahrheit, es war die
nacht ihrer einweihung und die nacht ihrer verderbnis, niemals
mehr würden sie danach die selben sein können. aber sie
sahen nichts, der singende, hypnotische vibratoton erfüllte
die mondhelle nacht, resonierte im laub der umliegenden schwarzen
bäume, erhob sich aus dem abgrund des kühlen wassers,
das in dunkelheit verharrte und nichts von dem verborgenen
offenbarte, das sich in der tiefe zu befinden schien.
doch zu weit beugten sich ihre körper aus der nußschale
heraus, sie kippte, ihre forschenden gesichter klatschten auf den
schwarzen spiegel ihrer selbst und endlich, endlich, endlich war
es soweit. sie konnten eintauchen, in diese fremde welt, die
kühle umfing sie wie ein toter liebhaber, schwärze
blendete ihre suchenden augen und sie schnappten nach luft, nach
leben, nach liebe und nach geborgenheit. was sie stattdessen in
sich hineinsogen war ein schwarzer saft, den sie von nun an zum
leben brauchten, der ihre kranken lungen überschwemmte und
durchflutete, der sie einweihte in dinge, von denen sie bisher
nicht einmal zu träumen gewagt hatten und die für sie
mit einem schlag keinerlei bedrohung mehr darstellten. als
vertraut angesehen wurden, als vollständig integrierter teil
ihrer transformierten persönlichkeit.
und da, aus weiter ferne tauchten sie endlich auf, die sirenen,
langestreckte, blonde geschöpfe und sie sangen, bezirzten sie
und nahmen ihre körper und ihre seelen in gewahrsam. sie
wiesen die beiden frauen an, ihnen zu folgen, zu den verbotenen
orten, tief am grunde des schwarzen gewässers, in den
unterirdischen hafen, dem tummelplatz vielerlei zwielichtiger
gestalten, die in den vielen verwinkelten seitengängen auf
jungfrauen wie sie warteten, um von ihnen mißhandelt zu
werden.
als sie dort ankamen, nackt, wunderschön und selbst zu
sirenen geworden, sahen sie den hafen, das dunkle schloß mit
den gefesselten und versklavten männern, die jetzt auch in
ihre obhut gegeben wurden. sie hingen an algenumwobenen seilen von
der decke herab, an den händen festgeschnürt, ihre beine
waren gespreizt und zu boden gezurrt. reine lustobjekte waren es,
über die nach freiem belieben und verlangen verfügt
werden konnte und sie waren von sich aus hierher gekommen,
strömten scharenweise aus ihren chefetagen und
parteibüros, um sich dem gutdünken der strengen
seebewohnerinnen auszuliefern, sich ihnen auf gedeih und verderb
zu unterwerfen und die lust des sexuellen bestraftwerdens mit
allem nur möglichen raffinement auszukosten.
die beiden neuen sirenenfrauen waren zunächst eher
verwundert, so etwas hätten sie sich nicht einmal zu
träumen gewagt, das müsse doch nicht mit rechten dingen
zugehen, meinten sie einhellig, spürten aber gleichzeitig die
ausbrechende faszination, die diese neue situation in ihnen
hervorrief. eine gewisse form von erregung machte sich in ihren
neuartigen körpern breit, ein gefühl, das ihnen bis
dahin fremd gewesen war. auch sie bekamen lust, eine von den
überall an der wand hängenden krokodillederpeitschen in
die hand zu nehmen und sie über einen der unförmigen
körper zischen zu lassen, über vom sitzen schlaff
gewordene hinterbacken oder über einen kleinen, fast
unsichtbaren wurmfortsatz, der bei jeder schnalzenden landung kurz
aufzucken würde.
die einstmals mächtigen männer schrien scheinheilig,
flehten um hilfe, obwohl sie niemals in der welt mehr gerettet
werden wollten, beschimpften ihre foltermägde, um deren zorn
noch weiter anzustacheln, zuckten bei jedem brennenden zischen der
scharfen peitschen, die auf ihrer haut landeten, zurück und
wanden sich gleichzeitig der nächsten attacke wollüstig
entgegen.
sie waren jetzt glücklich, die manager und die politiker, die
gar nicht selten auch beides zugleich gewesen waren, endlich
konnten sie ein leben führen, das ihren bis dahin verborgen
gehaltenen wunschvorstellungen genau entsprach. nackt sein,
lüstern sein und schläge erhalten, die so
unbeschreiblich gut taten und ihre heiße erregung
stillten.
und somit lief eigentlich alles am schnürchen in dieser
verborgenen welt, in der tiefe eines schwarzen sees, von
idyllischen bäumen umgeben. ein leeres boot trieb einsam
dahin und wer gute ohren hatte, konnte einen hohen ton hören,
der singend aus der tiefe des dunklen gewässers zu kommen
schien und schon so manche zu sich hinabgelockt hatte.
12. fische
das kristallene fenster wurde geöffnet und herein kamen die
sengenden strahlen der nachmittagssonne. der fischhändler
kletterte die fragile leiter hoch, sprosse für sprosse, bis
er den wartenden sims erreichte. hier war sie, die treue minne,
gebenedeit unter den gottgleichen frauen von adel, tapfer
entsagend den drängenden anstürmungen von zahllosem
knechtgesindel und anderem aussatz. hier sollte es heute
stattfinden, das fest des ungerechten großbürgertums,
das wie immer nicht in der lage war, die dinge selbst in die hand
zu nehmen und die unterstützung so uneinflußreicher
leute, wie dem hofkapellenmeister von minten oder dem
kohlenschlepper aus st. christophen benötigte, damit alles
nach wunsch vonstatten ging. geliebter hans-ferdinand, genannt der
fischhändler, sagte martha, die fadenscheinige und nahm ihn
fast in die arme, ihre dummen augen blickten in die seinen und er
war überglücklich vor unterschwelligem verlangen und
gutgemeinten ratschlägen.
was hast du denn heute vor, fragte der fette fischhändler,
speichel tropfte von seinen eklerregenden lippen und er plazierte
einen kuß auf die zarte wange mit dem obligaten blonden und
deshalb unsichtbaren flaum darauf. och, eigentlich gar nichts, nur
das fest ist heute abend, es werden dreiundzwanzigtausend leute
kommen, die alle wie die affen in sich hineinfressen und ich habe
noch nichts gekocht. noch nicht einmal eingekauft. macht doch
nichts, deshalb habe ich ja die ganzen fische mitgenommen. er wies
nach draußen, das kristallfenster funkelte aufgrund der
hereinbrechenden sonnenstrahlen. die blond-und-blauhäutige
minne beugte sich aus dem fenster und erblickte das, wovon der
fischer schon seit drei stunden mit ihr sprach. die ganze
straße und auch die gesamte stadt war mit fischen
übersät. fische, so weit ihr stumpfes auge reichte. das
war also sein geheimnis, das meinte er also, als er sagte, warte
mit dem essen, bis ich nach hause komme.
nun, geliebter – ein speichelfaden zog sich an seinem kinn herab,
als sie dergestalt zu ihm sprach – wie froh bin ich, daß du
daran gedacht hast, fast hätte ich vergessen, heute werden ja
dreiundzwanzigtausend gäste in unser eiskaltes schloß
kommen, um einen rundgang durch die folterkammern meines vaters zu
machen – alles japaner. und dabei wäre ich so gerne ins kino
gegangen, eiskalte mösen auf ibiza hat heute premiere, bobby
fickstar persönlich wäre auch anwesend gewesen. naja, da
kann man nichts machen, verschieben wir es halt auf ein anderes
mal, seufzte alles die billige kokotte, die den fischgeruch so
liebte, daß sie diesen kleinen kompromiß gerne in kauf
nahm und einen rasend schnellen zungenkuß mit
hans-ferdinand, dem fischhändler austauschte, der daraufhin
zufrieden brummte. wie bewunderte er doch die schwindsüchtige
keuschheit seiner himmlischen dirne, wie sehr liebte er sie, die
unantastbare betasterin sämtlicher reize, die ihm von seinem
leib hingen, was zwar nicht viele waren, aber immerhin so viele,
daß sie für drei sekunden damit beschäftigt war,
wenn sie einmal loslegte und es ihm tüchtig besorgte.
plötzlich hörten sie eine polternde männerstimme
von unten heraufbrüllen, martha, genannt die fadenscheinige,
bist du bald fertig mit dem essen. jessas, mei fotta,
säuselte sie zum fischmann, schnö, schnö, jetzt
mias ma uns oba scho tummöln. hans-ferdinand, der
fischhändler griff seine gewaltigen fangnetze, breitete sie
über die stadt aus und entwarf am reißbrett einen
parabolspiegel, mit dessen hilfe er die ganzen fische zu braten
gedachte, indem dieser die strahlen der sonne einfing und
bündelte. ein gewisser leonardo hörte zwei jahre
später davon und stahl diese wahrhaft geniale hirnidee eines
überragenden geistes unseres abendlandes. doch das sollte
hans-ferdinand, den fischhändler und hobbygenie nicht weiter
beunruhigen, erstens, weil er in zwei jahren ohnehin nicht mehr
lebte, da ihn seine geliebte mit syphilis infizierte und zweitens,
weil die fische hier und jetzt korrekt gebrutzelt wurden und ihm
alles weitere bis auf die zu diesem zeitpunkt wie durch ein wunder
noch nicht syphilitische martha, genannt die fadenscheininge,
ziemlich schnuppe, oder besser noch, schuppe war.
als die dreiundzwanzigtausend japaner und mit ihnen ein ganzer
industriezweig an unterhaltungselektronik endlich das eiskalte
schloß erreichten, um sich vom hoffolterer des libanesischen
gastarbeiterkaisers durch die verschiedenen folterkammern
führen zu lassen, war das essen, das ausschließlich aus
schmackhaften und gesunden vollwertfischen – alle biologisch
abbaubar und ungespritzt – bestand, gerade fertig. die
bauarbeiter, die wichtige renovierungsarbeiten, die aus dem
kulturschilling finziert wurden, an der barocken
renaissancefassade des frühchristlichen
rokokoschlösschens zu erledigen hatten, schaufelten in ihrer
mittagspause die fünfhundertneunzehn schiffsladungen
hochseefische auf die vorgewärmten teller der fett- mager-
und heroinsüchtigen japaner. es schmeckte ihnen sehr gut, sie
lobten martha, die strich- und fadenscheinige köchin mit dem
zuckergoscherl und strichen ihr über das jederjapaners
zugängliche vorderfell. manche zögerten nicht, ihrem
nackten körper auch ein paar wertvolle scheine – geld nannten
sie es – zuzustecken, andere wiederum verlangten nach ihrer
telefon- und einer darauffolgenden heißen nummer in ihrem
dienstbotenkämmerchen.
als hans-ferdinand, der kreative fischhändler, auf den
verteilungsplan trat und die managementberatung unterbrach, indem
er sich kurz aber heftig räusperte, wurde es verdächtig
still im aus steuergeldern auf fünfundvierzig grad
aufgeheizten saukalten schloßspeiseraum. danke, daß
ihr so zahlreich erschienen seid, begann er seine rede, die, wenn
es schön gewesen wäre, fünf minuten dauern
hätte sollen, leider aber das siebenundfünfzigfache
davon in anspruch nahm und darauf hinauslief, daß man
schimpansen und nazis nicht in ein und derselben folterkammer
behandeln dürfe, auch wenn die ergebnisse, die die gewaltigen
pharmaimperien aus den versuchen gewannen, nahezu identisch
wären. für ihn stelle das eine ethische verwerflichkeit
sondergleichen dar und die japaner nickten in freundlicher
zustimmung.
marthas vater schließlich war es, der dieser verbalen folter
ein ende bereitete, indem er die wuchtigen worte
hervorstieß, still, du wicht.
das genügte natürlich. hans-ferdinand trollte sich in
die küche, wo er flennend das komplexe
parabolspiegelequipment abmontierte und fassungslos den kopf
schüttelte. dabei spritzte er mit seinen speichelfäden,
die seine gelähmten lefzen nicht zurückhalten konnten
und denen der geruch von rohem fisch anhaftete, in der gegend
herum, klatschend landeten sie auf diversem kücheninventar,
wie reis, butter, kochgeschirr oder brot und auch auf dem putzigen
gesicht von martha, der fadenscheinigen, die soeben die küche
betrat, nachdem sie ihrem geliebten sofort nach dem anschiß
ihres vaters gefolgt war. ihr körper dampfte noch vom
geknetet- und betastetwerden durch dreiundzwanzigtausend
männermenschen.
verzweifle nicht, sprach sie einfältig, gab dem armen
möchtegernritter einen fetten kuß auf die stirn, bevor
und nicht nachdem sie den speichelbatzen aus ihrem gesicht
entfernte. so ergab es sich, daß die spießige kokotte
ihrem geliebten helden ein paar liebesnachtminuten schenkte, in
der der schleimtriefende fischhändler sieben kilo abnahm und
sich vornahm, gleich morgen die standardisierte eßkontrolle
bei weight-watchers aufzuhören.
und in diesem sinne also lebte er noch die erwähnten zwei
jahre, das sind vierundzwanzig monate oder einhundertundvier
wochen, ehe er elendig an der syphilis verstarb und in seinem
testament seiner martha vierundsechzig gulden in
selbstgezeichneten scheinen sowie einen zwei jahre alten thunfisch
in der dose vermachte. das machte sie sehr glücklich und sie
mußte weinen.
01. 02. 03. 04. 05. 06. 07. 08. 09. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. | Inhalt