Reinhard Schleining RAW CUT Grausamen & Liebreizer

17. känguru


vorgestern abend, im farnworth fastfood-restaurant in oklahoma geschah eine wirklich unglaubliche szene zwischen einem schwarzen fernfahrer und einem weißen känguru. beide wollten sie hinein, schoben ihre massiven leiber durch die aluminiumtüre des freßshops und blieben tatsächlich darin stecken. das, obwohl sie noch gar nichts gegessen hatten, eher im gegenteil hungrig wie schlappe wölfe waren und erst nach mindestens drei cheese- oder sonstigenburgern so richtig aufgedunsen gewesen wären.
verdammt, was is'n da los, versuchte der schwarze fernfahrer sich über die knifflige situation klar zu werden, er schaute das weiße känguru mit schiefem blick von der seite her an und grunzte verärgert. er schüttelte sich, um mit dieser bewegung aus der türklemme herauszugelangen, doch was es half, war nichts und das weiße käng klopfte erzürnt mit seinen flossen am boden herum. ja, die lage war wirklich zum verzweifeln, besonders als drei fette amis auch noch rein wollten und vor allem, als fünf um zigburger noch fettere amis aus der postmodernen würstchenbude rauswollten und ihnen der weg unangenehmerweise von einem schwarzen fernfahrer und einem weißen känguru, die hartnäckig im türrahmen steckten und es auch blieben, versperrt wurde.
irgendwann ergab es sich, daß die fünf vollgefressenen, nachdem sie sich einer eingehenden beratung unterzogen hatten, zu schieben begannen, sie langten zu, drückten, preßten, keuchten, stöhnten und das weiße känguru schnappte nach luft, der schwarze fernfahrer nach einer hand, die ihm die eier zu zerquetschen drohte. anfangs geschah gar nichts, doch bald ging es los. das käng ließ einen fahren und das war das große signal zu ihrer aller erlösung, sein bauch verdünnisierte sich, der schwarze konnte näher an es heran, wodurch der türrahmen sich weiter von ihm entfernte und den durchlaß nach draußen gestattete, den durchstoß, den spatenstich in die frische, warme luft der amerikanischen unendlichkeit, wo es nicht nach altem fett stank und die kälteproduktive klimaanlage schepperte.
hurra, waren da allesamt froh und zufrieden mit dieser lösung, der schwarze fernfahrer saß mit seinem arsch im wüstensand und das känguru wieherte wie ein alter gaul, der über einen schlechten witz lacht. die allesamt fetten amis konnten ihre strategischen ziele in angriff nehmen, drei feuerten sich zu den multiburgers, fünf davon schossen auf ihre straßenschlachtkreuzer zu. in kürzester zeit war alles wieder beim alten, die beiden feststecker, die sich auf diese aparte art und weise kennen- und liebengelernt hatten, gingen jetzt einer nach dem anderem durch die ominöse freßshoppforte und fingen, während sie ihre diverstesten burgers in sich hineinfraßen wie fernsehprogramme, zu plauschen und zu knutschen an.
es war die reinste wonne, ihnen zuzusehen, zwei frisch verliebte turteltauben, die ihre erfeuchteten zungen und ihre erhitzten körper aneinander rieben und den zeitpunkt nicht abwarten konnten, an dem sie unter gemäßigteren umständen und von der amerikanischen öffentlichkeit zurückgezogener, erneut zusammensteckten.
das känguru unterbrach die klassische liebesszene á la hollywood, indem es zu erzählen begann, eigentlich bin ich verheiratet, mit einem tankstellennachtwächter aus dem nachbardorf und mein mann ist wirklich sehr eifersüchtig, also sieh dich vor, geliebter fernfahrer, der du so schön schwarz bist, daß die sonne bei deinem anblick verdunkle, man sehe dem weißen käng seine poetische ader nach, aber nichtsdestotrotz traf den schwarzen fernfahrer diese nachricht bis ins mark und bis ins bein. er leckte sich über die lippen, um die giftige substanz eines verheirateten kängs von dort loszuwerden und schluckte einen gestockten batzen speichel seine kehle hinab, sodaß sein adamsapfel hüpfte. wieso hast du mir das nicht eher gebeichtet, du dreckiger verräter, jetzt bin ich verloren, du hast mich ins verderben gestürzt, oh ich unglücklicher, jetzt kommt das verderben über mich und wird mich verderben, man sehe dem emotional aufgewühlten schwarzfahrer seine penetranten wortwiederholungen nach, aber er verlor soeben die kontrolle über sein sprachzentrum und wird sie bis zum ende dieser wahrhaft schrecklichen story nicht wiederfinden.
ich bitte dich, flüsterte das weiße käng mit belegter stimme und griff vorsichtig seinen aufgrund nach oben gestülpter hemdsärmel nackten unterarm, verlaß mich nicht, ich liebe meinen mann nicht mehr, er stinkt immer nach benzin und macht mein weißes fell schmutzig, ich brauuuche dich. flehender konnte eine bitte kaum vonstatten gehen, das käng begann zu schluchzen und der schwarze fernfahrer riß seinen schwarzen unterarm aus der gefühlsduselklammer und knallte nun völlig außer sich dem armen käng einen faustlichen hieb auf die heulende schnauze, wodurch es benommen und mit einem schlag verstummt auf den polierten steinboden des freßshops zusammensackte und sein makellos weißes fell sich mit roten sprenkeln zu schmücken begann, die ihn gleich viel fröhlicher aussehen ließen.
ich muß abhauen, känguru gottes, du verdammter hurensohntochter, verstehst du das, raus aus diesem beschissenen kaff, das die eingeborenen amerika nennen, zu gnadenlos sind die waffen der tankstellennachtwächter hierzulande, als daß ich irgendeine chance hätte. er erhob sich vom hinterwäldlerisch designten freßshopstuhl und machte sich auf dem weg zum abhauen, als ihn das weiße käng mit den roten punkten, die sich zu seiner schnauze hin vermehrten, am bein festhalten wollte und neeeiiin heulte, sodaß endlich die ersten gäste auf dieses wahrhaft komische paar aufmerksam wurden, beziehungsweise ihr herumgetue die aufmerksamkeitsschwelle des verzehrens von diversburgern überstieg.
er zerrte das arme weiße känguru ein schönes stück weg mit sich, es wollte nicht loslassen, schlingerte und schlitterte hysterisch am boden herum, vor den augen höchst erstaunter amis, die hierbei sogar zu kauen vergaßen und die mäuler öffneten, sodaß man sogar die zerkauten brocken darin sehen konnte, wenn man genau hineinschaute. und als der schwarze fernfahrer mit dem weißen känguru am bein zur aluminiumtüre gelangte, um endlich aus dieser scheißsituation herauszukommen, da – ihr werdet es sicher schon erraten haben – blieben die beiden spaßvögel erneut darin stecken.
nun hätte das ganze natürlich wieder von vorne beginnen können, wäre nicht ein wagen auf den fastfood-restaurant-parkplatz gefahren und hätte diesen mann entlassen, der sich den beiden gestalten, die verloren im türrahmen feststaken, näherte. es war ein tankstellennachtwächter, der hunger hatte und er war der mann eines weißen kängurus und es war sein känguru, das da im aluminiumtürrahmen seines freßspenders steckte und es war ein fremder schwarzer fernfahrer, der da mit ihm und in ihm (letzteres war für ihn eiskalt-logisch berechnete konsequenz) drinnen- und unter einer decke (auch das wildeste spekulation) steckte. er zog seinen schraubenschlüssel aus seinem halfter, die schrecklichste waffe, die menschen jemals ersannen, und kämpfte sich den weg zum fressen und zu seinem weißen känguru unerbittlich und gnadenlos frei.


18. sennerin


ihr arsch gefror im kalten schnee, der sich still und besinnlich über die winterliche landschaft ausbreitete. gänsehaut überzog die haarlose harmlose haut dieser bibbernden backen.
die fünf saufkumpane grölten, konnten ihr glück nicht in worte kleiden, konnten eigentlich überhaupt nichts in worte kleiden, genossen indes wortloserweise die zartrosa gaben, die ihnen die sennerin mit hingebungserwartender wollust darbot, ihnen entgegenreckte, ihren zungen, fingern, schwänzen, körpern, ihrer gier, ihrer einfalt, ihrer leidenschaft, ihrer neugier, ihrem wagemut, ihrer abenteuerlust, ihrem drang, diese herzzerreißende festung mit ihren knochenharten gliedmaßen zu stürmen und einzunehmen.
schnee drang ihr zwischen die nassfeuchten beine, aufgestoben durch die festen schritte der fünf saufkumpane, die sich dem erwartungsvollsten arsch näherten, den gott je hervorgebracht hatte. der erste von ihnen steckte ihr seine heiße wurst in die schneegeglättete rosettenöffnung, spaltete und zerriss die zarte haut, zerstörte das kostbare loch, er riß sie auseinander, zerfegte und zerfetzte sie, teilte zwei zarte, nackte backen in zwei getrennte, voneinander unabhängige und asymbiontische körperpartien. die sennerin schrie und stöhnte, zur selben zeit beides, das war es, was sie wollte und brauchte, was sie sich schon seit ihrer frühesten kindheit vom weihnachtsmann wünschte, der mit langem schwanzbart und einem hodensack voller geschenke die rentiere beritt und sämtliche jungfrauen des dorfes mit seiner langen, fetten latte beglückte. das war es, was sie zum leben erweckte, was ihr den nötigen halt gab, mit dem sie ihre löcher ausstopfen konnte, die ihr ihre innere leere immer und immer wieder ins bewußtsein trommelten. indenarschgeficktwerden, daß es nur so blutete, rotweinfarbener zeugensaft des penetrationsrausches, der ihr die besinnung raubte und sie mitriß in ein reich der gleichgültigkeit und des kompromißlosen lusterlebnisses, das ihr die gedanken stahl und in den bösen himmel forttrug, fort von der fruchtspendenden torferde, fort von den gesetzen, die zu bestimmen den mächtigen impotenzkanonen dieser welt oblag, fort von debilen flaschenhälsen, die nur nach ihrer ungewaschenen möse scharf waren, mit der sie die sinne aller umliegenden gespenster verwirrte.
als sie der vierte saufkumpan bestieg und zu reiten begann, verlor sie endlich die besinnung und mit ihr ging ein ganzer schwall an erinnerungen und konditionierungen verloren, an kränkungen, demütigungen und widerständen, an festkrall- und kontrollmechanismen. sie zerriß in zwei hälften und explodierte zur gleichen zeit im allerhöchsten rausch einer noch nie zuvor erlebten wollust, zerfloß in das universum, das sie bisher nur zu kosten wagte, fügte sich als puzzlestein in eine welt ein, die ihr allein gehörte, die ihr kein mensch und kein saufkumpan streitig machen konnte, die genau so war, wie sie es sich immer erträumt hatte, rund und gemütlich, hart und fest, weich und zärtlich, ruhig und unbeugsam, ungewöhnlich und harmlos, unheilvoll und verschwiegen.
es war die welt der abermilliarden von toten, die sich in den himmel und in die hölle fickten, wichsten und keuschten. niemand zuvor betrat je dies land, die sennerin war die pionierin, entjungfernde eroberin eines reiches der bewußtlosigkeit, des medienrausches, der absoluten reizüberschwemmung, der ekstatischen lebensbewältigung, die sich fern von allem kosmopolitischen schnickschnack abspielte, die sich weit ins weltall hineinerstreckte, deren ende im nirgendwo begründet war und die keinen himmel hatte, in dem man sterne funkeln sah, wenn es dunkel wurde. niemals wünschte sie daraus zurückzukehren, die blutende realität verblaßte zusehends, machte dieser irrealität platz, diesem kreischenden loslassen jeglicher affektzügel, löste die bohrende ungewißheit mit dem wissen um die geheimnisse der allerletzten rätsel dieses universums ab, errichtete illusionen, traumhafte untraumatische grenzerfahrungen, für die es sich wahrhaft zu sterben lohnte.
sie erwachte wieder, heiß, nackt, die fünf kumpane hatten längst ihre zelte abgebrochen, um sie herum war der schnee geschmolzen, dampfende wiese, dunst umgab sie, dunkel kam die erinnerung. die grenzen des universums, die katharsis, eine gipfelerfahrung ihrer psychosexuellen entwicklung. ein kreis schloß sich, sie war geläutert, ihr hinterteil war verwüstet, sie konnte zwischen dem gefühl des eindringens und dem gefühl des ausscheidens keinen unterschied mehr feststellen. apathisch und mit gleichmäßiger atmung erhob sich die sennerin auf alle viere. sie kroch vorwärts, bald erreichte sie die nasse kaltheit des schnees, wandte sich dem föhrenwald zu, in den sie sich wie immer danach zurückzog, die blutspur, die aus ihrem arsch rann, war ihr stummer und ständiger begleiter.


19. reaktor


das verschlußventil war verstopft, das hochgefährliche gas strömte aus und es wurde schnellstens alarm geschlagen. wie ein ei dem anderen glichen sich die herumirrenden bewacher dieser katastrophe, überall brachen funkenstürme heraus, brennende glut spritzte ihnen auf die helmvisiere, ein feuerorkan eröffnete seine ouverture und mit ihm gingen viele von ihnen im gleichschritt zum trottelgott höchstpersönlich, fürbaten um ihr seelenheil, was natürlich aussichtslos war und dementsprechend lächerlich.
der reaktor brach auseinander und mit ihm die hoffnungen von millionen von menschen, die sich tatsächlich einbildeten, sie hätten die möglichkeit, ein gut- und bravbürgerliches leben zu führen, wo sie hinrichtungen nur aus der zeitung und aus dem fernsehen und im zusammenhang mit – wie es so treffend hieß – bösen menschen kannten. nur der bruchteil einer sekunde blieb ihnen, um sich ihres irrtums gewahr zu werden. sie selbst waren die hingerichteten, atomisiert durch die wuchtige superheldenfaust freiwerdender nuklearenergie, ausgelöschte figuren, irgendwelche maxln und hansln, die gerade mit irgendeiner nichtigen tätigkeit wie computerprogrammieren, babysitten, unterrichten, reden, romane schreiben, liebe machen, bilder malen, schrauben in die wand bohren, schilaufen, gulaschkochen oder harnlassen beschäftigt waren.
weite landstriche, städte, menschen und lauter so zeug wurden alle von der feuerpest heimgesucht. auch die ausläufer dieser pest, die strahlen, die die fidelen leute weder schmecken, spüren noch riechen konnten, die sie aber trotzdem krepieren ließen, diesmal jedoch nicht ins grab brachten, weil auch der friedhofsgräber unter den hochverehrten todesgästen war, und ihre verstümmelten leichen somit unverscharrt blieben, trieben ebenfalls ihr unwesentliches unwesen. alles in allem war es doch ein bißchen schrecklich, aber nur wenige gab es, die das auch feststellen konnten.
zu diesen wenigen zählten beispielsweise harald hirschmann, ein abgeordneter der regierungspartei, michael furnitsch, der präsident der ganzen scheiße und joachim plaskrunz, der big boß der wichtigsten nachrichtenagentur der betroffenen region. sie saßen auf ihren ärschen im abgeschottetsten trakt des strahlensicheren bunkers und besprachen die lage. ja, wirklich, das hätte nicht passieren dürfen, so eine fürchterliche sache, zum glück lebte jedoch die regierung noch, womit nicht alles verloren und verhunzt war. jetzt mußte man an die zukunft denken, nicht vergangenem nachtrauern, nachhängen, wertvolle energie damit vertun, verpuffen im virtuellen umraum des atomschutzbunkers. man mußte strategien zum wiederaufbau entwickeln, es war ja auch eine chance für einen neuanfang, schließlich waren es ihre abkömmlinge, die von nun an diesen landstrich bevölkern würden, ihr samen und ihre früchte, die die inzestuöse nachwelt ernten würde.
naja, so diskutierten sie sich gegenseitig die ohren voll, viele lange jahre, für nahrungszufuhr war reichlich gesorgt, und kamen schließlich zu dem ergebnis, daß sie hier unten eingeschlossen und eingepfercht waren, es war ein gefängnis ohne entlassungstag, hier würde auch ihre letze stunde schlagen, denn oben auf dem, was einmal die erdoberfläche war, hatten körper, die aus lebenden zellen bestanden, und das taten die ihren – wahrhaftig – nichts zu suchen. das würde sich auch in den nächsten dreihundert jahren nicht ändern. also trafen sie die wohlweisliche entscheidung, auch die gedanken an die zukunft nicht mehr zum zug kommen zu lassen. stattdessen blieb ihnen eigentlich nichts anderes mehr übrig, als an die gegenwart zu denken, was sie dann auch versuchten – nur, so einfach, wie sie es sich gegenseitig vormachen wollten, war das natürlich nicht. immer den coolen, den herrn der lage herauskehren, denjenigen, der durch nichts in die mühlräder des schicksal verwickelt werden konnte, das brauchte sich bald auf und tatsächlich dauerte es gerade eben drei jahre und sechzehn wochen, als michael furnitsch, der präsident und sogar der wichtigste unter ihresgleichen, durchdrehte und sich seine finger so weit in die ohren bohrte, daß sein trommelfell einen riß bekam und er von nun an den schwachsinn der anderen nicht mehr mitanhören mußte. die anderen waren mehr als entsetzt. einige schlugen ihm ins gesicht, was ihm aber nur ein müdes lächeln kostete, umso mehr, als er die schläge nicht mehr hören konnte und ihn das schmerzgefühl, das er dabei hatte, eher heiterbeschwinglich stimmte, als zornig.
die guten vorsätze waren jedenfalls dahin, von nun an herrschten andere sitten im trauten bunkerleben. sie beschrien sich, gaben ihren argumenten immer und stets faustrufzeichen und nahmen sich gegenseitig das fressen und die hardcore-pornovideos weg. joachim plaskrunz war einer der radikalsten unter ihnen und so dauerte es nicht lange, ehe er das kommando an sich riß und die anderen zu tunten machte, die ihm dreimal täglich ihre fellatiokenntnisse unter beweis stellen mußten, ein ritual, von dem lediglich der taube präsident verschont blieb, weil der einerseits ohnehin schon eine tunte war und die nächte bereits ganz nach seiner zufriedenheit mit ihm teilte, sowie, weil dieser beständig mit seinem kopf nickte – ein charmante geste, die der präsident seit seiner ohreneskalation an den bunkertag legte – was sein herr und gebieter mit reinem und unbeflecktem gewissen als vollständige zustimmung seiner person gegenüber, wie auch als tiefschürfende seelenverwandtschaft interpretierte. dieser effekt verstärkte sich zudem, als er ihm auch die augen chirurgisch entfernen ließ, wobei er von einem abschneiden der zunge wohlweislich absah, wollte er doch auf die hervorragenden blaskenntnisse seines vierundfünfzigjährigen lustknaben auf keinen fall verzichten.
so in etwa ging es weitere sechs jahre und vierunddreißig wochen. in dieser zeit beschloß ein gewisser roland weiterer, eine echte borderline-persönlichkeit im bunkerleben, der – offiziellen angaben zufolge – den fiesen geschmack von joachim plaskrunz's ungewaschener eichel nicht mehr ertragen konnte, inoffiziellen vermutungen und fachgutachten zufolge aber einfach die anonymität nicht mehr aushielt, in die er gedrängt worden war, den präsidenten umzubringen. seine strategie war gewagt, aber von erfolg gekrönt. er schlich sich geheimerweise an die oberfläche, ließ sich so lange bestrahlen, bis er selbst radioaktiv war und begab sich dann zum zwangsrendevous mit dem herrn plaskrunz. na ja, und so lief es dann, der präsident bekam die strahlenkrankheit, die der ganze sauerkrautsaftvorrat, den die bunkergesellschaft eingelagert hatte, nicht mehr heilen konnte. dem roland ging es klarerweise sofort an den kragen, aber er machte sich durch seine tat einen namen, denn einen präsidenten umzubringen, das geschah ja schließlich nicht alle tage, er wurde posthum noch zum richtigen helden.
die zu tunten bekehrten waren ebenfalls heilfroh, der zwangsbeglückung nicht mehr ausgesetzt zu sein, viele sagten danach, ja, er hätte sich wirklich öfter waschen können, so ein ferkel, pfui deibel. der taubblindschwule präsident riß die führung wieder an sich, er schwang kühne parolen, stellte alle möglichen verhaltensmaßregeln auf und war auch sonst völlig ausgeklinkt, doch fünfundzwanzig jahre später werden sie – das sei nunmehr verraten – ohnehin alle an seuchen und verstrahlung gestorben sein, womit die geschichte auch schon jetzt ihren gerechten abschluß finden kann und wir die armen figuren, die sich wacker abwurschtelten und abstrampelten, auf dem weg zu ihrem ende gerne schon jetzt alleine lassen.


20. liebende


sie gingen mit nackten füßen im sand, das salzweiche wasser leckte ihnen über die knöchel und belebte ihre müden körper mit frischer energie. beide hatten sie keine angst vor haien und auch vor u-booten nicht, schon gar nicht vor algenplagen oder raubkatzen, aber die gab es ja ohnehin hier nicht, hier, vor der unendlichen weite des marmarameeres. eigentlich hatten sie vor nichts und niemandem angst, was aber auch kein wunder war, sie waren ja das, was die menschen frisch verliebt zu nennen pflegen, nichts konnte ihre einheit erschüttern oder zerstören oder auch nur erzittern lassen, sie waren schlicht und einfach – um es kurz zu machen – unzertrennlich.
um sie herum rauschte es, nicht nur das meer war produzent dieses ereignisses, nein auch ihre gehirne taten dergleichen, die ausschüttung etlicher liebeswichtiger hormone war mitveranstalter des konzerts. von zeit zu zeit fielen sie in die wunderschönen augen ihres gegenübers hinein, gerieten in den auf der ganzen welt berühmten gefühlsstrudel und schwankten, hielten sich jedoch aneinander fest, klammergriff, um nicht in den sand zu fallen und für die nächsten sechsundfünfzig stunden dort liegenzubleiben. ihre lippen fanden sich und damit das ziel ihres begehrens, saugten sich fest, feuchteten sich gegenseitig an, zungen tauschten wichtige liebesinformationen aus, hände glitten an der der sonne dargebotenen haut entlang, bestrichen sie mit dem schweiß des verlangens, hinterließen spuren wachsender leidenschaft und sich aufbäumender erregung.
und da war es nun doch wieder, das in-den-sand-fallen, das die-erde-unter-den-füßen-wegziehen, das in-den-taumel-der-gefühle-geraten, das sie beide zugleich und miteinander zu fall brachte. hinab mit ihnen, wasser über ihre erregten körper schwappend, hilfesuchend am anderen festhängend, so schilderte sich ihre situation, in die sie mithineingerissen wurden, deren zügel sie loslassen mußten, um nicht vom stachel der narzißtischen störung und der masturbatorischen kompromißlösungen heimgesucht zu werden. sie saugten sich aneinander fest, ihre hände wurden zu krallen, die sich in das gegenüber hineingraben wollten, kratzspuren, bisse, der eisengeschmack des eigenen blutsaftes auf den wollüstigen lippen des geliebten. seine badehose, die am zerplatzen war, ihr bikinioberteil, der vor verlangen überquoll, seine zittrigen finger, die zwischen ihren beinen hin-und-herschlüpften, ihre kratzenden nägel, die ihm die haut vom rücken schälten, seine zähne, die sich in ihren hals gruben und ihre zähne, die ihm das ohr zerbissen.
augenblicklich brach der sturm herein, das meer fing zu schäumen an, wellenberge türmten sich auf und klatschten auf die beiden liebenden herab, die verloren im sand lagen und sich nicht mehr voneinander lösen konnten. sie waren rettungslos zusammengeschweißt, das unheil erbrach sich über sie, die flut spülte sie fort vom strand, hinaus auf das offene meer, riß sie mit sich, trennte sie von der vertrauten erdigkeit des festlandes ab. sie wurden von kälte umfangen, blaue, schäumende gischt, die auf der haut prickelte, sie wurden in die tiefe mitgerissen, von der lebensspendenden luft isoliert, die ihnen bis dato die nötige kraft gab, ihre existenz zu bestreiten.
das wasser nahm ihnen alles, was sie besaßen, ließ ihnen nur sich selbst und den anderen, stahl ihre ausweispapiere und ihre lackschuhe, untergrub die vorstellungen von ihrer zukunft, indem es ihre erinnerungen auslöschte wie ein schwamm die tafel. sie hatten es endlich geschafft, ihr heißumworbenes glück gefunden.


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