GANGAN VERLAG Lieferbare Bücher Buchladen Elektronische Bücher Magazine GANGAROO
1. Februar
Ich arbeite jetzt viel und schlafe wenig.
Der Raum ohne Musik, hell ausgeleuchtet. Alle sind nett zu mir. Wie wichtig es ist, wenn alle nett sind. Empfindlichkeiten, hin und wieder möchte ich alles zerreißen und zerfetzen, nur um neue Berührungspunkte zu finden. Einen Anfang setzen, Zweifel nagen an mir, ich sammle Details, hast du schon jemals von einem goldenen Schmerz unter dem Nabel gehört, es ist der Schmerz, der es ermöglicht, in der Mitte zu bleiben.
Im Traum halte ich ein Messer, das ich gefühllos gegen mich selbst richte – Harakiri – ich steche aber nicht zu, weil ich zu stolz bin, es zu tun. Ich bin die Frau, die mich daran erinnert, daß der Kot den Körper während des Exitus verläßt. Sensibilisieren, danach, nach diesem Traum komme ich mir wirklich alleine vor. Manchmal muß man sich vor seinen eigenen Gefühlen in Sicherheit bringen.

2. Februar
Ein Ton kriecht ins Ohr – E-Moll schlüpft durch die engen Gehörgänge, während mir Ostia vortanzt.
In der Mutter-Kind-Beziehung ist das Verhältnis von Liebe und Abhängigkeit am ehesten gleichgewichtig
Dominique bekommt ein Kind. Der Mann, mit dem sie lebt, freut sich nicht darüber. Dominique ist verunsichert. Dominique will dieses Kind und sagt: "Ich habe mich entschieden, ich werde dieses Kind bekommen." Mißtrauen, Liebe und Abhängigkeit. Dominique sagt: "Wir hatten gestern eine schreckliche Auseinandersetzung, Tom fühlt sich überfordert." Schläge unter die Gürtellinie.
Argumente, die sitzen. Anschauungen, die sich so völlig voneinander unterscheiden. Ihre Worte klingen zynisch, wenn sie Tom nachspottet: "In unserer Zeit ist alles ungewiß, die nukleare Bedrohung, die Umweltverschmutzung, ich weiß nicht, ob es verantwortungslos oder -voll ist, ein Kind in diese Zeit, in diese Umstände mit hineinzuziehen?"
Tom und Dominique leben seit fünf Jahren miteinander, sie fühlt sich im Stich gelassen. "Er will mir die ganze Verantwortung aufbürden, ich kann es nicht mehr hören, diese Ausflüchte, dieses Gerede, plötzlich wird mir dieses Endzeitdenken zur realen Bedrohung, so als wären wir die letzte Generation, als müßte nach uns jedes Leben aufhören – ich werde die Bombe entschärfen – ich werde das Kind zur Welt bringen."
"Ich fühle mich mißverstanden und mißachtet."
"Unsere Liebe wird zum Tragisch-Komisch Absurden."
"Ich weiß nicht, woran es liegt, daß uns immer eine kleine Angst belauert."
Ich lasse sie reden und erzählen, ich finde Dominique sehr mutig.
"Die Kleinigkeiten sind es, an denen wir uns herumstreiten, es kann doch nur der Kleinkram sein, in den wir uns derart verbohren."
"Was sind Menschen, die Freunde sind?"
Stolz strafft sie ihren Rücken, während ich sie zur Tür begleite. Während ich sie umarme, sagt sie noch: "Tom und ich versuchen uns den Rang abzulaufen, wir lassen es zu, daß sich alles verselbstständigt. Die Nervosität, die mich befällt aus Furcht vor Spannungen in mir und um mich, das ist es, was mich wirklich quält. Aber ich bin auch voller Freude, da ich weiß, daß ich das Kind will."

3. Februar
Zerfließen von Bedeutsamkeiten.
Durchgewühlt von den vielen Unbegreiflichkeiten, ich hindere mich, an der Wahrheit, an die Wahrheit zu gelangen. Wie kann ich das, was starr ist, von dem, was stur ist, unterscheiden? Erkennen in der Einsamkeit, in der Verschlüsselung ... so wie Notizen entstehen oder Ziffern und Zahlen auf einem Blatt Papier stehen, als Symbole ... ein Symbol ist eine verschlüsselte Nachricht.
Diese penetranten Gedanken versetzen mich in Panik. Das Symbolhafte – herausschälen von Ideen.
Kernfusionen, erschreckende Klarheit von Gesichtern, die ihre Geschichte preisgeben. Sekrete absondern. Aber viel trauriger ist die Tatsache der verlorenen Liebenswürdigkeiten.
Mitteilung an dich oder an mich?
Ich tanze Foxtrott.
Aus dem Gehalt der Schritte formen sich Figuren, die ich posenhaft skizziere. Es blubbert ... es ist als speie der Vulkan immerfort Lava aus. Betonen möchte ich, welche Freude es ist, sich in die Augen zu schauen, sei es in die eigenen oder in die eines anderen.
In der Zeit, in der wir glauben, zu existieren, verstricken wir uns unaufhörlich in der Illusion über das, was das Leben sein soll. Dabei sind wir die Verkörperung dieser Illusion, wir sind das Bindeglied zwischen dem, was wahr und dem, was unwahr ist. Gedankenvöllerei.
Der Alleingang wird zu einem Akt der kontinuierlichen Emigration in eine schöpferische Andersartigkeit.
Was macht unser Glück aus? Eine sehr persönliche Frage. Kunst des Persönlichen. Ein enges sich Umschlingen. Pablo malt an einem Bild, das eine Frau, die die Weltkugel eng umschlungen hält, darstellt. Eine Symbiose in matten, bläulich – rosa Farbtönen, die Weltkugel ist fest verwachsen mit dieser Frau, ist von Adern, die hervorquellen, durchzogen und atmet. Die biblische Geschichte über Adam, aus dessen Rippe Gott Eva erschaffen haben soll, fällt mir assoziativ dazu ein. Der Schöpfungsbericht, ich wende meine Gedanken und entwerfe in meinem Kopf einen anderen Schöpfungsbericht. Hat vielleicht eine Frau die Welt geboren? Ich spekuliere, wo ist dann Gott, dann müßte die Frau, die die Welt geboren hat, gleichzeitig Gott gewesen sein.

5. Februar
Es vergehen oft Tage, ehe ich imstande bin, einen klaren Satz zu formulieren. Ich kann nur hoffen, daß niemand Unbefugter dieses Buch betreten wird. Bei mir wird Kompost auch langsam wieder reif ... dem geht eine Zersetzung voran ... – Paranoia!

Als Rosa Stachelbeer bei der Tür hereinkommt, ist mir klar, warum Heinz Rosa Stachelbeers Namen geheimhält. Rosa Stachelbeer inkognito! Rosa Stachelbeer geht sehr häufig aus, um diesen Spannungen, die sich durch ihre Beziehung ergeben, aus dem Weg zu gehen. Heinz beschäftigt das sehr, er weiß, wie gefährlich die Verlegenheit von Rosa Stachelbeer ist. Umsomehr fürchtet er ihre krankhafte Klatschsucht, die für ihn schwer durchschaubar ist, umsomehr, da Rosa Stachelbeer das Gesicht einer saftigen dunkelroten Herzkirsche hat. Wenn Rosa Stachelbeer lacht, hat man stets das Gefühl, das Herz der Kirsche lacht. In diesem Fall wird es für Heinz schwierig, mißtrauisch zu sein, da ja kein anderer Mensch auf die Idee käme, vor dem herzhaften Lachen einer Kirsche auf der Hut zu sein. Demzufolge sucht er die Nähe von Rosa Stachelbeer sehr, ohne ihr tatsächliches Anliegen zu durchschauen.
Das Herz in tausend Scherben gesprungen zieht in die Schlacht, um die Ratio zu besiegen.(freilich spielt sich das alles nur in meiner Phantasie ab).
Eine Herzenskatastrophe in ein Kuvert stecken und an eine bekannte Adresse senden.
Die Schwermut, die mich hin und wieder überkommt, die ich wohl mit dem Rest der Menschheit teile Versteckenspiel mit der Sentimentalität.
Damals habe ich Steine in sein Wasser geworfen, während ich in den bewaldeten Bergen wanderte, sank die Sonne leise in sein Spiegelbild.

Recht und billig sein.

Wer qualifiziert wen zur Bestimmung des eigenen Stellenwertes?
Das schnippische Nasenrümpfen von einer Person reicht aus, nur um die Fassade zum Abbröckeln zu bringen – In der Schablone, aus allen Nähten platzen.
Rosa Stachelbeer ist abgereist. Heinz ist aufgebracht, Heinz schnaubt wie ein schnattriger Wolf. "Bitte, setz' dich erst einmal hin." "Ich kann nicht, wo ist sie hin?" "Ich frage mich das?" –Wohin – "Bitte, Heinz, setz' dich!" "Ich kann zu einer Frau, die nur Lügen über mich verbreitet, kein Vertrauen haben. Den Tatsachen Aug um Aug, Zahn um Zahn entgegentreten. Du bist zu wütend, um jetzt eine Entscheidung zu treffen." Heinz schnalzt mit den Fingern und macht ein verzagtes Gesicht. Ich trage mein Schneckenhaus spazieren – ich wünschte, ich wäre poetisch. Wie schwer es ist, sich Verständnis abzuringen! Heinz gibt die Hoffnung niemals auf. Rosa Stachelbeer wird zurückkehren und mit ihr der Lärm und all die Gerüchte, die um sie herumflattern. "Ich finde,jetzt wirst du devot." "Warum verteidigst du dich nicht? In einem Aufruhr des Erblindens – blindlings?" Die Antwort ist so zart wie feinste chinesische Seide. Vieles bemerken, um den Kopf abwenden zu können. Verlegen senkt er seinen Kopf. –
Die Angst des Hoffens. – Auch weil sich Alpträume realisieren. Grotesk. Ist "ALLES" der Begriff für's Leben? Ich betrachte die Auseinandersetzungen aus der Ferne, aus einem Abstand, der Zweifel zuläßt, vor denen mir graut.
Das nackte Fleisch der Seele, so entblößt verliere ich die Achtung vor mir. Aber ich habe beschlossen, mutig zu sein, mit dem Ungeheuer mit den tausend Armen und Augen, mit den spitzen Ohren und den schlechten Träumen zu kämpfen. Nichts wird mich dorthin bringen, den Räubern in den Rücken zu fallen. (Der Schweiß ist die Würze des Tanzes.)
Ausschwitzen –
die Schweißperlen treiben auf der Stirn. Ein Virus, das mir eingeimpft ist. Jeden Schritt, den ich tue, bewache ich sorgsam.

Taucht ab ins Wasser – erblindet – wie ein Säugling – liegt ein schleimiger Schleier über seinen Augen – erwacht in der kühlen Röte des Morgens.
Eine Stimme in mir lacht mich aus.
Heinz sagt mir, daß Rosa Stachelbeer zurück sei und der Hausfriedensbruch weitergehe. Auch, so sagt er, übersehe und überhöre er so Manches, um sich zu schützen und um Mut aufzubauen für ein bestimmtes Vorhaben, über das er aber noch nicht sprechen wolle. Er sei Rosa Stachelbeer weiterhin ganz und gar ausgeliefert, da sie ihn zuviel alleine lasse und er dadurch auf merkwürdige Ideen käme. Außerdem habe er es satt, diesen zermürbenden Kleinkrieg um Salz und Pfeffer mit Rosa Stachelbeer zu führen.
Es schwebt ihm, Heinz, so vieles vor und dabei werde er ganz traurig, weil gleichzeitig alles undurchführbar sei. Gestern sei ihm der Verdacht gekommen, daß Rosa Stachelbeer ein Zyklop ist.

7. Februar
Reminiszenzen heraufbeschwören ...
Satzbilder schaffen – mein Vertrauen schrumpft von Tag zu Tag – verwandeln – Verwandlung.
Katherine Mansfield: Glückliche Menschen sind nie genial. Oder: Genie verlangt Widerspruchsgeist.
Gärvorgänge in meinem Kopf, die Vision ist von Dauer. Die Pferde scheuen – Spinnenträume. Das Leben ist ein Genuß – in jeder Hinsicht, hinsichtlich der Gedanken um den Frieden der Welt und um den Himmelsfrieden. Wohin des Wegs? Ich bin schreckhaft. Brotbutter, was soviel heißen soll wie, daß das Brot wieder einmal unsere Mahlzeit ist, die wir zu uns nehmen. Kopfstände!
Stehende Köpfe. Abgedrängt, in den Türstöcken knarren die Holzwürmer. Die fressen den ganzen Tag. In dem stumpfen Gefühl leben, einen Ausweg finden zu müssen.Transparent bleiben. Die Dinge umkehren! Nichts wollen – im Grunde. Meine Haare wachsen auch jeden Tag um einen Millimeter. Die wenigen, die an den Rand gedrängt sind, leben exzentrisch und abgerissen, sind auffällig.

8. Februar
Ich liege flach auf dem Bauch im Bett, das eine Matratze ist, die auf dem Boden liegt. Körpergeruch! Saft sammelt sich in meinem Mund! Morgen werde ich applaudieren und laut "BRAVO; BRAVO" rufen – schreien, daß es jeder hören kann. Beweihräuchern. Ich liebe ihn, den tiefen schwarzen Blick, den seidigen Schimmer seiner Haare oder die blonden Locken, die mir in den Sinn kommen. Heute fühle ich mich verrückt und so voller Poesie.
Die Schlafstätten der Ruhelosen brechen nieder, ineinander. Die Übermütigen dahinziehen lassen. Ich warte auf die Zeit, in der ich mehr Einsicht finden kann.

Traumüberwurf oder hat mich der Traum überfallen, ist der Traum in mich eingebrochen? Jedenfalls muß meine Alarmanlage defekt sein. Mit Pablo schlendere ich Hand in Hand zu einer uns bekannten U-Bahn-Station. Links und rechts – eine Allee – aus Signaltafeln, der Weg gabelt sich, vor uns breitet sich ein Friedhof aus, der während wir ihn betrachten steil abfällt, einer Hebebühne gleich, die in unterschiedliche Positionen gebracht werden kann. Ich sträube mich, in diese Richtung zu gehen, doch die Hand Pablos zieht mich mit sich fort. Wir springen auf die Gräber, dann mit großen Sprüngen über sie hinweg. Psps, Pablo, nein, laß uns keine Grabschänder sein, dort – diesen Weg, der mit Granitsteinen stufig angelegt ist, diesen Weg will ich mit dir begehen. Pablo zögert, ehe er einverstanden ist. Als wir unten anlangen, sind wir steif.
Zu meiner rechten Seite liegt eine nackte, fleischige Negerin und obwohl ich weiß, daß die Negerin als ganze Person sichtbar ist, sehe ich nur ihren Rücken und den kahlgeschorenen Kopf. Ihr Gefährte schlägt mit einem kleinen Blätterbüschel die neunte Bremse auf ihrem Rücken tot. Meine Stoffschuhe, die schwarz sind, sind abgetragen und ich rutsche mit meinen Füßen in den Schuhen hin und her. Ich kann die graue, abgelatschte Innenseite meiner Schuhe sehen.

9. Februar
Ich kann mich nur befreien, wenn ich leicht bin, wenn ich getanzt habe, wenn ich mich vor Lachen übergeben kann. Der Knick in der Wirbelsäule, wie ein Wünschelrutengänger. Hin und wieder klopft mir jemand von hinten auf die Schulter, ich soll doch meinen Rücken gerade halten. Dann sehe ich einen Film über Wallenberg, den schwedischen Retter ungarischer Juden. Alle sprechen vom Krieg, überall begegnen wir dem Krieg – es ist schwer zu glauben – auch Ödon von Horvath spricht vom Krieg, aber dieses Mal von einem anderen Krieg, vom Krieg vor dem Krieg. Und Saint-Exupéry stirbt vierundzwanzigjährig, vielleicht stirbt er nicht, nein, also ich glaube es auch nicht, er ist NUR verschollen. Verschollen während eines Erkundungsfluges.
Eine Art, das Leben mißzuverstehen, nichts zu tun außer an den Tagen hängen – festhalten an dem Schatten der Uhr – der seine Zeit vorauswirft. Die Gehäuse aus Plastik, verpackt in diesem Material hochmodischer Kram. Meine Wirbelsäule, die sich biegt vor Lust, ich habe Kafka nie geliebt.
In einer Art Schöpfungsexil leben. Geflüchtet worden – stillgelegt. Was ist mit Narziß. In der Selbstliebe zum Niemand werden. Ich beklage mich bei mir selbst über meine Skurillitäten. (Meine Poesie verstummt in mir). Das Geplappere von Ostia, die mit schriller Stimme ihr Wesen mitteilt – voll Überschwang. Mein feuchtes Haar, weil ich durch den Regen gelaufen bin und nicht der Held aus dem Film. Vielleicht regnet es den ganzen Tag. Grünes Blut, wir tanzen einen Krieg. Die unsäglichen Schmerzen, die sich im Brustbereich ausweiten, potenzieren sich tausendfach.

10. Februar
Aus unerschöpflichem Repertoire neugeboren werden.
Wenn ich assoziiere, wenn die Tage neu anfangen, ich von vorne beginne – ich wieder anfange, zu leben nach einem langen Schlaf, aus einer endlosen Nacht, die nahtlos in den Tag übergeht, der wiederum in die Nacht zerfließt.

11. Februar
Ich verbringe die Tage jetzt wieder mit Hirngespinsten (man stelle sich das feine Gewebe der Spinnen vor) oder Trübsinn blasend / und die Sonne hat die Macht /
Der Glaube, daß alles zu mir zurückkehrt, was ich verloren habe. Inhalte nähren durch Entschlossenheit. In der Sehnsucht erstickt die Hoffnung – Vorsicht vor Geistern! Ich werde mein ganzes Leben lang an die Hoffnung glauben. Das Besondere in allem, was uns neu und unbekannt ist. Jeder Mensch ist einmal müde. Die Realität ist, wenn ich aus diesem Traum aufwache, ein unschöner Abklatsch ... oder das Künstliche, das ich produziere. Stimmen die Bilder noch überein? Der Sprung ins kalte Wasser – unmöglich – im kalten Wasser befinde ich mich bereits, vielleicht habe ich vergessen zu schwimmen.
Tagesbericht / sind bei dir auch manche Tage so erniedrigend eindringlich?
Am Morgen bin ich aufgestanden.
Ostia holt für uns die Frühstückssemmeln (das tut sie so gerne)
wir frühstücken gemeinsam
wir sprechen über unsere Träume
wir waschen uns
dann säubere ich das Zimmer von Ostia und dann erst kleide ich mich an. Ostia und ich gehen aus dem Haus, wir gehen zur Straßenbahn, wir fahren mit der Straßenbahn, wir steigen um in eine andere Straßenbahn. Ich empfinde den Tag bereits aufdringlich und bedaure die Bezugslosigkeit der Menschen, als wir mit dem Bus fahren.
Der Bus bringt uns direkt zu dem Haus, in dem sich mein Arbeitsraum befindet.
Ich hole Heizöl.
Während ich arbeite, malt Ostia. Am Nachmittag gehen wir nach Hause. Zuvor einkaufen. Wir gehen radfahren. Wieder nach Hause. Ich schlage Obers, mische zerkleinerte Früchte mit Topfen und Honig, schneide Kiwis. Im Glas. Ich beginne, den Tag zu mißachten und hoffe, an das andere Ende der Welt zu gelangen.

12. Februar
Ein Teufelskreis ist ein Kreis ohne einer Öffnung zum Entschlüpfen. Jeder geht seinen Weg! Wie der Tag gestern zu Ende ging? Das Theater war halbvoll, die Vorstellung verlief ohne besondere Zwischenfälle. Während die großartige Künstlerin mit einem seichten Applaus bedacht wurde, applaudierte ich so heftig und schlug die Hände immer wieder ineinander, daß mir die Handgelenke heute noch weh tun. Danach ging ich mit Heinz und Rosa Stachelbeer essen. Dabei beobachtete ich, wie sehr sie dieses Spiel des sich Messens genießen. Es hat den Anschein, als will ich noch nicht wach werden. Purzelbäume schlagen – wenn die Wucht zu stark wird, knallt es laut. Mücken fliegen. (Schreibe nie Liebesgedichte).
(Nimm nie Abschied von Wahrheiten) Sinneswellen. Die Zeit als goldenes Pendel als Ausgleich für die schon erwähnten goldenen Schmerzen.

15. Februar
Geduld und Weltschmerz vereint. Es stemmt sich nur so schwer – Bein um Bein – um eine Stufe zu erklimmen. Helene sieht rot. Jetzt ist der Teufel los, jetzt, wo alles aus mir herausbricht. Ich besuche Pablo, der gerade dabei ist, ein Bild zu übermalen. "Wo bleibt dein Witz", fragt er mich? "Du schändest deine Bilder!" Er brummt mich an (Fleischfliege), "das ist meine Leinwand, die ich da übermale." Zwischengedanken sind erlaubt. Was wirst du jetzt tun? Na, ein neues Bild malen! Für die nächsten Stunden gedenke ich, zu schweigen, zu summen und mich weiterhin über die Umstände zu mokieren. Es wird sich dadurch nichts ändern, denn Pablo wird auch zukünftig seine Bilder übermalen, es sei denn, jemand ist bereit, sie ihm zu entreißen.
Hälse schreien Aufschlußreiches. Respekt geht verloren. Enttäuschung täuscht uns alle.
Sakrilege begehen, erstaunen über die Demut, die etwas Schreckliches ist, weil sich darin etwas Unterwürfiges verbirgt.

Das Imaginäre, nur in der Vorstellung Vorhandene, nicht wirklich, nicht real ... aber, wie, wenn es anders wäre, die Begriffe anders definiert wären ... Helene, was erlebst du, wenn du so vor dich hinstarrst?
Oder Formenwelt wird zur Sinnenwelt ...
Das so tun, als wäre die ganze Welt in Ordnung. Unausgeschlafen sein wegen der schlechten Träume und wegen Ostia, die manchmal die Ordnung meiner Welt auf den Kopf stellt.

20. Februar
Gesprächsfetzen aus Selbstgesprächen, in Korrespondenz mit Nabel und Stirn. Etwas in mir zum Schwingen bringen, das mich beglückt oder berauscht. Der Körper im Brennpunkt der Elemente ... die Luft durchdringt meine Denkvorgänge. Ich erlebe Zeitverschiebungen. Ich speichere das Erleben in mir. Das Unaufgearbeitete gefährdet das Selbstverständnis über die eigene Person. Meine Neugier stimmt mich optimistisch. Das Kuriose der Schicksalslogik. Heute nacht: Schwarze Haare wachsen aus meinem Gesicht und aus meinem Hals, dann umarme ich meinen Vater, der in einen Eifersuchtsmord verwickelt ist, aber freigesprochen wird und nach Hause zurückkehrt. Selbst im Traum ist es mir unmöglich, meinen Vater zu beschuldigen.
Akzeptiere ich endlich die Gegebenheit der Zeit? Ich verwandle mich in jedem Moment.
Es ist ein Mord passiert.
Ein Mord an der Liebe.
Freiheit kann man nicht kaufen.

Leerläufe in der Gehirnplastizität, nach dem Träumen von: wie es (alles) weitergehen kann, die Stagnation. Wir leben bis tief in die Nacht hinein. Wir arbeiten bei schlechtem Licht in den großen Räumen. Traumstreifzüge ... ich lache jetzt soviel, daß ich mich frage, ob es nicht schon zuviel ist. AngstLOS. Die Tiefe des Bauches ist die Höhe des Himmels.

21. Februar
Die Trommel der Waschmaschine dreht sich, das einfließende Wasser rauscht, das Waschpulver verbindet sich mit dem Wasser und ergibt Schaum, der aus der Maschine austritt.
Die Zärtlichkeit bekommt Fangarme und derjenige, der sie gibt, gibt sie vergeblich. Heinz telefoniert mit mir, unbegreiflich, wie sich manche Sätze unbemerkt vorschleichen und ein Sturm an haltlosen Emotionen losbricht.
Oft fühle ich, wie sich meine Augen mit Tränen füllen ... kein Tropfen der salzigen Flüssigkeit stolpert über den Rand meiner Augenlider – Tränenperlenschnur! Heinz will von mir wissen, ob sie sich keine Gedanken macht, ob sie (Rosa Stachelbeer) sich in Sicherheit wiegt, ob sie kein bißchen Sehnsucht verspürt, ob sie das alles ungerührt läßt? Wie abstoßend mir vieles wird. Wie schmerzlich manche Einsicht wird.
Dialoge führen.
"Ob ich singen soll, oder besser das Geschirr abwaschen?"
Da erlebe ich die Realität und dort erfinde ich einen Ausweg aus der Realität. Heinz sagt: Seitdem Rosa Stachelbeer fortgelaufen ist, begegne ich ständig irgendwelchen Leuten, die sich als ihre Freunde bezeichnen und mich des Verrats bezichtigen. Aber, wie gesagt, was kann ich dafür? Rosa Stachelbeer muß eine äußerst schlechte Meinung von Heinz haben.
"Dabei erkenne ich genau oder glaube zumindest zu erkennen, worum es geht."
"Sie lebt das aus, was sie niemals wagen würden, zu tun, sie beansprucht ihre Freiheit und auch, wenn es den Anschein hat, daß sie im Unrecht ist, niemand weiß, wie sie mit Heinz gelebt hat, es geht auch niemanden etwas an.

25. Februar
Die Sonntage, die mich aus dem Konzept bringen, werden zu den gräßlichen Tagen. Dem Leben die Notwendigkeit abringen.
Sätze als Manifeste. Das Leben ist fortlaufend ewig!
Nach einer kurzen Pause, nach einem eiligen Ausstrecken nach ein paar Sonnenstrahlen, die das Herz erwärmen sollen, fällt der Winter von neuem ein.
Schnee tobt vom Himmel. Draußen wird es wieder still, das Leben wieder in die Häuser eingesperrt samt der Freudlosigkeit des Alltags.
Dabei bin ich um keinen Preis dazu bereit, ein Stück von meinem Tagtraum aufzugeben. Die Gedanken überlappen sich ... es gibt viele Interpretationsmöglichkeiten.
Sollte endlich der Frühling kommen?
Ich vertiefe mich in die Musik, während ich Tanz ausführe. Mitten in den angehäuften Rätseln – abstrahieren von Gedankengängen – vereinfachen – reduzieren.
Ich bin verwirrt.
Das Locken der Farben um sie zu schauen.
Der Ekel vor dem selbstauferlegten Zwang zur Leistung.
Ein glucksendes Gurgeln, das von meinem Bauch aufsteigt, um mich an der Spitze des Herzens zu berühren.
Der Mond scheint in einer Hülle von Klangmelodien.
Der Zustand des Träumens löst sich nicht auf.