17. känguru
vorgestern abend, im farnworth fastfood-restaurant in oklahoma
geschah eine wirklich unglaubliche szene zwischen einem schwarzen
fernfahrer und einem weißen känguru. beide wollten sie
hinein, schoben ihre massiven leiber durch die aluminiumtüre
des freßshops und blieben tatsächlich darin stecken.
das, obwohl sie noch gar nichts gegessen hatten, eher im gegenteil
hungrig wie schlappe wölfe waren und erst nach mindestens
drei cheese- oder sonstigenburgern so richtig aufgedunsen gewesen
wären.
verdammt, was is'n da los, versuchte der schwarze fernfahrer sich
über die knifflige situation klar zu werden, er schaute das
weiße känguru mit schiefem blick von der seite her an
und grunzte verärgert. er schüttelte sich, um mit dieser
bewegung aus der türklemme herauszugelangen, doch was es
half, war nichts und das weiße käng klopfte
erzürnt mit seinen flossen am boden herum. ja, die lage war
wirklich zum verzweifeln, besonders als drei fette amis auch noch
rein wollten und vor allem, als fünf um zigburger noch
fettere amis aus der postmodernen würstchenbude rauswollten
und ihnen der weg unangenehmerweise von einem schwarzen fernfahrer
und einem weißen känguru, die hartnäckig im
türrahmen steckten und es auch blieben, versperrt wurde.
irgendwann ergab es sich, daß die fünf vollgefressenen,
nachdem sie sich einer eingehenden beratung unterzogen hatten, zu
schieben begannen, sie langten zu, drückten, preßten,
keuchten, stöhnten und das weiße känguru
schnappte nach luft, der schwarze fernfahrer nach einer hand, die
ihm die eier zu zerquetschen drohte. anfangs geschah gar nichts,
doch bald ging es los. das käng ließ einen fahren und
das war das große signal zu ihrer aller erlösung, sein
bauch verdünnisierte sich, der schwarze konnte näher an
es heran, wodurch der türrahmen sich weiter von ihm entfernte
und den durchlaß nach draußen gestattete, den
durchstoß, den spatenstich in die frische, warme luft der
amerikanischen unendlichkeit, wo es nicht nach altem fett stank
und die kälteproduktive klimaanlage schepperte.
hurra, waren da allesamt froh und zufrieden mit dieser
lösung, der schwarze fernfahrer saß mit seinem arsch im
wüstensand und das känguru wieherte wie ein alter gaul,
der über einen schlechten witz lacht. die allesamt fetten
amis konnten ihre strategischen ziele in angriff nehmen, drei
feuerten sich zu den multiburgers, fünf davon schossen auf
ihre straßenschlachtkreuzer zu. in kürzester zeit war
alles wieder beim alten, die beiden feststecker, die sich auf
diese aparte art und weise kennen- und liebengelernt hatten,
gingen jetzt einer nach dem anderem durch die ominöse
freßshoppforte und fingen, während sie ihre
diverstesten burgers in sich hineinfraßen wie
fernsehprogramme, zu plauschen und zu knutschen an.
es war die reinste wonne, ihnen zuzusehen, zwei frisch verliebte
turteltauben, die ihre erfeuchteten zungen und ihre erhitzten
körper aneinander rieben und den zeitpunkt nicht abwarten
konnten, an dem sie unter gemäßigteren umständen
und von der amerikanischen öffentlichkeit
zurückgezogener, erneut zusammensteckten.
das känguru unterbrach die klassische liebesszene á
la hollywood, indem es zu erzählen begann, eigentlich bin ich
verheiratet, mit einem tankstellennachtwächter aus dem
nachbardorf und mein mann ist wirklich sehr eifersüchtig,
also sieh dich vor, geliebter fernfahrer, der du so schön
schwarz bist, daß die sonne bei deinem anblick verdunkle,
man sehe dem weißen käng seine poetische ader nach,
aber nichtsdestotrotz traf den schwarzen fernfahrer diese
nachricht bis ins mark und bis ins bein. er leckte sich über
die lippen, um die giftige substanz eines verheirateten kängs
von dort loszuwerden und schluckte einen gestockten batzen
speichel seine kehle hinab, sodaß sein adamsapfel
hüpfte. wieso hast du mir das nicht eher gebeichtet, du
dreckiger verräter, jetzt bin ich verloren, du hast mich ins
verderben gestürzt, oh ich unglücklicher, jetzt kommt
das verderben über mich und wird mich verderben, man sehe dem
emotional aufgewühlten schwarzfahrer seine penetranten
wortwiederholungen nach, aber er verlor soeben die kontrolle
über sein sprachzentrum und wird sie bis zum ende dieser
wahrhaft schrecklichen story nicht wiederfinden.
ich bitte dich, flüsterte das weiße käng mit
belegter stimme und griff vorsichtig seinen aufgrund nach oben
gestülpter hemdsärmel nackten unterarm, verlaß
mich nicht, ich liebe meinen mann nicht mehr, er stinkt immer nach
benzin und macht mein weißes fell schmutzig, ich brauuuche
dich. flehender konnte eine bitte kaum vonstatten gehen, das
käng begann zu schluchzen und der schwarze fernfahrer
riß seinen schwarzen unterarm aus der
gefühlsduselklammer und knallte nun völlig außer
sich dem armen käng einen faustlichen hieb auf die heulende
schnauze, wodurch es benommen und mit einem schlag verstummt auf
den polierten steinboden des freßshops zusammensackte und
sein makellos weißes fell sich mit roten sprenkeln zu
schmücken begann, die ihn gleich viel fröhlicher
aussehen ließen.
ich muß abhauen, känguru gottes, du verdammter
hurensohntochter, verstehst du das, raus aus diesem beschissenen
kaff, das die eingeborenen amerika nennen, zu gnadenlos sind die
waffen der tankstellennachtwächter hierzulande, als daß
ich irgendeine chance hätte. er erhob sich vom
hinterwäldlerisch designten freßshopstuhl und machte
sich auf dem weg zum abhauen, als ihn das weiße käng
mit den roten punkten, die sich zu seiner schnauze hin vermehrten,
am bein festhalten wollte und neeeiiin heulte, sodaß endlich
die ersten gäste auf dieses wahrhaft komische paar aufmerksam
wurden, beziehungsweise ihr herumgetue die aufmerksamkeitsschwelle
des verzehrens von diversburgern überstieg.
er zerrte das arme weiße känguru ein schönes
stück weg mit sich, es wollte nicht loslassen, schlingerte
und schlitterte hysterisch am boden herum, vor den augen
höchst erstaunter amis, die hierbei sogar zu kauen
vergaßen und die mäuler öffneten, sodaß man
sogar die zerkauten brocken darin sehen konnte, wenn man genau
hineinschaute. und als der schwarze fernfahrer mit dem
weißen känguru am bein zur aluminiumtüre
gelangte, um endlich aus dieser scheißsituation
herauszukommen, da – ihr werdet es sicher schon erraten haben –
blieben die beiden spaßvögel erneut darin stecken.
nun hätte das ganze natürlich wieder von vorne beginnen
können, wäre nicht ein wagen auf den
fastfood-restaurant-parkplatz gefahren und hätte diesen mann
entlassen, der sich den beiden gestalten, die verloren im
türrahmen feststaken, näherte. es war ein
tankstellennachtwächter, der hunger hatte und er war der mann
eines weißen kängurus und es war sein känguru,
das da im aluminiumtürrahmen seines freßspenders
steckte und es war ein fremder schwarzer fernfahrer, der da mit
ihm und in ihm (letzteres war für ihn eiskalt-logisch
berechnete konsequenz) drinnen- und unter einer decke (auch
das wildeste spekulation) steckte. er zog seinen
schraubenschlüssel aus seinem halfter, die schrecklichste
waffe, die menschen jemals ersannen, und kämpfte sich den weg
zum fressen und zu seinem weißen känguru unerbittlich
und gnadenlos frei.
18. sennerin
ihr arsch gefror im kalten schnee, der sich still und besinnlich
über die winterliche landschaft ausbreitete. gänsehaut
überzog die haarlose harmlose haut dieser bibbernden
backen.
die fünf saufkumpane grölten, konnten ihr glück
nicht in worte kleiden, konnten eigentlich überhaupt nichts
in worte kleiden, genossen indes wortloserweise die zartrosa
gaben, die ihnen die sennerin mit hingebungserwartender wollust
darbot, ihnen entgegenreckte, ihren zungen, fingern,
schwänzen, körpern, ihrer gier, ihrer einfalt, ihrer
leidenschaft, ihrer neugier, ihrem wagemut, ihrer abenteuerlust,
ihrem drang, diese herzzerreißende festung mit ihren
knochenharten gliedmaßen zu stürmen und
einzunehmen.
schnee drang ihr zwischen die nassfeuchten beine, aufgestoben
durch die festen schritte der fünf saufkumpane, die sich dem
erwartungsvollsten arsch näherten, den gott je hervorgebracht
hatte. der erste von ihnen steckte ihr seine heiße wurst in
die schneegeglättete rosettenöffnung, spaltete und
zerriss die zarte haut, zerstörte das kostbare loch, er
riß sie auseinander, zerfegte und zerfetzte sie, teilte zwei
zarte, nackte backen in zwei getrennte, voneinander
unabhängige und asymbiontische körperpartien. die
sennerin schrie und stöhnte, zur selben zeit beides, das war
es, was sie wollte und brauchte, was sie sich schon seit ihrer
frühesten kindheit vom weihnachtsmann wünschte, der mit
langem schwanzbart und einem hodensack voller geschenke die
rentiere beritt und sämtliche jungfrauen des dorfes mit
seiner langen, fetten latte beglückte. das war es, was sie
zum leben erweckte, was ihr den nötigen halt gab, mit dem sie
ihre löcher ausstopfen konnte, die ihr ihre innere leere
immer und immer wieder ins bewußtsein trommelten.
indenarschgeficktwerden, daß es nur so blutete,
rotweinfarbener zeugensaft des penetrationsrausches, der ihr die
besinnung raubte und sie mitriß in ein reich der
gleichgültigkeit und des kompromißlosen
lusterlebnisses, das ihr die gedanken stahl und in den bösen
himmel forttrug, fort von der fruchtspendenden torferde, fort von
den gesetzen, die zu bestimmen den mächtigen impotenzkanonen
dieser welt oblag, fort von debilen flaschenhälsen, die nur
nach ihrer ungewaschenen möse scharf waren, mit der sie die
sinne aller umliegenden gespenster verwirrte.
als sie der vierte saufkumpan bestieg und zu reiten begann, verlor
sie endlich die besinnung und mit ihr ging ein ganzer schwall an
erinnerungen und konditionierungen verloren, an kränkungen,
demütigungen und widerständen, an festkrall- und
kontrollmechanismen. sie zerriß in zwei hälften und
explodierte zur gleichen zeit im allerhöchsten rausch einer
noch nie zuvor erlebten wollust, zerfloß in das universum,
das sie bisher nur zu kosten wagte, fügte sich als
puzzlestein in eine welt ein, die ihr allein gehörte, die ihr
kein mensch und kein saufkumpan streitig machen konnte, die genau
so war, wie sie es sich immer erträumt hatte, rund und
gemütlich, hart und fest, weich und zärtlich, ruhig und
unbeugsam, ungewöhnlich und harmlos, unheilvoll und
verschwiegen.
es war die welt der abermilliarden von toten, die sich in den
himmel und in die hölle fickten, wichsten und keuschten.
niemand zuvor betrat je dies land, die sennerin war die pionierin,
entjungfernde eroberin eines reiches der bewußtlosigkeit,
des medienrausches, der absoluten reizüberschwemmung, der
ekstatischen lebensbewältigung, die sich fern von allem
kosmopolitischen schnickschnack abspielte, die sich weit ins
weltall hineinerstreckte, deren ende im nirgendwo begründet
war und die keinen himmel hatte, in dem man sterne funkeln sah,
wenn es dunkel wurde. niemals wünschte sie daraus
zurückzukehren, die blutende realität verblaßte
zusehends, machte dieser irrealität platz, diesem
kreischenden loslassen jeglicher affektzügel, löste die
bohrende ungewißheit mit dem wissen um die geheimnisse der
allerletzten rätsel dieses universums ab, errichtete
illusionen, traumhafte untraumatische grenzerfahrungen, für
die es sich wahrhaft zu sterben lohnte.
sie erwachte wieder, heiß, nackt, die fünf kumpane
hatten längst ihre zelte abgebrochen, um sie herum war der
schnee geschmolzen, dampfende wiese, dunst umgab sie, dunkel kam
die erinnerung. die grenzen des universums, die katharsis, eine
gipfelerfahrung ihrer psychosexuellen entwicklung. ein kreis
schloß sich, sie war geläutert, ihr hinterteil war
verwüstet, sie konnte zwischen dem gefühl des
eindringens und dem gefühl des ausscheidens keinen
unterschied mehr feststellen. apathisch und mit
gleichmäßiger atmung erhob sich die sennerin auf alle
viere. sie kroch vorwärts, bald erreichte sie die nasse
kaltheit des schnees, wandte sich dem föhrenwald zu, in den
sie sich wie immer danach zurückzog, die blutspur, die aus
ihrem arsch rann, war ihr stummer und ständiger begleiter.
19. reaktor
das verschlußventil war verstopft, das hochgefährliche
gas strömte aus und es wurde schnellstens alarm geschlagen.
wie ein ei dem anderen glichen sich die herumirrenden bewacher
dieser katastrophe, überall brachen funkenstürme heraus,
brennende glut spritzte ihnen auf die helmvisiere, ein feuerorkan
eröffnete seine ouverture und mit ihm gingen viele von ihnen
im gleichschritt zum trottelgott höchstpersönlich,
fürbaten um ihr seelenheil, was natürlich aussichtslos
war und dementsprechend lächerlich.
der reaktor brach auseinander und mit ihm die hoffnungen von
millionen von menschen, die sich tatsächlich einbildeten, sie
hätten die möglichkeit, ein gut- und
bravbürgerliches leben zu führen, wo sie hinrichtungen
nur aus der zeitung und aus dem fernsehen und im zusammenhang mit
– wie es so treffend hieß – bösen menschen kannten. nur
der bruchteil einer sekunde blieb ihnen, um sich ihres irrtums
gewahr zu werden. sie selbst waren die hingerichteten, atomisiert
durch die wuchtige superheldenfaust freiwerdender nuklearenergie,
ausgelöschte figuren, irgendwelche maxln und hansln, die
gerade mit irgendeiner nichtigen tätigkeit wie
computerprogrammieren, babysitten, unterrichten, reden, romane
schreiben, liebe machen, bilder malen, schrauben in die wand
bohren, schilaufen, gulaschkochen oder harnlassen beschäftigt
waren.
weite landstriche, städte, menschen und lauter so zeug wurden
alle von der feuerpest heimgesucht. auch die ausläufer dieser
pest, die strahlen, die die fidelen leute weder schmecken,
spüren noch riechen konnten, die sie aber trotzdem krepieren
ließen, diesmal jedoch nicht ins grab brachten, weil auch
der friedhofsgräber unter den hochverehrten todesgästen
war, und ihre verstümmelten leichen somit unverscharrt
blieben, trieben ebenfalls ihr unwesentliches unwesen. alles in
allem war es doch ein bißchen schrecklich, aber nur wenige
gab es, die das auch feststellen konnten.
zu diesen wenigen zählten beispielsweise harald hirschmann,
ein abgeordneter der regierungspartei, michael furnitsch, der
präsident der ganzen scheiße und joachim plaskrunz, der
big boß der wichtigsten nachrichtenagentur der betroffenen
region. sie saßen auf ihren ärschen im abgeschottetsten
trakt des strahlensicheren bunkers und besprachen die lage. ja,
wirklich, das hätte nicht passieren dürfen, so eine
fürchterliche sache, zum glück lebte jedoch die
regierung noch, womit nicht alles verloren und verhunzt war. jetzt
mußte man an die zukunft denken, nicht vergangenem
nachtrauern, nachhängen, wertvolle energie damit vertun,
verpuffen im virtuellen umraum des atomschutzbunkers. man
mußte strategien zum wiederaufbau entwickeln, es war ja auch
eine chance für einen neuanfang, schließlich waren es
ihre abkömmlinge, die von nun an diesen landstrich
bevölkern würden, ihr samen und ihre früchte, die
die inzestuöse nachwelt ernten würde.
naja, so diskutierten sie sich gegenseitig die ohren voll, viele
lange jahre, für nahrungszufuhr war reichlich gesorgt, und
kamen schließlich zu dem ergebnis, daß sie hier unten
eingeschlossen und eingepfercht waren, es war ein gefängnis
ohne entlassungstag, hier würde auch ihre letze stunde
schlagen, denn oben auf dem, was einmal die erdoberfläche
war, hatten körper, die aus lebenden zellen bestanden, und
das taten die ihren – wahrhaftig – nichts zu suchen. das
würde sich auch in den nächsten dreihundert jahren nicht
ändern. also trafen sie die wohlweisliche entscheidung, auch
die gedanken an die zukunft nicht mehr zum zug kommen zu lassen.
stattdessen blieb ihnen eigentlich nichts anderes mehr übrig,
als an die gegenwart zu denken, was sie dann auch versuchten –
nur, so einfach, wie sie es sich gegenseitig vormachen wollten,
war das natürlich nicht. immer den coolen, den herrn der lage
herauskehren, denjenigen, der durch nichts in die
mühlräder des schicksal verwickelt werden konnte, das
brauchte sich bald auf und tatsächlich dauerte es gerade eben
drei jahre und sechzehn wochen, als michael furnitsch, der
präsident und sogar der wichtigste unter ihresgleichen,
durchdrehte und sich seine finger so weit in die ohren bohrte,
daß sein trommelfell einen riß bekam und er von nun an
den schwachsinn der anderen nicht mehr mitanhören
mußte. die anderen waren mehr als entsetzt. einige schlugen
ihm ins gesicht, was ihm aber nur ein müdes lächeln
kostete, umso mehr, als er die schläge nicht mehr hören
konnte und ihn das schmerzgefühl, das er dabei hatte, eher
heiterbeschwinglich stimmte, als zornig.
die guten vorsätze waren jedenfalls dahin, von nun an
herrschten andere sitten im trauten bunkerleben. sie beschrien
sich, gaben ihren argumenten immer und stets faustrufzeichen und
nahmen sich gegenseitig das fressen und die hardcore-pornovideos
weg. joachim plaskrunz war einer der radikalsten unter ihnen und
so dauerte es nicht lange, ehe er das kommando an sich riß
und die anderen zu tunten machte, die ihm dreimal täglich
ihre fellatiokenntnisse unter beweis stellen mußten, ein
ritual, von dem lediglich der taube präsident verschont
blieb, weil der einerseits ohnehin schon eine tunte war und die
nächte bereits ganz nach seiner zufriedenheit mit ihm teilte,
sowie, weil dieser beständig mit seinem kopf nickte – ein
charmante geste, die der präsident seit seiner
ohreneskalation an den bunkertag legte – was sein herr und
gebieter mit reinem und unbeflecktem gewissen als
vollständige zustimmung seiner person gegenüber, wie
auch als tiefschürfende seelenverwandtschaft interpretierte.
dieser effekt verstärkte sich zudem, als er ihm auch die
augen chirurgisch entfernen ließ, wobei er von einem
abschneiden der zunge wohlweislich absah, wollte er doch auf die
hervorragenden blaskenntnisse seines
vierundfünfzigjährigen lustknaben auf keinen fall
verzichten.
so in etwa ging es weitere sechs jahre und vierunddreißig
wochen. in dieser zeit beschloß ein gewisser roland
weiterer, eine echte borderline-persönlichkeit im
bunkerleben, der – offiziellen angaben zufolge – den fiesen
geschmack von joachim plaskrunz's ungewaschener eichel nicht mehr
ertragen konnte, inoffiziellen vermutungen und fachgutachten
zufolge aber einfach die anonymität nicht mehr aushielt, in
die er gedrängt worden war, den präsidenten umzubringen.
seine strategie war gewagt, aber von erfolg gekrönt. er
schlich sich geheimerweise an die oberfläche, ließ sich
so lange bestrahlen, bis er selbst radioaktiv war und begab sich
dann zum zwangsrendevous mit dem herrn plaskrunz. na ja, und so
lief es dann, der präsident bekam die strahlenkrankheit, die
der ganze sauerkrautsaftvorrat, den die bunkergesellschaft
eingelagert hatte, nicht mehr heilen konnte. dem roland ging es
klarerweise sofort an den kragen, aber er machte sich durch seine
tat einen namen, denn einen präsidenten umzubringen, das
geschah ja schließlich nicht alle tage, er wurde posthum
noch zum richtigen helden.
die zu tunten bekehrten waren ebenfalls heilfroh, der
zwangsbeglückung nicht mehr ausgesetzt zu sein, viele sagten
danach, ja, er hätte sich wirklich öfter waschen
können, so ein ferkel, pfui deibel. der taubblindschwule
präsident riß die führung wieder an sich, er
schwang kühne parolen, stellte alle möglichen
verhaltensmaßregeln auf und war auch sonst völlig
ausgeklinkt, doch fünfundzwanzig jahre später werden sie
– das sei nunmehr verraten – ohnehin alle an seuchen und
verstrahlung gestorben sein, womit die geschichte auch schon jetzt
ihren gerechten abschluß finden kann und wir die armen
figuren, die sich wacker abwurschtelten und abstrampelten, auf dem
weg zu ihrem ende gerne schon jetzt alleine lassen.
20. liebende
sie gingen mit nackten füßen im sand, das salzweiche
wasser leckte ihnen über die knöchel und belebte ihre
müden körper mit frischer energie. beide hatten sie
keine angst vor haien und auch vor u-booten nicht, schon gar nicht
vor algenplagen oder raubkatzen, aber die gab es ja ohnehin hier
nicht, hier, vor der unendlichen weite des marmarameeres.
eigentlich hatten sie vor nichts und niemandem angst, was aber
auch kein wunder war, sie waren ja das, was die menschen frisch
verliebt zu nennen pflegen, nichts konnte ihre einheit
erschüttern oder zerstören oder auch nur erzittern
lassen, sie waren schlicht und einfach – um es kurz zu machen –
unzertrennlich.
um sie herum rauschte es, nicht nur das meer war produzent dieses
ereignisses, nein auch ihre gehirne taten dergleichen, die
ausschüttung etlicher liebeswichtiger hormone war
mitveranstalter des konzerts. von zeit zu zeit fielen sie in die
wunderschönen augen ihres gegenübers hinein, gerieten in
den auf der ganzen welt berühmten gefühlsstrudel und
schwankten, hielten sich jedoch aneinander fest, klammergriff, um
nicht in den sand zu fallen und für die nächsten
sechsundfünfzig stunden dort liegenzubleiben. ihre lippen
fanden sich und damit das ziel ihres begehrens, saugten sich fest,
feuchteten sich gegenseitig an, zungen tauschten wichtige
liebesinformationen aus, hände glitten an der der sonne
dargebotenen haut entlang, bestrichen sie mit dem schweiß
des verlangens, hinterließen spuren wachsender leidenschaft
und sich aufbäumender erregung.
und da war es nun doch wieder, das in-den-sand-fallen, das
die-erde-unter-den-füßen-wegziehen, das
in-den-taumel-der-gefühle-geraten, das sie beide zugleich und
miteinander zu fall brachte. hinab mit ihnen, wasser über
ihre erregten körper schwappend, hilfesuchend am anderen
festhängend, so schilderte sich ihre situation, in die sie
mithineingerissen wurden, deren zügel sie loslassen
mußten, um nicht vom stachel der narzißtischen
störung und der masturbatorischen
kompromißlösungen heimgesucht zu werden. sie saugten
sich aneinander fest, ihre hände wurden zu krallen, die sich
in das gegenüber hineingraben wollten, kratzspuren, bisse,
der eisengeschmack des eigenen blutsaftes auf den wollüstigen
lippen des geliebten. seine badehose, die am zerplatzen war, ihr
bikinioberteil, der vor verlangen überquoll, seine zittrigen
finger, die zwischen ihren beinen hin-und-herschlüpften, ihre
kratzenden nägel, die ihm die haut vom rücken
schälten, seine zähne, die sich in ihren hals gruben und
ihre zähne, die ihm das ohr zerbissen.
augenblicklich brach der sturm herein, das meer fing zu
schäumen an, wellenberge türmten sich auf und klatschten
auf die beiden liebenden herab, die verloren im sand lagen und
sich nicht mehr voneinander lösen konnten. sie waren
rettungslos zusammengeschweißt, das unheil erbrach sich
über sie, die flut spülte sie fort vom strand, hinaus
auf das offene meer, riß sie mit sich, trennte sie von der
vertrauten erdigkeit des festlandes ab. sie wurden von kälte
umfangen, blaue, schäumende gischt, die auf der haut
prickelte, sie wurden in die tiefe mitgerissen, von der
lebensspendenden luft isoliert, die ihnen bis dato die nötige
kraft gab, ihre existenz zu bestreiten.
das wasser nahm ihnen alles, was sie besaßen, ließ
ihnen nur sich selbst und den anderen, stahl ihre ausweispapiere
und ihre lackschuhe, untergrub die vorstellungen von ihrer
zukunft, indem es ihre erinnerungen auslöschte wie ein
schwamm die tafel. sie hatten es endlich geschafft, ihr
heißumworbenes glück gefunden.
01. 02. 03. 04. 05. 06. 07. 08. 09. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. | Inhalt