2. Dezember
Der Nebel, der wie eine Wand den Wald zu einem gigantischen
Gegenüber erhebt, so als wären Riesen in einem
übergroßen Spinnennetz gefangen, die Arme bereits in
Todesstarre, der massige Körper zuckend, den wuchtigen Kopf
noch hin und her wiegend.
Das Fieber ist zurückgekehrt und aus meiner Bauchmitte wallt
Hitze, verströmt sich nach oben zum Gaumen, um auf der Zunge
zu einem dichten klebrigen Belag zu werden. ... Ein Spucknapf
müßte vor mir stehen; ich würde die Hitze und das
Verdorbene aus mir speien und spucken ... die Welt ist weit
draußen.
Hin und wieder wage ich es, ins Dunkle zu tappen, dann spreche ich
mit mir selbst: Das muß ein jeder verstehen, daß
Isolation auch ein Weg in die Einsicht ist, um die trennende Kluft
zwischen drinnen und draußen aufzuheben. Warum ist Nähe
nur so unerträglich?
Gegenwärtiges Spektakel, Schönsinn der Formen – eine
andere Ästhetik eben, oder Rhythmus oder Fragen ... das ETWAS
bleibt offen ... im Moment.
Ich stelle mir vor, wie reich ich bin, wenn ich diesen Moment,
dieses ETWAS, begriffen habe.
Brand im Feuer. Ich werde diese nackenstarre Angst nicht los, nie
mehr ohne Fieber zu sein, wenn ich ansetze, um tief Luft zu holen,
verläßt mich jede Kraft, den begonnenen Atemzug zu Ende
zu führen. Gewalt, die sich vollzieht, die sich als
emotionelle Andersartigkeit entäußert – eine
Anwandlung, "spirit" zu erfassen ... Zusammenhang zu erzwingen,
sich einen Ruhepol der tragbaren Blöße schaffen. Mein
Kopf als Lebenszentrum schmerzt, der Nerv sitzt im Hohlraum des
vorderen Schädels und lotet Gefühle aus.
Ich habe schwarze Ringe unter den Augen.
Das Licht dringt ein –
eine Wintersonne –
ich bade im mitgelittenen Selbstzweifel.
Spuren
ein Liebesgeständnis:
Ich will dich so sehr – sublim – ist es der Kern, der du in mir
bist, als den ich dich liebe?
Das Leben geht.
In diesem Fieber liegt ein bedrückender Schmerz, in dem sich
Ruhe und Zuversicht ausbreitet. Über mein Gesicht legt sich
ein Rauschschleier!
7. Dezember
Mit knieweichen Beinen – was ist mit dem Leib – das unsagbar
Zerbrechliche – ich werde meiner Arbeit wieder nicht nachgehen
können – doch ich muß – wir brauchen Brot, um zu
überleben.
Die öffentliche Person, die ich bin, eine Figur, der ich
augenblicklich nicht gewachsen bin – weil nur die Schnecke ihr
Haus bewohnt, sich nicht fortbewegt mit ihrem Haus auf dem
Rücken, wichtig ist der Weg, die Spur, die die Schnecke
hinterläßt.
Ich kann schon eine aufrechte Haltung einnehmen.
Die künstlerische Um- und Auseinandersetzung vollzieht sich
als Impetus – wenn wir im Konjunktiv sind – sprechend über
die vielen unentscheidbaren Möglichkeiten – ist nichts.
8. Dezember
Mein Kopf dreht sich, wie in einer Pirouette – ich wache
wieder auf, der Gedanke, im Tanz zu existieren, beflügelt
mich – es ist, als ob plötzlich eine Wende eingetreten
wäre. Zuversicht kann nur in die Mitte zurückkehren,
wenn die innere Direktive es erlaubt, will, ersehnt.
Die Welt, in der ein Pendant entsteht und unverrückbare
Gegensätze klar scheinen, ist ein Trugbild, das durch die
Hitze des menschlichen Geistes projeziert ist. (Wie belanglos
vieles ist – und wie lächerlich)
Wenn wir uns umschlingen, sind wir im Vergessen, stellen keine
Fragen mehr, sind bloß in uns, bar jeder neidischen Haltung
auf den Wert des anderen. Liebe gib mir, Liebe, ich verkaufe sie
als Ware an einen Gott ..., der niemals stirbt. Diese
verrückte Abstufung von Besitzanspruch macht es so schwierig
zu begreifen, daß wir auch frei sein dürfen – weil der
Begriff der Liebe so vielfältig ist. Und dennoch, die Zeit
ist taub für unser Begehren.
Die Erinnerung lauert wie eine hungrigre Wildkatze auf mich –
schlägt unvermutet ihre Krallen in mich, sodaß ich
blute. Es ist wie ein Pakt, den ich mit der Leidenschaft
geschlossen habe – und keine/r wird es verstehen.
Die Tage sind im Hoffen erstickt.
Ich versuche, ein Bild zu entwerfen von MORGEN – es gelingt mir
nicht.
Ich suche Ruhe
dabei jagen mich IRREN
Aus Dummheit sage ich, daß die Liebe nie stirbt, oder nie
geboren wird, oder immer ist.
Du schläfst, während ich wach bin, dein Atem ist mir
nahe.
Ich kann nicht mehr warten auf die Ewigkeit.
Ich muß sie finden.
Sie ist da, ich muß sie leben.
Anspruchloses sich Bescheiden – sich in die Umstände
fügen, in die der Zeit, in die der Polarität,
zurückfallen in das Momentane.
Der Traum von heute nacht.
Wasser – Meer
Wir schwimmen ahnungslos weit in das offenen Gewässer hinein.
Auf einer anderen Ebene ist das bewußte Wissen, das wie die
Atmosphäre am Meer ist – die vertraute Traumangst, daß
uns Haie zerfressen oder Delphine anfallen könnten. Dabei
weiß ich in meinem Wachzustand, daß Delphine die
Träger der Seele – die Pferde des Meeres – sind, die die
Seelen in die andere Welt jenseits des Wassers tragen.
(griechische Mythologie)
Monika schwimmt lächelnd im Wasser, ich bin in großer
Sorge, es könne ihr etwas Schreckliches geschehen. Meine
Schwimmbewegungen sind ruhig geführt, ich gleite im Wasser
dahin, dann bin ich unmittelbar umgeben von toten Fischen. Leiber,
die aufgedunsen, die silbrig bläuliche Haut aufgeweicht, halb
abgefallen, von Gerüchen der Fäulnis umwittert an meinen
Armen anstreifen, ich bleibe gelassen, je ekliger mir wird, ich
schwimme an diesen unzähligen Fischleichen vorbei, an den
Strand zurück, wo ich in ein Haus gehe, um mich durch Trinken
von Schnaps zu desinfizieren, da ich das giftige, von den
Fischkadavern verseuchte Wasser durch meinen Mund spülen
lies. Monika ist vor mir zurück, ich reiche ihr das Glas mit
dem klaren Schnaps und sie trinkt es halb leer.
9. Dezember
Aus der Nacht kommt der Tag, schlüpft langsam heraus aus
dem Traum, trägt die vielen Gesichter der Nacht fort und
blendet den nach innen gewandten Blick.
Nachtnebel
die betäubten Sinne ... der vielgeweinten Tränen – der
Wahrheitsgehalt – wieviele Fragen offen bleiben ... wenn ich
wüßte, wie wir sie finden könnten –
endgültig. Jetzt, wo sich die Haut von unseren Körpern
ablöst, wir aus unserem Dunstkreis, aus unserer gemeinsamen
Sphäre hinaustreten ... wird mir kalt, wie einem Körper,
der Körper an Körper lag, um sich in der langen Nacht zu
wärmen – dort, wo Vertrautsein die Vertrauensbasis bildet –
wenn du fortgehst wird der Morgen Frost in meine Haut treiben.
Die Tragödie, die sich immer wiederholt. Menschen, die nicht
aus ihrer Geschichte ausbrechen können, die in einem Bild von
sich selbst verhaftet sind.
Im Denken ist Sein.
Im Sitzen ist Sehen.
In der Ruhe ist Zeit.
Mein argwöhnisches, permanentes Hinterfragen nach Sinn und
Qualität, nach Tiefe und Endlosigkeit, die gesprochene
Ewigkeit sein soll, wenn ich könnte, würde ich nur noch
mit offenem Mund durch die Welt spazieren, um zu einem
Geistesblitz zu gelangen. Eine andere Tatsache ist, daß die
Sonne scheint, so als würde der Frühling jetzt schon
anbrechen und mich aus dem schönen Dämmerschlaf des
Tagtraumes erwecken.
Wahrheit von Grund an, von der Herkunft her ... ich bin
bemüht, diszipliniert, hypnotisiert vom Alltag. Diese
gedankliche Unruhe zersplittert mein Wesen, das ich einfange, um
mich zu konzentrieren, was habe ich zu verlieren, daß ich
krampfhaft festhalte an meinen Gedanken?
Der Gedanke der die Hingabe an den Fall verhindert. Was ist, wenn
ein Stein im Fall plötzlich zu denken beginnt? Es würde
ein Spannungsfeld entstehen, das Verzögerung bewirkt. Wenn
ich der "Stein im Fall" bin, so bin ich in ständiger
Verzögerung, weil ich ständig denke. Wenn das Leben
programmiert ist von dem Kern, der ewig existiert, der immer
wiederkehrt, weil er Geschichte ist – persönliche,
individuelle, wie zusammengefaßte, kollektive Geschichte,
dann muß ich dem Denken abschwören – oder
umkehren.
Der Gedanke kann niemals Stein werden, aber der Stein kann Gedanke
werden.
Sind wir die mit den langen Armen, weil wir in Unzufriedenheiten
gefangen sind ... halten wir das Netz der Welt, das Netz, das die
Welt zusammenhält? Sind wir deswegen unzufrieden, weil uns
dadurch die Hände gebunden sind? Das feine Netz, in das wir
alle verstrickt sind, in dem wir uns immer wieder finden und
umarmen.
10. Dezember
Ich will dieses Menschsein in mir brechen ... eine depressive
Stimmung schwemmt mich auf. Ich habe es nicht, dieses Glück
– im Sattsein liegt der wunschlose Tod genauso wie in dieser
hastigen Art zu leben.
Es vergeht alles!
Aufbrechen – Aufbruch
ich bin eingebettet in Körperhitze
es beginnt etwas zu wachsen – "etwas" – ist es wirklich derart
undefinierbar, dieses "etwas"?
Pablo stellt mir die Frage: "Wann kommst du nach Hause?"
Endgültig!
Wann trittst du aus diesem Nebelschleier heraus – in das Licht –
auf mich zu?
Noch bin ich krank. Ich denke mir, es kommt dArauf an, ob ich
leben will oder sterben. Das ist das Eingeständnis an die
eigene Kleinmütigkeit und dabei überkommt mich eine
riesengroße Wut über diese selbstgefällige
Getue.
Nach dem exzentrischen Teil des Tages, wenn ich samt Fieber
aufgedreht bin, weiß ich nichts mehr zu denken, außer
KREIS IM KREIS, und die schwere, feuchte Luft einatmend, freue ich
mich am hier Gehen, am hier Sitzen, am hier Sein. Die Einsamkeit
kehrt zurück, aber nicht das Alleinsein, ALLEIN SEIN IST
UNGLEICH ZU EINSAM ...einsam ist die Sehnsucht, verbunden zu sein,
an sich, mit der Nabelschnur zur Welt – zur schwingenden Tatsache
des Lebens.
11. Dezember
Die Landschaft, die sich kahl ausbreitet, über
Hügelland, über Weinstöcke, über Gärten.
Das schlichte Haus, das ich von der gegenüberliegenden
Straßenseite betrachte, mit glatten Wänden, zu dem ich
mich hingezogen fühle, in so einem Haus wünsche ich mir
zu wohnen.
Weiter, die Wege in den Wald hinauf, beim Einatmen die Grenze im
Körper ... laufen über halbgefrorene Erde ... der Geruch
eines verwesenden Tieres.
Ich bin alleine.
Mütterliche Gefühle steigen in mir hoch – einen Baum zu
schützen vor parasitären Pilzen.
Die Herzenstrauer bewegt keine Körperteile.
Ich bin zerfressen vom Tatendrang, der blockiert ist und mir
weiter Fieber in den Körper treibt.
Die lebenslange Beschäftigung, um das eigene Wunschbild in
unendlicher Anstrengung zu vervollkommnen, in eine endgültige
Realität zu bringen.
Ich trage das Zerrbild meines Innenlebens zu Markte.
Zuhause schweifen meine Blicke zum Fenster hinaus und nehmen die
Abstufungen des Lichtes wahr, denn durch die Dämmerung heben
sich die Gärten mit ihren Zwergenbäumen vom hellen
Himmel fast schwarz ab. – Ein Gedanke dient als
Projektionsfläche. –
Schatten geistern durch das Zimmer und inzwischen dunkelt der
Himmel, der zu einer behütenden Kuppel wird. Diese Art in
mir, dieses ungeduldige Warten und Bilder Entwerfen, um das Leben
intensiver zu spüren, dabei zähle ich die Tage an meinen
Fingern ab. Irgendwann einmal habe ich geschrieben: "Das Leben
rinnt mir zwischen den Händen davon."
An den Handgelenken entspringt eine Quelle, die sich in kleinen
Bächen zwischen den Grübchen der Fingerwurzeln einen Weg
bahnen, darin fließen über lange schmale Finger und
deren Zwischenräume die Zeit und das Leben davon. Die
Bäche benetzen den Boden, auf dem die Füße stehen
nicht, sie zerfließen in Höhe des Knies in einem Netz,
das Nichts ist.
Die Tage, die einfach verstreichen. Niemand gibt sie uns
zurück. Wir insistieren, wir betteln, wir heucheln, aber
vergebens – Zeit kann hier nicht festgehalten werden – Zeit als
etwas Fliehendes, als etwas immer Fortschreitendes.
Vom Zwischenleben in die verschiedenen Bereiche, wo sich kurze
Wahrnehmungen zu einem begreifbaren Ganzen formen.
Vom neuen Wahnsinn zur Wiedergeburt.
Es ist wunderbar, Tragikkomödie zu spielen
(SELBSTIRONIE).
Überall hin / wo ich schaue / ist die Welt.
Ob ein Morgenstern / der gerade vergeht / oder / das eifrige Wogen
/ des Himmels droben.
Ernüchtert kehre ich an meinen Platz zurück.
Ich habe einen Artikel über Djuna gelesen, die russische
Heilerin, die so schön wie ein Filmstar ist und ich habe ein
Buch über die "Fünfziger Jahre"
durchgeblättert.
Einbildungskraft
Einfallsreichtum (im
Geist, in der Seele)
tausend Seelen während die Tanzschritte hüpfen
über Papier oder Pflastersteine
Küssendes Paar 1959
Möbel
Nylon
Kunstwerke
und am meisten beunruhigt mich das junge Gesicht eines Marlon
Brando – jetzt ist es speckig und satt, diese Sattheit, die nicht
auszuhalten ist.
Durchbruch der Seele
analog dazu Durchbruch der Berufung ... oder Berufung einlegen ...
gegen alles ... selbst gegen Widerstände
Willen brechen ... zur Tat –
graue Eminenz spielen –
weibliches Erscheinungsbild sein.
oder eine andere Möglichkeit:
im Entgegentreten, eine große Angst, jemandem zu nahe zu
treten, zu weit unter die Gürtellinie zu treffen,
Schutzmechanismen einschalten – vorher schon verhindern, leider.
Ich kämpfe damit.
Auch meine Depression ist ein subversiver Akt, mir das Leben zu
verquälen.
Das Aufwachen am Morgen – Flucht in kleine Gründe, mich
schlecht, mich vergebens zu fühlen.
Schon als Mädchen, wenn ich mich im Spiegel betrachtete,
hatte ich das Empfinden, immer unverändert die gleiche Person
zu bleiben, das versetzte mich in Erstaunen, da doch die
Erwachsenen rund um mich behaupteten : "Wie groß du schon
geworden bist!"
Katharsis ist die seelische Befreiung durch emotionales
Abreagieren.
Pablo tobt im Eifersuchtsrausch, wild wirft er mit Ausdrücken
um sich, ungeachtet der Verletzung, die dadurch entsteht.
Unvergoren, roh drängen die Worte aus seinem Mund, es ist
wohl auch der Wein, der ihn so unberechenbar werden
läßt.
Die Wolken greifen darüber –
die Wolken greifen über
Menschen sind überall. Sicher – ich träume – aber
werde ich jemals wieder wach – wenn ich heute am Fenster stehe,
hinausgebeugt lausche auf das Rufen meiner Sehnsucht.
Fassonieren – der Fragezeichen ...
Frage 1
"Hält die tägliche Morgen- und Abendkosmetik die Haut
elastisch und jung?"
Frage 2
"Ist der Beistand einer übergeordneten Instanz für das
Leben eines Menschen von Nöten?"
Frage 3
"Was hat Gott mit Sozialkritik zu tun?"
Frage 4
"Was ist Intimität?"
Eine unmögliche Antwort: "Gewähre dem Floh auf deinen
Bauch zu springen und er wird dir ins Gesicht hüpfen."
SATIRE
ein Gedicht
"Eine glänzende Zeit"
Tränen
Abstraktionen von Gefühlen
Abläufe von Zeit
tiefe emotionale Erschütterung
durch den ganzen Körper
Trauer
unfaßbar geistlos
die Härte aus dem Leben – Erfahrung
Verhalten –
Gebot der Stunde.
Leidenschaft entwickeln –
Gedanken an einen Tod.
Nicht einsehen wollen –
machtloses Gegenüberstehen den Widerständen.
Unglaubwürdige Umstände –
Verneinung von Maßstäben
Sich am Unbegreiflichen messen –
Sanfte Hingabe
Abgabe an das Leben.
Ich sterbe.
Auflösen eines Rätsels – kultische Handlung;
Absolvieren eines Prozesses Leben, gerecht sein, sich üben im
nicht böse werden auf das Schicksalshafte des
ausgewählten Umstands – Leben –
Pablo ist fortgegangen nach unserem Streit, ich warte und denke
mir: Es gibt keine Karriere ohne das Warten – und hinter
verschlossenen Türen lauert die Angst, oder ein Lied
fällt mir ein ... ein Tag, so wunderschön wie heute ...
ich nenne das Galgenhumor.
Ich vermisse Pablo sehr, ich kann wieder keine Geliebte sein –
ich stoße ihn zurück – freilich reagiert er zornig und
trotzig darauf – aber was soll ich tun, da wir gefangen sind in
unseren Widersprüchen von Freiheit und Besitzanspruch. Wenn
es genügen könnte, ihn zu liebkosen! Es genügt eben
nicht!
Immer wieder bin ich erstaunt über das Leben, daß es so
lange, wie eine Ewigkeit dauert. Zufriedenheit erlangen – dann
kann mir nichts mehr passieren. Versöhnung mit der Zeit, dann
kann das Leben geschehen.
Stakkato!
Vielleicht ist im Grunde genommen die Verzweiflung immer
notwendig, um seiner Aufgabe gerecht werden zu können.
Vielleicht schöpfen wir aus dem scheinbar Unlösbaren
immer Mut und Kraft. Vielleicht werden uns diese Verstrickungen
immer zum Ansporn, um aus unserem ganz persönlichen Dilemma
auszubrechen.
12. Dezember
Ich backe Brot. Ich knete den Teig, der sich warm und samtig
anfühlt. Das Märchen aus meiner Kindheit, von einer
Tante, die die Schwester meines Vaters ist und eine mollige,
temperamentvolle, herzliche Frau, erzählt.
Es war einmal ein Mann und dieser Mann lebte abgeschieden und
alleine auf dem Land, weit entfernt vom nächsten Dorf. Er war
ein sehr fleißiger und tüchtiger Mann, aber er war auch
sehr einsam, weil er keinen Menschen hatte, mit dem er sich
unterhalten konnte. Der kleine Bauernhof, den er von seinem Vater
geerbt hatte, brachte ihm gerade das Notwendigste für sich
und die Tiere, die er sich hielt, ein. Jeden Tag arbeitete er auf
seinen Feldern, säte Korn aus. mähte das Gras und
erntete die Früchte von seinem Garten. Eines Tages aber, als
der fleißige, aber einsame Mann sein Brot backen wollte,
wurde er so traurig über seine Einsamkeit, daß er, ohne
es zu bemerken, aus dem Brotteig einen menschlichen Körper
formte und diesem die Gestalt einer Frau verlieh. Als er erkannte,
was er mit seinen Händen erschaffen hatte, überkam ihn
Reue und er fiel auf die Knie, um zu Gott zu beten, damit er ihm
diesen Frevel verzeihen möge. Der Mann betete voller Inbrunst
und je mehr er in sein Gebet versank, umso später wurde die
Stunde und ehe er sich versah, war der nächste Morgen
angebrochen, erschöpft von seinem Beten schlief er auf der
Stelle ein. Am darauffolgenden Abend erwachte er und schickte sich
an, diesen Körper aus Mehl und Wasser zu zerstören, da
geschah das Wunder, die Augen der Frau bewegten sich, die Lider
öffneten und schlossen sich gleich darauf wieder. Nun war der
arme Mann gänzlich verwirrt, nahm das Ereignis aber als ein
Zeichen Gottes und betete fortan jede Nacht; und siehe da, jeden
Abend vollzog sich ein neues Wunder.
Er betete so lange, bis aus dem Teigkörper ein Wesen aus
Fleisch und Blut wurde, nur hatte dieses Geschöpf noch keine
Stimme und soviel der Mann auch weiterhin zu Gott flehte, es
geschah kein Wunder mehr.
Die Frau lag nur da und schlief des Nachts und wurde am Tag wach,
um ebenfalls zu liegen und schweigend vor sich hinzustieren. Viele
Tage und Nächte gingen dahin, während der Mann immer
verzweifelter wurde, da erschien ihm eines Nachts ein Engel, der
sprach: "Du mußt deiner Frau von deiner Seele einhauchen".
Voll Ehrfurcht fragte der Mann: "Aber wie kann ich das tun?" Mit
einem Lächeln gab der Engel dem Mann einen Kuß auf die
Stirne und der Mann verstand sogleich. Also küßte er
seine Frau auf die Stirne, und um sicher zu sein, daß die
Frau auch wirklich beseelt sei, küßte er sie noch sanft
auf den Mund. Von diesem Augenblick an konnte die Frau sprechen
und der Mann freute sich sehr, daß er von nun an eine liebe
Frau an seiner Seite hatte, die mit ihm sein Leben teilte. Und sie
lebten glücklich und zufrieden bis ...
Diese Geschichte wurde mir von meiner Tante in den Jahren 1970,
1971, 1972, 1973, 1974 erzählt, und obwohl ich drei
Brüder hatte, ist mir nie in den Sinn gekommen, die Rollen
dieses Märchens einfach einmal auszutauschen und der Frau dem
Mann die Seele einhauchen zu lassen. Ich war eben fasziniert von
diesem Märchen ...!
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